30. Juli 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Thema in den Kommentaren ist unter anderem die Präsidentschaftswahl in Venezuela. Zunächst geht es aber erneut um die Lage im Nahen Osten. Israels Ministerpräsident Netanjahu hat nach dem tödlichen Raketeneinschlag auf den Golanhöhen ein hartes Vorgehen gegen die militant-islamistische Hisbollah angekündigt.

30.07.2024
Porträt von Recep Tayyip Erdogan, der ein weißes Hemd, eine rote Krawatte und ein schwarzes Sakko trägt und an der Kamera vorbeischaut.
Die Drohung von Präsident Erdoğan gegenüber Israel ist ein Thema in den deutschen Zeitungskommentaren. (picture alliance / abaca / Europa Press / Diego Radames)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG äußert sich besorgt: "Ein Schlag des israelischen Militärs gegen die Hisbollah in Libanon könnte zu einem Krieg führen, den Israel möglicherweise militärisch nicht überstehen wird. Die Hochrüstung durch Iran hat die Hisbollah derart schlagkräftig werden lassen, dass eine israelische Überlegenheit – noch dazu in einem Zwei-Fronten-Krieg – nicht mehr garantiert ist. Schon allein die Spekulation über das wahre Kräfteverhältnis und die Unsicherheit über die Kapazität der israelischen Flugabwehr gegen Hisbollah-Raketen sollten ausreichen, um innezuhalten. Wenn Israel jetzt die zweite Front eröffnet, könnte es tatsächlich in einen Krieg um seine Existenz schlittern. Das wäre das fatale Ergebnis einer Selbstüberschätzung, die schon im Gazastreifen nur Tod und Zerstörung, aber kein Ende des Terrorkrieges gebracht hat", mahnt die SZ.
Der MÜNCHNER MERKUR kommt zu einer anderen Einschätzung: "So groß ist in der muslimischen Welt der Hass auf Israel, so groß der Vernichtungswille, dass nur die Furcht vor massiver Vergeltung die Feinde von fortgesetzten Angriffen abhält. Seit Monaten geht täglich ein Raketenhagel aus dem Libanon im Norden Israels nieder. Nach dem barbarischen Angriff auf ein drusisches Dorf mit vielen toten Kindern ist die rote Linie überschritten. Israels Regierung wird sich das Recht nicht nehmen lassen, darauf hart zu reagieren."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER vermerkt: "Die israelische Regierung sollte trotz allen Rechts, sich gegen Hamas und Hisbollah zu verteidigen, die Frage zulassen, ob es nicht an der Zeit ist, über deeskalierende Schritte zumindest nachzudenken. Israels Krieg gegen die Hamas ist auch nach rund neun Monaten noch weit von dem Ziel entfernt, die Hamas militärisch zu besiegen. Und über die Befreiung der israelischen Geiseln wird lediglich seit Wochen verhandelt. Es wäre auch dringend notwendig, über die Zukunft des Gazastreifens zu diskutieren."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG befasst sich mit den jüngsten Drohungen des türkischen Präsidenten Erdogan gegenüber Israel: "Mit Erdogan hat die Türkei einen Präsidenten, der nicht nur die terroristische Hamas als 'Befreiungsorganisation' bezeichnet, sondern jetzt auch Israel mit einer militärischen Einmischung droht – das ist eine neue verbale Eskalationsstufe. Erdogan war immer ein schwieriger NATO-Partner. Dabei ist er als Vermittler bislang nützlich gewesen – oder jedenfalls die Option darauf. Das erklärt die vielen faulen Kompromisse, die man im Westen ein ums andere Mal mit ihm einzugehen bereit ist. Auch jetzt ist vom Auswärtigen Amt und der Bundesregierung noch keine scharfe Reaktion zu hören auf diesen ungeheuerlichen Vorstoß. Und auch diesmal wird der Westen den türkischen Autokraten mit irgendetwas besänftigen: Die Türkei ist strategisch schlicht zu wichtig, um das Pulverfass im Nahen Osten nicht explodieren zu lassen", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Es ist an der Zeit, angemessene Reaktionen auf Erdogan zu finden", fordert DIE WELT: "Nicht durch Starksprech oder durch die Einbestellung des türkischen Botschafters – beides Erdogans Paradedisziplinen, in denen es kein deutscher Politiker mit ihm aufnehmen kann. Aber mit konkreten Maßnahmen. Zum Beispiel könnte man die von der türkischen Regierung bezahlten Imame des Moscheeverbandes Ditib ausweisen, die deutschen Filialen türkischer Banken schließen, die Geschäfte mit der Hamas machen, die Mitgliedschaft der Türkei im Europarat suspendieren und auf alle diplomatischen Aufwartungen verzichten", schlägt die Zeitung DIE WELT vor.