01. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die Gedenkfeier zum Warschauer Aufstand vor 80 Jahren und ein mutmaßlich chinesischer Cyberangriff auf eine Bundesbehörde. Im Mittelpunkt der Kommentare steht jedoch die Tötung von Hamas-Chef Hanija in Teheran, für die der Iran Israel verantwortlich macht.

01.08.2024
Teheran: Auf diesem vom iranischen Präsidialamt veröffentlichten Foto sitzt Hamas-Chef Ismail Hanija bei einem Treffen mit Präsident Masoud Pezeshkian im Präsidialamt.
Die Kommentare beschäftigen sich u.a. mit der Tötung von Hamas-Chef Hanija im Iran und den Folgen für den Nahostkonflikt (Archivbild). (Uncredited / Iranian Presidency Of / Uncredited)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist sich sicher, neben dem Mordanschlag auf Hanija werde auch der Tod eines wichtigen Hisbollah-Kommandeurs in Beirut ohne Zweifel "einen iranischen Gegenschlag nach sich ziehen. Die Israelis, die Iraner und die Hisbollah wissen aber auch, dass in jeder Kette kühl kalkulierter militärischer Züge irgendwann der eine entscheidende Fehler gemacht wird, der dann einen großen Krieg auslöst. Und diesen großen Krieg – den zu Tode zitierten Flächenbrand – will vorerst keiner. Auf Risiko spielen beide Seiten dennoch. So abgedroschen das düster-prophetische Szenario vom Flächenbrand klingt, so sehr spiegelt es die Realität wider. Wenn der Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern – und in der Verlängerung mit Iran, der Hisbollah, den Huthi und den anderen Helfershelfern – außer Kontrolle gerät, brennt die Region", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Israel ist in ernsthafter Gefahr. Mehr denn je", schreibt der Berliner TAGESSPIEGEL. "Dem Land droht jetzt ein Krieg, der zu einem Überlebenskampf werden könnte. Denn die Hisbollah ist ein ungleich gefährlicherer Feind als die Hamas im Gazastreifen. Die libanesische Schiitenmiliz verfügt über alle militärischen Kapazitäten, um den jüdischen Staat in seinen Grundfesten zu erschüttern. Und die Bereitschaft, in eine große Schlacht zu ziehen, dürfte bei der Hisbollah nach dem vermutlich tödlichen Angriff auf einen ranghohen Funktionär der Terrororganisation in Beirut deutlich gestiegen sein. Auch die gezielte Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija in Teheran und die damit einhergehende Schmach, ihn nicht geschützt haben zu können, hat den Iran als Befehlshaber der Hisbollah erzürnt. In Teheran wird das Regime um Revolutionsführer Ali Chamenei alles daran setzen, möglichst spektakulär Vergeltung zu üben", vermutet der TAGESSPIEGEL.
In der LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus lesen wir: "Freude über den Tod eines Menschen verbietet sich, das gilt auch im Fall des von den Israelis getöteten Hamasführers Hanija. Klar ist jedoch auch, dass das Töten von Menschen im Krieg nun mal dazu gehört. Das kann man bedauern. Und man kann das Denken in militärischer Logik auch grundsätzlich verurteilen. Aber zur Erinnerung: Es waren die Hamas-Führer, die den Überfall auf israelische Zivilisten mit 1.200 Toten befahlen. Dass Israel darauf militärisch reagieren würde, war absehbar", meint die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz schätzt, die Hamas bleibe auch ohne Hanija ein gefährlicher Gegner Israels: "Die Palästinensergruppe hat in ihrer Geschichte schon andere Anführer durch israelische Anschläge verloren, ohne dass sie dadurch zerstört worden wäre. Israel hat die Hamas nur geschwächt. Ebenfalls geschwächt ist der Iran. Die Islamische Republik sieht sich gern als einflussreiche Regionalmacht, steht jetzt aber als Land da, das seine Verbündeten nicht schützen kann. Teheran wird auf die Demütigung antworten, doch dass die Islamische Republik einen Krieg gegen Israel beginnt, ist unwahrscheinlich: Damit könnte das iranische Regime sein eigenes Ende einläuten. Wahrscheinlicher sind Anschläge proiranischer Gruppen auf israelische und amerikanische Einrichtungen im Nahen Osten und im Westen. Doch die gab es auch schon vorher", notiert die FREIE PRESSE.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf beobachtet: "Deutschland ist trotz vieler Reisen von Außenministerin Annalena Baerbock in den Nahen Osten dort bislang diplomatisch kaum aufgefallen. Das muss sich ändern. Die Staaten, die den Konflikt entscheidend verschärfen oder entschärfen könnten, sind Iran, Katar, Saudi-Arabien und Ägypten. Das sind Länder, die aus deutscher Sicht gegen Menschen- und Freiheitsrechte verstoßen, aber mit denen man reden muss. Denn ein Ausweiten des Konflikts in ohnehin unsicheren Zeiten hilft niemandem – weder den Israelis noch den Millionen von Menschen in den krisengebeutelten arabischen Ländern", wendet die RHEINISCHE POST ein.
