07. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die Debatte um eine Unterstützung Israels durch die Bundeswehr im Falle eines iranischen Angriffs sowie das Monopol-Urteil gegen Google. Zunächst aber Kommentare zur Nominierung des US-Demokraten Walz als Vizepräsidentschaftskandidat von Bewerberin Harris.

Tim Walz im Seitenprofil, er lächelt.
Tim Walz wird US-Vizepräsidentschaftskandiat der Demokraten (Getty Images via AFP / STEPHEN MATUREN)
"Es hätte womöglich einen noch besseren Kandidaten gegeben", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Josh Shapiro. Dessen Heimat Pennsylvania ist der größte Swing State bei der Wahl. Der Weg ins Weiße Haus führt für Harris mit großer Wahrscheinlichkeit nur über diesen Bundesstaat. Shapiro ist nicht nur der Gouverneur von Pennsylvania, sondern dort auch über die Parteigrenzen hinweg beliebt. Die Möglichkeit, ihn bei dieser Wahl als Running Mate ins Boot zu holen, war ein Geschenk, das man eigentlich nicht ablehnen kann. Harris hat es trotzdem getan. Für Shapiro sprach die Mathematik, für Walz das Momentum. Er wuchs in einer Kleinstadt in Nebraska auf, hat 20 Jahre lang als Lehrer gearbeitet und ein High-School-Football-Team trainiert, bevor er seine politische Karriere startete. Er ist der Typ 'Midwestern Dad' und spricht die Sprache der ländlichen Bevölkerung. Das war zuletzt eine klare Schwäche der Demokraten mit ihrer Tendenz zur Großstädter-Attitüde", vermerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG merkt an: "Harris hat sich jemanden ausgesucht, der sie ergänzt. Keinen smarten Karrierepolitiker, sondern einen bodenständigen Mann aus einem Swing State, mit dem sich viele Menschen identifizieren können. Ein kluger Schachzug. Und: Walz hat Trump und Vance mit dem Etikett 'weird' versehen. So einfach wie genial."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER ergänzt: "Walz' entscheidender Pluspunkt liegt im Menschlichen. Der pragmatische, freundliche, oft auffallend gut gelaunte Gouverneur könnte einen Beitrag dazu leisten, im heillos gespaltenen Amerika Menschen guten Willens wieder ein Stück weit zusammenzuführen. Er könnte sich vom Stil her als sympathisches Gegenbild zu J.D. Vance erweisen, dem immer etwas verspannten rechten Ideologen, der von Donald Trump als Vize nominiert wurde. Doch Walz steht auch für Inhalte. Sozialer Zusammenhalt plus Bildung plus Gerechtigkeit: Walz hat es in seinem Staat hinbekommen, klassischen Wertvorstellungen der US-Demokraten eine neue Relevanz und Aktualität zu geben. Harris scheint sich dies für ganz Amerika vorgenommen zu haben", vermutet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die STUTTGARTER ZEITUNG bemerkt: "Ein fähiger Stellvertreter kann Harris noch mehr Wind unter den Flügeln verleihen. Er kann bisher unerreichte Wählergruppen ansprechen und im Wahlkampf auch Dinge sagen, wie es die Spitzenkandidatin selbst nicht kann. Tim Walz, der bisher landesweit eher unbekannte Gouverneur von Minnesota im Mittleren Westen, kann Harris in all diesen Punkten verstärken: Der Macher-Gouverneur steht zwar nicht an der Spitze eines Wechselwählerstaates. Doch mit seinem volksnahen Auftreten und seiner klaren Sprache kann er sich glaubwürdig vor allem an einen Teil der Trump-Wählerschaft wenden: weiße Wähler aus der Arbeiterschicht in den wahlentscheidenden Staaten wie Michigan, Pennsylvania, Wisconsin und darüber hinaus", analysiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST gibt zu bedenken: "Die entscheidende Frage freilich haben die beiden Demokraten noch gar nicht im Detail beantwortet. Nämlich die, wofür sie eigentlich stehen jenseits der Kontinuität in der Linie der Biden-Regierung und der Gegnerschaft zu Donald Trump. Da gibt es viel zu erklären und viel zu begründen. Und da kann man auch noch sehr viel falsch machen."
