03. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zur Geschlechterdebatte um die algerische Boxerin Khelif bei den Olympischen Spielen. Zudem geht es um die Frage, ob der vom US-Halbleiterhersteller Intel angekündigte Sparkurs Auswirkungen auf die in Deutschland geplante Fabrik haben könnte. Doch zunächst weitere Kommentare zu dem Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen.

03.08.2024
Köln: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfängt die frei gelassenen Personen, die mit einem Flugzeug nach dem Gefangenenaustausch mit Russland auf dem militärischen Teil des Flughafen Köln/Bonn ankommen.
Der Gefangenenaustausch mit Russland, zu dem sich Kanzler Scholz (SPD) am Flughafen Köln/Bonn äußerte, wird weiterhin kommentiert. (Marvin Ibo Güngör / Bundesregier / Marvin Ibo Güngör)
Man könne ohne Frage von einer diplomatischen Meisterleistung sprechen, meint das HANDELSBLATT: "Sie konnte nur funktionieren, weil alle zusammengearbeitet haben und weil zwischen US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz offenbar ein tiefes Vertrauensverhältnis besteht. In die Freude über die Rückkehr der zu Unrecht gefangenen Menschen wie dem mutigen US-Journalisten Evan Gershkovich mischt sich jedoch ein Unbehagen darüber, welches Signal ein Rechtsstaat wie Deutschland damit an Autokraten wie Putin sendet: Wenn der Preis stimmt, sind wir bereit, auch einen verurteilten Mörder, der im Auftrag des russischen Staates gehandelt hat, freizulassen. Auch andere Autokraten weltweit könnte der Deal auf Ideen bringen", vermutet das HANDELSBLATT.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE spricht von einem Sieg Putins: "Der russische Präsident hat längst erkannt, dass politische Gefangene, mehr noch westliche Gefangene, so etwas wie eine Handelsware sind. Menschenleben haben für ihn keinen Wert, sondern einen Preis, der sich genau ausrechnen lässt: Waffenhändler gegen Basketballspielerin, Mörder gegen Journalist, Spion gegen politische Aktivistin. Er weiß, dass es die modernen Gesellschaften nicht aushalten, wenn ihre eigenen Staatsangehörigen wegen fadenscheiniger Gründe in sibirische Straflager geschickt werden", notiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die BERLINER MORGENPOST hebt hervor, die Heimkehr der Gefangenen beschere Kanzler Scholz "positive Bilder in einer Zeit, in der die Ampelkoalition durch das Gezerre um den Haushalt erneut in Turbulenzen gerät. Das Gleiche gilt für die andere Seite des Atlantiks. Die Rückkehr der US-Häftlinge gibt sowohl Biden als auch der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris Auftrieb. Und erhöht vielleicht die Aussicht, dass in Washington in den kommenden Jahren weiter eine konstruktive Partnerin sitzt. Auch dies mag ein Hintergedanke von Scholz gewesen sein", spekuliert die BERLINER MORGENPOST.
Die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg kritisiert: "Es ist bezeichnend für unser Land, dass die Freude über den gelungenen Gefangenenaustausch mit Russland sofort wieder überschattet wird von Bedenken gegen die Freilassung eines in Deutschland rechtskräftig verurteilten Mörders. Im Verhältnis zu Russland kommt man derzeit mit rechtsstaatlichen Prinzipien oder gar moralischen Überzeugungen nicht weiter. Es geht schlicht um Interessen, um die Auslotung und Abwägung des jeweils eigenen Vorteils. Es ist der Bundesregierung hoch anzurechnen, dass sie ihre Schutzverantwortung gegenüber ihren eigenen Bürgern über diese Bedenken gestellt hat", urteilt die NORDWEST-ZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz blickt zurück: "In Deutschland erinnern sich manche an die harte und damals von der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft geteilten Haltung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der den Austausch von RAF-Gefangenen gegen Geiseln strikt abgelehnt hatte. Muss also künftig Putin nur genug westliche Staatsbürger inhaftieren, um in Washington und Berlin jedwede Art von Zugeständnissen erpressen zu können? Die Frage muss man zumindest stellen dürfen. Allerdings sollte im konkreten Fall mitbedacht werden, dass der Westen durch handfeste falsche politische Entscheidungen, nicht durch humanitäre Gesten, viel zu lange ökonomisch erpressbar, mindestens aber stark abhängig gewesen war. Wer dennoch findet, dass dieser Austausch letztlich verantwortbar ist, tut das nicht aus einer falschen Hoffnung heraus, die besagt, der Deal zeige, dass Putin eben doch verhandlungsbereit und -fähig sei und sich somit auch im Ukraine-Konflikt neue Türen öffnen könnten. Das zeigt die Vereinbarung leider überhaupt nicht", argumentiert die FREIE PRESSE.