Der WESER-KURIER aus Bremen findet: "Israel braucht eine Lösung, die das Land im bewaffneten Konflikt nicht finden wird. Man kann sich ausmalen, wie die nachbarschaftlichen Beziehungen im Nahen Osten nach Beendigung des Tötens aussehen werden: noch einmal deutlich schlechter, als es vor dem Terrorangriff der Hamas im Oktober ohnehin schon der Fall war. Langfristige Perspektiven scheinen aber bei den Entscheidungen im Nahen Osten derzeit auf keiner Seite eine Rolle zu spielen."
Themenwechsel. Bundespräsident Steinmeier hat beim Gedenken an den Warschauer Aufstand vor 80 Jahren das polnische Volk um Vergebung gebeten. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkt: "Der Warschauer Aufstand ist ein Zeugnis für die Fähigkeit des menschlichen Geistes zu großen Taten auch in Zeiten der Finsternis. Getrieben vom Mut der Verzweiflung stellten sich am 1. August 1944 polnische Kämpfer der Nazi-Besatzung entgegen. Es war der größte Aufstand einer Widerstandsbewegung in jenen Gebieten, in denen die Deutschen andere Menschen knechteten. Die Polen wollten einerseits die Nazis loswerden andererseits einer Befreiung durch die Sowjets zuvorkommen. Besser sich selbst befreien, als befreit werden. Der Kampf wurde brutal niedergeschlagen. Die Demutsgeste des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Warschau ist ungeheuer wichtig. Die Deutschen haben die Stadt Warschau dem Erdboden gleichgemacht. Es ist eine ungeheure Schuld, welche die Besatzer auf sich luden, und woraus sich heute der Wunsch der Polen nach deutscher - finanzieller - Wiedergutmachung speist", folgert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das STRAUBINGER TAGBLATT lobt, es sei erfreulich, dass sich die deutsch-polnischen Beziehungen "mit dem Regierungswechsel in Warschau wieder deutlich verbessert haben. Mit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Donald Tusk und seiner Regierung hat es einen Neustart gegeben. Doch gerade, wenn es um die Aussöhnung geht, zeigt sich noch immer: Der Krieg und die Besatzung haben Narben hinterlassen. Natürlich. Bei manchen Themen reagieren die Polen höchst sensibel. Für Polen ist dieses dunkle Kapitel der Geschichte nicht abgeschlossen. Die Reparationsforderungen sind nicht vom Tisch. Dabei liegt es auch in deutschem Interesse, rasch für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden und so die Partnerschaft zu Polen zu festigen, die an Bedeutung gewinnen wird", argumentiert das STRAUBINGER TAGBLATT.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beschäftigt sich mit einer mutmaßlich chinesischen Cyberattacke auf eine Bundesbehörde: "Drei Jahre nach einem Angriff auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie ist die Bundesregierung sicher, dass staatliche chinesische Akteure hinter der Attacke stecken. Die Einbestellung des chinesischen Botschafters ins Auswärtige Amt ist die logische Folge dieser Aktion chinesischer Stellen. Niemand sollte nun aber glauben, dass China als Folge des hoffentlich geharnischten Protestes entsprechende Aktivitäten künftig einstellen wird. Im offiziellen Berlin tut das sicher auch niemand. Viel wichtiger ist die Botschaft an die Angreifer, dass auch noch so geschickt eingefädelte Aktionen letztlich entdeckt werden", meint die F.A.Z.
Ähnlich äußert sich die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört: "Ungeachtet der Zeitlupen-Reaktion transportiert der Schritt doch auch eine eindrückliche Botschaft – immerhin ist dies die erste Einbestellung eines chinesischen Botschafters seit der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz vor 35 Jahren: Wir haben verstanden, ganz langsam. Deutschland hat sich lange unvernünftig schwergetan, auf die Bedrohungen aus China zu reagieren. Der Huawei-Bann für 5-G-Komponenten etwa wurde hierzulande erst Jahre später ausgesprochen als in anderen Ländern."