Und im Berliner TAGESSPIEGEL ist zu lesen: "Nach aller Erfahrung entscheidet ein Vizekandidat nicht das Rennen um das Weiße Haus. Aber es würde schon helfen, wenn Walz einen Teil der potenziellen Trump-Wähler im Rostgürtel für die Demokraten gewinnt. In den 16 Tagen seit Bidens Rückzug haben sich Dynamiken entwickelt, die man in den Wochen zuvor als übertriebenen Optimismus abgetan hätte. Die nächsten 16 Tage sind nicht minder entscheidend. Erst die gemeinsame Tour durch die 'Swing States', dann der Parteitag in Chicago. Aber da ist noch Donald Trump mit seinem enormen Gespür für Stimmungen und die Schwächen seiner Gegner. Er wird nicht tatenlos zusehen", betont der TAGESSPIEGEL.
Thema auf den Meinungsseiten ist auch die Debatte um eine mögliche militärische Unterstützung Israels durch die Bundeswehr im Falle eines iranischen Großangriffs. Das STRAUBINGER TAGBLATT kommentiert: "Ohne Ursache und Wirkung aus dem Blick zu verlieren und abgesehen davon, dass Jerusalem keine Hilfe angefordert hat: Solange auch Israels Regierung den Konflikt eskaliert, sollte sich Deutschland hüten, Soldaten in den Kampf zu schicken."
Aus Sicht der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG hat Israel "den Bogen überspannt". Die Zeitung zählt auf: "Das Vorgehen im Gazastreifen gegen die Zivilbevölkerung, der fortgesetzte Siedlungsbau im Westjordanland, die Weigerung Netanjahus eine Zwei-Staaten-Lösung anzustreben. Mit der deutschen Staatsräson für die Sicherheit Israels kann nicht jedes Mittel gerechtfertigt werden, das Israel einsetzt, um seine berechtigten Interessen nach Sicherheit vor Hamas und Hisbollah durchzusetzen. Netanjahu liegt auch falsch, wenn er glaubt, die Hamas auslöschen zu können. Bei seiner Art von Vorgehen wachsen drei Köpfe nach, wo er einen abschlägt. Es ist an der Zeit, dass Israels Verbündete ihre Grenzen deutlich machen", findet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die TAZ findet hingegen: "Deutschland hat – schon allein aus historischer Verantwortung - eine Staatsräson: Israels Sicherheit. Angela Merkels Versprechen war richtig, und es bleibt richtig – speziell jetzt. Noch ist unklar, wie Irans Vergeltung aussehen wird. Klar ist, dass Israel, wie schon bei dem direkten Angriff Irans im April, auf Hilfe seiner Alliierten angewiesen sein wird. Klar ist auch: Wenn es hart auf hart kommt, muss Deutschland, ganz ohne jeden Zweifel, Israel zur Seite stehen – auch militärisch. Das hat nichts damit zu tun, ob man Netanjahus Politik unterstützt oder hasst. Denn die Aggression des iranischen Regimes richtet sich gegen die Existenz Israels an sich", argumentiert die TAZ.
Die RHEINISCHE POST sieht das ähnlich: "Die Solidarität der Freunde ist gefragt wie nie. Selbst wenn man die Siedlungspolitik der rechten Regierung in Jerusalem zu Recht attackiert und die massive Vergeltung für die Attacke der Hamas übertrieben findet, gibt es keine Alternative zur Verteidigung Israels bei einem iranischen Großangriff. Denn die negativen Folgen einer Zurückhaltung Deutschlands sind deutlich höher als das Risiko, dass dies zusätzlich zu einer Eskalation beiträgt. Deutschland muss sich klar für Israel entscheiden", fordert die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Zum Schluss ein Blick in die USA, wo ein Bundesgericht den Internetkonzern Google wegen Wettbewerbsverstößen schuldig gesprochen hat. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG spricht von einem "Beben". "Es muss alle großen Technologiekonzerne aufschrecken. Lange schien es, nur die europäischen Wettbewerbsbehörden gingen mit Härte gegen amerikanische Techgiganten vor. Die Google-Entscheidung ist nun aber ein Signal, dass es für die Unternehmen auch in ihrer Heimat ungemütlicher wird. Ein Richter befand, Google habe das Monopol seiner Suchmaschine auf illegale Weise erhalten. Welche Sanktionen er verhängt, ist noch offen, und Google wird mit Macht gegen das Urteil kämpfen. In jedem Fall ist die Entscheidung als Warnung zu verstehen, die über Google hinausgeht, denn auch gegen Meta, Amazon und Apple hat die US-Regierung Kartellklagen eingereicht. Der aggressivere Kurs im Umgang mit 'Big Tech' begann schon unter dem früheren Präsidenten Donald Trump. Sein Nachfolger Joe Biden hat ihn fortgesetzt. Diese parteiübergreifende Strenge lässt vermuten, dass sich die Konzerne an harte Gefechte mit US-Kartellbehörden gewöhnen müssen - egal wer die Wahl im November gewinnt."