23. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen kommentieren mögliche Koalitionen nach den Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern und auch nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr. Außerdem geht es um die von Kanzler Scholz angekündigte Rettung der Meyer Werft durch den Bund und das Land Niedersachsen.

Bundeskanzler Scholz spricht auf der Betriebsversammlung der Meyer Werft in Papenburg.
Bundeskanzler Scholz spricht auf der Betriebsversammlung der Meyer Werft in Papenburg. (IMAGO / diebildwerft / IMAGO / diebildwerft)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint: "Staatliche Hilfen für private Firmen können durchaus sinnvoll sein. Aber nur dann, wenn damit Zukunftsweisendes geschaffen und nicht bloß Altes erhalten wird, wenn moderne Technologie vorangebracht und nicht Überkommenes konserviert wird. Ob dieser Mut zur Veränderung bei der Meyer-Werft vorhanden ist, muss sich noch erweisen."
"Wirtschaftlich ist die Meyer Werft einzigartig" bemerkt ND.DER TAG: "Beim Bau von Kreuzfahrtschiffen ist man Weltmarktführer. Es gibt nur zwei Konkurrenten in Europa. Japan und China sind mit dem Versuch gescheitert, solche Eiffeltürme der maritimen Ingenieurskunst zu produzieren. Neben der Stammbelegschaft arbeiten Abertausende Menschen von Fremdfirmen und Leiharbeiter auf der Werft, zusammen etwa 10.000, viele weitere bei Zulieferern. Wenn Bund und Länder die Ansiedlung von Chip- und Batteriefabriken 'ausländischer' Konzerne mit zweistelligen Milliardenbeträgen sponsern, sollten sie dies mit einer vergleichsweise bescheidenen Summe auch für ein alteingesessenes Familienunternehmen tun", lautet die Auffassung in ND.DER TAG.
"Um frisches Geld darf es allerdings nicht nur gehen" wirft die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ein: "Der Staat sollte seinen Einfluss nutzen – und etwa die Entwicklung CO2-schonender Antriebstechnologien vorantreiben. Dennoch mögen Ökonomen die Summen für unverhältnismäßig halten. Und natürlich hat es einen faden Beigeschmack, dass öffentliche Gelder ausgerechnet für einen Konzern verwendet werden, der höchst umweltschädliche Produkte herstellt. Aber was wäre die Alternative? In anderen Bereichen, nehmen wir die E-Mobilität oder Solarenergie, haben deutsche Unternehmen den Anschluss an die internationale Konkurrenz verloren. Durch die Meyer Werft hat die Bundesrepublik immerhin im Nischen-Segment der Kreuzfahrtschiffe noch die Nase vorn. Zumal der Konzern mit dem Bau von Konverterplattformen und Marineschiffen zur Energiewende und nationalen Sicherheit beiträgt." Das war die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist skeptisch: "Der Staat wird zum unfreiwilligen Besitzer einer Firma, die zuletzt schlecht gemanagt wurde, an deren Zukunftsaussichten Zweifel bestehen, die aber für die Region unverzichtbar ist. Das ist keine gute Kombination. Wichtig ist, dass nun nicht nur an der Sanierung der Werft gearbeitet wird, sondern auch am Ausstieg des Staates."
"Warum bedurfte es dieses Auftritts?", lautet die Frage im Kommentar der F.A.Z mit Blick auf die Rede des Kanzlers bei der Betriebsversammlung: "Die Verhandlungen zwischen Eigentümern, Banken und Staat über die Rettung des angeschlagenen Werftenkonzerns sind noch nicht abgeschlossen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei diesem Termin nicht so sehr um die Belegschaft ging, zu der Scholz sprach. Es ging in erster Linie um ihn und seine Partei. Gut eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist die Meyer Werft zur Wahlkampfbühne geworden. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Arbeiterpartei im Land?". Sie hörten die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Nächstes Thema: Der Umgang mit dem BSW hinsichtlich der anstehenden Landtagswahlen im Osten. "CDU-Chef Merz ist für seine Verhältnisse derzeit fast schon schweigsam", beobachtet das HANDELSBLATT: "Vor den Wahlen gibt es kaum pointierte Wortmeldungen zum BSW von ihm. Er steht ohnehin im Verdacht, mit den Grünen koalieren zu wollen – ein positives Wort zum BSW würde ihm als weiterer Mitte-links-Kurs ausgelegt. Jetzt heißt es abwarten für Merz. Funktionieren Koalitionen mit dem BSW in den Ländern, kann das von Bedeutung für die Bundesebene sein. Scheitert das Experiment im Reallabor, kann er sagen, er sei schon immer dagegen gewesen", lesen wir im HANDELSBLATT.
