05. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen der Kommentare sind der erneute Streit der Ampel über den Bundeshaushalt für 2025, die Lage in Nahost und die Krawalle in Großbritannien. Dazu notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

Menschen protestieren im Stadtzentrum von Sunderland.
Unruhen nach Bluttat in Southport (PA Wire / dpa / Scott Heppell)
"Brennende Autos, geplünderte Geschäfte, verletzte Polizisten: Im britischen Sunderland sieht es aus wie im Krieg. Es soll auch so aussehen. Rechtsradikale inszenieren auf Englands Straßen einen Bürgerkrieg, den es nicht gibt. Auslöser der Krawalle war der tödliche Messerangriff auf eine Tanzgruppe, bei der in der Stadt Southport drei Mädchen starben und viele weitere verletzt wurden. Mutmaßlicher Täter ist ein 17-Jähriger aus Cardiff. Rechtsradikale, die die Stimmung für antimuslimische Straßenschlachten benutzen, entlarven sich allerdings selbst. Was sie wollen, ist schließlich genau die Spaltung, um die es auch islamistischen Radikalen geht. Tatsächlich verläuft die Konfliktlinie aber nicht zwischen Moslems und Christen, sondern zwischen Moderaten und Extremisten", ist die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG überzeugt.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm ist der Meinung: "Keine Regierung kann es sich erlauben, gegenüber der Gewalt der Straße schwach auszusehen, und eine Labour-Regierung schon gar nicht. Innenministerin Yvette Cooper plant, ein Instrument anzuwenden, das schon vor 13 Jahren Erfolge zeigte: Schnellgerichte. Auslöser für Krawalle im Jahr 2011 war die Erschießung eines schwarzen Drogenhändlers durch die Polizei. Was folgte, war ein Aufstand der Straße. Randalierer lieferten sich Schlachten mit der Polizei, raubten Geschäfte aus und zündeten Gebäude an. Der jetzige Premier Keir Starmer war damals der britische Oberstaatsanwalt. Er setzte durch, dass die Gerichte Überstunden machten und angeklagte Krawallbrüder in Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilten. Jetzt werden die Pläne wieder aus der Schublade gezogen", hält die SÜDWEST PRESSE aus Ulm fest.
Die TAZ führt aus: "Den rechten Gewalttätern winken Schnellverfahren vor Sondergerichten – aber eine Beschleunigung von Asylverfahren, damit Flüchtlinge nicht jahrelang auf Staatskosten untergebracht sind, fehlt. Harte Strafen gegen Randalierer sind angekündigt – aber im Herbst will die Regierung Tausende Straftäter vorzeitig entlassen, weil die Gefängnisse voll sind. Die erste sozialpolitische Maßnahme der Labour-Regierung war übrigens die Abschaffung der allgemeinen Heizkostenbeihilfe für Rentnerinnen und Rentner, einer der wenigen bedingungslosen Zuschüsse für die Generation der Opfer der Deindustrialisierung – ein völlig überflüssiges Eigentor. Starmers Umfragewerte sind bereits im Sinkflug", vermerkt die TAZ aus Berlin.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht Paralellen zu Deutschland: "Ein Irrtum der Bekämpfung von Extremisten besteht darin, ein Problem, mit dem sich zündeln lässt, für deren reine Erfindung zu halten. Eines dieser Phänomene ist die Kriminalität von Migranten. Wie schwierig sich in dieser Hinsicht eine Einwanderungsgesellschaft tut, zeigt der Vorschlag von FDP-Generalsekretär Djir-Sarai. Bei Straftaten grundsätzlich die Nationalität des mutmaßlichen Täters zu nennen wäre löblich, weil vorbeugend. Denn der Vorwurf, es solle etwas unter den Teppich gekehrt werden, wäre entkräftet. Politische Großmäuler nach Art von Nigel Farage wird es aber nicht davon abhalten, trotzdem eine 'Lüge' zu entdecken", konstatiert die FAZ.