Themenwechsel. Der Berliner TAGESSPIEGEL bemerkt zur Geschlechterdebatte unter anderem um die algerische Boxerin Imane Khelif bei den Olympischen Spielen: "Dabei kursieren nicht nur allerhand Falschinformationen. Überdies ist es wieder einmal eine Sportlerin, die ihr Frausein beweisen muss, nachdem sie eine starke Leistung erbracht hat. Nach dem Motto: Sie performt überragend, also kann sie doch gar keine Frau sein. Imane Khelif wurde bei der WM im vergangenen Jahr ausgeschlossen, weil sie dem Welt-Boxverband zufolge den DNA-Test nicht bestanden haben soll. Statt der XX-Geschlechterchromosomen sollen bei ihr XY-Geschlechterchromosomen nachgewiesen worden sein. Das betrifft einer Studie zufolge 6,4 von 100.000 Frauen. Sollte das stimmen, wäre Khelif womöglich intergeschlechtlich. Bewiesen ist das aber nicht. Fest steht: Sie wurde als Mädchen geboren, ist laut Pass eine Frau und identifiziert sich selbst als Frau. Bei Olympia spielen Chromosomen beim Boxen keine Rolle: Dass Khelif in Paris in den Ring steigt, ist in jedem Fall rechtmäßig", vermerkt der TAGESSPIEGEL.
"Es geht weder um Trans-Hass noch um Trans-Solidarität", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Es geht allein um sportliche Fairness. Imane Kehlif ist kein Mann und war es nie. Sie ist eine Frau, die biologisch neben weiblichen auch männliche Geschlechtsmerkmale hat. Dieser Umstand gewährt ihr körperliche Vorteile, die den Wettbewerb verzerren und womöglich die Gesundheit anderer Athletinnen gefährden. Es sind damit nicht emotionale, sondern ganz nüchterne Gründe, aus denen ein Boxverband sie 2023 schon einmal disqualifiziert hat. Hoffentlich schließt sich das Internationale Olympischen Komitee diesem Vorbild nun an. Das wäre im Sinne des Sports", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Vor dem Hintergrund der Diskussion um das Geschlecht, die auch die Boxerin Lin Yu-Ting aus Taiwan betrifft, verlangen die KIELER NACHRICHTEN: "Es muss Klarheit her. Gleiche Regeln in Sachen Sex-Tests bei allen internationalen Veranstaltungen bis hin zu Olympia. Ansonsten wird sich die ohnehin umstrittene Sportart Boxen immer Vorwürfen ausgesetzt sehen. Das finden viele Konkurrentinnen verständlicherweise unfair. Mindestens genauso unfair ist aber die unhaltbare Situation für Imane Khelif und Lin Yu-Ting. Sie werden aus aller Welt beschimpft – darunter von Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Und viele von denen, die sich gerade aufregen, haben wenig bis keine Ahnung von dem ganzen Thema." Sie hörten die Meinung der KIELER NACHRICHTEN.
Abschließend geht es um den US-Chiphersteller Intel. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG verweist auf die jüngsten Geschäftsergebnisse: "Der einstige Branchenprimus der Halbleiterindustrie rutscht tiefer in die Krise, verpasst sich ein massives Sparprogramm und streicht Tausende Stellen. Lässt das nun auch die mit viel politischem Pomp verkündeten milliardenschweren Investitionen in Europa auf der Kippe stehen? Noch nicht! Denn nach allem, was seitens des Vorstandes derzeit zu hören ist, wird der von der öffentlichen Hand massiv subventionierte Bau der neuen Fabriken in Deutschland, Polen und Irland weiter vorangetrieben. Allerdings hat Intel seine ursprünglich für Frankreich und Italien vorgesehenen Projekte schon vor Wochen auf Eis gelegt. Damit werden zwei Knotenpunkte im geplanten europäischen Netzwerk des amerikanischen Chipherstellers bis auf Weiteres erst einmal nicht geknüpft; und das ist keine Lappalie", unterstreicht die F.A.Z.
Die BÖRSEN-ZEITUNG gibt zu bedenken: "Innovative und daher wachstums- und ertragsstarke Unternehmen sind auf öffentliche Fördermittel nicht angewiesen und bei der Inanspruchnahme mitunter zurückhaltend, da sie auch Auflagen und Einmischung von staatlicher Seite gegen den Wert des geschenkten Geldes abwägen. Intel wurden vom Bund für die geplante Fabrik in Magdeburg 10 Mrd. Euro zusagt, ein Drittel der Investitionssumme. Angesichts der desolaten Verfassung des Konzerns sollten in Berlin die Alarmglocken schrillen", mahnt die BÖRSEN-ZEITUNG zum Ende der Presseschau.