"Vielleicht sollten die Parteien erst einmal abwarten, ob die Wähler so abstimmen werden, wie das die Demoskopen behaupten", empfiehlt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG: "Es wäre nicht das erste Mal, dass die Zahlenjongleure daneben liegen. Es kommt bei diesen Rechenspielen ohnehin vor allem darauf an, wie die 'kleinen Parteien', also SPD, Grüne, FDP, Linke, abschneiden. Mit dem Wagenknecht-Bündnis verhält es sich wiederum so: Wird es gebraucht, um den Faschisten Höcke als Ministerpräsidenten zu verhindern, dann wird es eben gebraucht. Darüber hinaus hat die CDU derzeit die besten Chancen, ein demokratisches Bündnis anzuführen. Deshalb auch der grün-schwarze Flirt", vermutet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG, die in Heidelberg erscheint.
Der SÜDKURIER bemängelt, das BSW halte keine Lösungen für die Probleme der Menschen in Ostdeutschland bereit: "Völlig zu Recht weisen CDU und SPD darauf hin, dass Sahra Wagenknecht aus dem Westen heraus ihren Wahlkämpfern im Osten diktieren will, unter welchen Umständen sie landespolitische Bündnisse eingehen dürfen. Dass der wichtigste Kritikpunkt dabei ihre ausgesprochen russlandfreundliche Haltung ist, offenbart ganz nebenbei, wie wenig sich die BSW-Parteichefin um die tatsächlichen Belange vor Ort schert. Statt sich mit Nahverkehr, Abwanderung oder regionaler Wirtschaftspolitik auseinanderzusetzen, gibt sich Wagenknecht als vermeintliche Friedensbringerin und redet Kremlchef Putin nach dem Mund. Für jene Menschen dort, die ihr jetzt ihre Stimme geben, wird Wagenknecht bloß eines sein: die nächste Enttäuschung", prophezeit der SÜDKURIER, der in Konstanz erscheint.
Und den gemeinsamen Nenner von AfD und BSW meint DIE TAGESZEITUNG ausgemacht zu haben: "Sie eint, dass sie sich als populistische Stimme gegen den Zentralstaat in Berlin und dessen Politik wenden: gegen die Coronapolitik und die Ukraine-Unterstützung, gegen ungeregelte Migration, gegen als gängelnd wahrgenommene Heizungsgesetze, gegen 'Genderwahn'. Hier wird eine Entfremdung vom Gesamtstaat deutlich, die mit den Jahren offenbar stärker und nicht kleiner geworden ist", lautet die Analyse in der TAZ.
CSU-Chef Söder schließt eine schwarz-grüne Regierung nach der Bundestagswahl 2025 weiter aus. Die NÜRNBERGER ZEITUNG wirft ein: "Er würde sein Verdikt aber wohl vom Tisch wischen, wenn es erforderlich sein müsste, um eine unionsgeführte Regierung bilden zu können. Schwarz-Grün wäre ein Novum im Bund. Eines mit Sprengpotenzial. Außer, die Grünen hätten aus ihren Fehlern in der Ampel gelernt."
Die Zeitungen der OM-MEDIENGRUPPE schreiben mit Blick auf die Grünen: "Co-Fraktionschefin Dröge denkt öffentlich über neue Koalitionen nach der Bundestagswahl nach. Dabei schließt sie indirekt den Fortbestand der Ampel-Koalition aus, indem sie vier Forderungen – ein respektvolles, vertrauensvolles, verbindliches und kollegiales Miteinander – für ein neues Kabinett stellt. Vielmehr Kampfansage geht nicht. Eine Sache bleibt beim Alten: Die Mitglieder der Ampel beklagen nun wieder reihum Streit – und gießen anschließend selbst Öl ins Feuer", bemerken die Zeitungen der OM-MEDIENGRUPPE aus Cloppenburg.
Auf dem Parteitag der US-Demokraten hat der Gouverneur von Minnesota, Walz, seine Nominierung als Vize-Präsidentschafts-Kandidat offiziell angenommen. Hören Sie dazu zum Abschluss dieser Presseschau einen Kommentar der RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz: "Der Kontrast zu dem Absolventen der Elite-Universität Yale, J.D. Vance, könnte nicht größer sein. Der Demokrat aus dem ländlichen Amerika ist das, was Trumps 'Running Mate' vorgibt, wenn der Risikokapitalist mit dem Lidschatten sein Holzfällerhemd überstreift. Tim Walz ist ein Mann des Volkes. Kamala Harris hat mit ihm einen Mitstreiter gefunden, der die Politik wieder erden kann. Und sich als echtes Pfund im Wahlkampf erweisen könnte. Wie Coach Walz einst seine Footballer an der Highschool aus dem Tal herausführte, gelang es ihm in Chicago, mit einem überzeugenden Auftritt Team Amerika aufzumuntern."