Und das STRAUBINGER TAGBLATT ergänzt: "Auch die demokratischen Parteien in Deutschland sollten sich sehr genau ansehen, was in Großbritannien geschieht. Hierzulande hat sich ebenfalls eine gefährliche Stimmung ausgebreitet, die viel mit illegaler Migration und dem Gefühl zu tun hat, die Politik habe die Lage nicht im Griff. Zwar haben der Kanzler und die Ampel die Gefahren erkannt, doch sie werden bei den Themen Abschiebungen und Begrenzung liefern müssen. Ein Mittel gegen Falschmeldungen ist Transparenz. Ein Beitrag dazu kann die Nennung der Nationalität von Straftätern sein, die die FDP fordert. Die Aussagekraft ist – Beispiel Doppelstaatler – jedoch begrenzt, und viele dürften sich in ihren Sorgen bestätigt sehen", erwartet das STRAUBINGER TAGBLATT.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN finden die Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigen keine gute Idee: "Natürlich zielt der Verstoß nicht darauf ab, die Staatsbürgerschaft des schwedischen Ladendiebs oder des japanischen Scheckbetrügers zu enthüllen. Es geht darum, dem falschen Gefühl entgegenzuwirken, dass Taten von migrantischen Gruppen vor allem aus islamischen Staaten verschwiegen würden. Nichts wird verschwiegen. Die Statistiken des BKA geben Auskunft. Nur muss eben immer mit bedacht werden, dass die Nennung der Zugehörigkeit zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten rasch zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führen kann. Und tatsächlich geht es ja den Rechtspopulisten genau darum", geben die STUTTGARTER NACHRICHTEN zu Bedenken.
In der Frage um die Nennung der Nationalität von Tatverdächtigen ist sich die Ampelregierung nicht einig. Ebensowenig ist sie es beim Etat für 2025. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG bemerkt: "Sollte es in dieser Koalition je Gemeinsamkeiten gegeben haben, sind sie inzwischen aufgebraucht. Der wieder aufgeflammte Haushaltsstreit ist ein beredtes Beispiel dafür. Bis zur endgültigen Verabschiedung des Etats sind noch mehr als drei Monate Zeit. Doch für die Haushalte danach gibt es keine Reserven, Buchungstricks oder umfangreichen Sparmöglichkeiten mehr, um sich wie die Ampel weiter durchzuwursteln. Dann lautet die Gretchenfrage: 'Wie hast Du´s mit der Schuldenbremse?' Wer hier keine gemeinsame Haltung findet, wird nicht miteinander regieren können", ist die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG überzeugt.
Und der TAGESSPIEGEL aus Berlin notiert: "Die Koalitionäre konnten überhaupt nur einen Entwurf für den Haushalt 2025 vorlegen, weil sie öffentlich dreist eine Einigung behaupteten. In Tat und Wahrheit war und ist der Etat voller Löcher, Milliarden-großer Löcher. Ungenutzte Milliarden aus der Gaspreisbremse für den Haushalt 2025 zu nehmen – das ähnelt doch sehr, zu sehr, dem Haushaltstrick mit den Corona-Hilfen. Den hat das Bundesverfassungsgericht kassiert. Nicht noch einmal! Und da soll man sich nicht aufregen, nicht in der Koalition, nicht im Land, meint der Kanzler. Falsch. Wer schweigt, verletzt den Amtseid. Gut, der ist nicht einklagbar. Aber das Ergebnis dieser Koalition wird zur Währung bei den kommenden Wahlen", prognostiziert der TAGESSPIEGEL.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg ist besorgt über die Entwicklung im Nahen Osten: "Als Kanzlerin Angela Merkel 2008 die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärte, waren Kritiker wie ihr Vor-Vor-Vorgänger Helmut Schmidt entsetzt: Die de-facto-Sicherheitsgarantie sei eine 'gefühlsmäßig verständliche, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenzen haben könnte'. Wie letztere aussehen, hat nun CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter mit der Forderung nach militärischem Beistand aus Deutschland für Israel skizziert. Aber: Es ist ein höchst gefährlicher Kurs, der noch mehr Öl ins Nahost-Feuer gießen könnte", befürchtet die VOLKSSTIMME.
Und der KÖLNER STADT-ANZEIGER findet: "Der Westen muss seinen Druck auf Netanjahu erhöhen. US-Präsident Joe Biden hat mit seiner Kritik an der Ausschaltung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija begonnen. Und anstatt nun, wie der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, deutschen militärischen Beistand für Israel zu fordern, sollte sich die Politik hierzulande darauf besinnen, was deutsche Staatsräson – die Existenz Israels zu sichern - auch bedeutet. Jedenfalls nicht, zu falschen Entscheidungen Netanjahus zu schweigen. Einem Freund muss man sehr hart die Meinung sagen können. Die Welt darf sich einen Flächenbrand in Nahost nicht leisten."