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert die Präsidentschaftswahl in Venezuela, bei der Amtsinhaber Maduro laut offiziellen Angaben wiedergewählt wurde: "Sollte jemand auch nur einen Funken Hoffnung gehabt haben, dass Maduro einem demokratisch gewählten Nachfolger weichen würde: Er müsste sich die Frage gefallen lassen, was zu dieser Hoffnung hätte Anlass geben können. Sicher war die venezolanische Opposition (oder besser gesagt das, was Maduro als solche geduldet hat) einem Sieg näher als bei allen Wahlen seit 1999. Kein Wunder: Zu offenkundig sind der wirtschaftliche Ruin des einst wohlhabenden Landes, der Kollaps der politischen Institutionen und die Repressionen gegen alle Kritiker des 'Systems'. Doch Maduro konnte sich seiner Sache so sicher sein, dass er Freund und Feind bis zuletzt in dem Glauben lassen konnte, die Bürger seines Landes hätten die Wahl. Denn mag mittlerweile ein Viertel der Venezolaner ihrer vom Sozialismus verheerten Heimat den Rücken gekehrt haben, so sind Maduros Unterstützer mächtiger denn je. Auf die Loyalität der Militärs konnte der Autokrat schon immer zählen, weil er ihren unumschränkten Reichtum garantierte. Auch auf die kaltblütig kalkulierte Unterstützung durch Russland, China, Iran, Kuba und Nordkorea kann Maduro zählen", analysiert die F.A.Z.
Die Zeitung ND.DER TAG notiert: "'Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit' lauteten die Versprechen von Nicolás Maduro gegenüber seinen Anhänger*innen, nachdem sein Wahlsieg verkündet worden war. Stabilität und Gerechtigkeit verzeichnet das Land spätestens seit dem Tod des ehemaligen Präsidenten Chávez ohnehin nur noch in homöopathischen Dosen. Fast acht Millionen Menschen, fast ein Viertel der Bevölkerung, haben seitdem mit den Füßen abgestimmt und das Land wegen der wirtschaftlichen Misere verlassen. Maduro ist dieser in elf Jahren nicht Herr geworden. Doch die neoliberale Rosskur, die Oppositionsführerin Machado und Co. vorschwebt, würde das Leid der Armen noch verschärfen", meint ND.DER TAG.
"Es ist nach Ende der brutalen Militärdiktaturen im 20. Jahrhundert der dunkelste Tag für die Demokratie in Lateinamerika", bilanziert die STUTTGARTER ZEITUNG: "Sollte die internationale Staatengemeinschaft Maduro diese Manipulationen der Wahl durchgehen lassen, wird sie die Konsequenzen tragen müssen: weitere Millionen von Migranten."
Themenwechsel. Das Bündnis Sahra Wagenknecht macht mögliche Koalitionen nach den Landtagswahlen im Herbst von der Haltung zum Krieg in der Ukraine abhängig. Die HAMBURGER MORGENPOST bemerkt: "Nimmt man Wagenknechts Bedingungen ernst, blieben – mit Ausnahme von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer – kaum Koalitionspartner übrig. Und genau das ist möglicherweise auch die Absicht: Wagenknecht selbst hat – anders als viele andere Politiker ihrer ehemaligen Linkspartei – noch nie ein öffentliches Amt inne gehabt. Denn darin muss man Verantwortung übernehmen und auch mal unangenehme Entscheidungen vertreten. Das verträgt sich mit dem Populismus wagenknecht’scher Prägung aber nur schlecht."
Die TAZ sieht es ähnlich: "Regieren will Wagenknecht in den Bundesländern noch nicht. Darum stellt sie solche kalkulierten Maximalforderungen. Zugleich schärft sie damit ihr Profil in der 'Friedensfrage', denn das ist ihr Trumpf. Die AfD schlägt zwar vergleichbare Töne an, aber deren 'Markenkern' ist die Migration. Das BSW dagegen spricht all jene an, die den Kurs der anderen Parteien gegenüber Russland ablehnen oder skeptisch sehen – sei es aus ehrlicher Angst vor einer Eskalation, aus Sympathien für Diktator Putin oder Antiamerikanismus."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG kritisiert: "Die Volte ist ein Beleg für Wagenknechts Ferne zum demokratischen Westen und ihre Nähe zu Russland, die jener der AfD kaum nachsteht. Typisch ist überdies die Dreistigkeit, mit der Wagenknecht agiert. Sie erhebt eine Forderung, die den Grundwerten potenzieller Partner widerläuft. Dabei instrumentalisiert sie hemmungslos Stimmungen in der Bevölkerung."