26. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Das Messer-Attentat in Solingen, bei dem drei Menschen ermordet wurden, dominiert die Kommentare in den Tageszeitungen. Außerdem bewerten die Redaktionen die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten.

Einsatzkräfte stehen nach dem Messerangriff von Solingen in der Innenstadt hinter einer Polizeiabsperrung.
Nach dem Messerangriff von Solingen laufen die Ermittlungen. (IMAGO / Zhang Fan)
Die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden blickt nach Solingen und schildert ihre Eindrücke: "Kaum war die Nachricht in der Welt, überschlugen sich von allen Seiten die üblichen Reaktionen, die nach solchen Terroranschlägen immer kommen: Schuldzuweisungen, Beteuerungen, Abwiegeln, Forderungen aller Art. Die einen haben es immer schon gewusst und schämen sich nicht, Stunden nach dem Tod der Opfer mit Triumph-Rhetorik Wahlkampf zu machen. Den anderen fällt als erste Reaktion nichts Besseres ein als die Warnung davor, dass Rechtsextremisten von dieser Terror-Tat bei den Landtagswahlen profitieren könnten. Ist das in solchen Stunden wirklich der erste Grund zum Wehklagen? Es ist jedes Mal dasselbe: Einem kurzen Moment des Schocks und der Trauer folgen sofort hilflose, hektische und sich überbietende Debatten", kritisiert die SÄCHSISCHE ZEITUNG.
Teil dieser Debatte ist die Asylpolitik, die die HEILBRONNER STIMME aufgreift. Sie fordert - so wörtlich - eine "Abschiebe-Offensive": "Bundeskanzler Scholz hat sie vor Monaten angekündigt. Passiert ist fast nichts. Außer, dass sich Bund und Länder gegenseitig dafür die Schuld geben. Von diesen Debatten haben die Menschen die Nase voll. Die Gesetze müssen endlich drastisch geändert werden. Dass die meisten Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, problemlos untertauchen können, ist unerträglich", kommentiert die HEILBRONNER STIMME.
Ähnlich positioniert sich der WESER-KURIER aus Bremen: "Warum in diesem Fall der 26-jährige Syrer nach seinem zwischenzeitlichen Untertauchen nicht sofort nach Bulgarien abgeschoben, sondern nach Solingen geschickt wurde – auf diese Frage werden die zuständigen Behörden Antwort geben müssen. Das ist auch im Interesse aller unbescholtenen muslimischen Migranten in Deutschland, die von rechten Hetzern unter Generalverdacht gestellt werden", hebt der WESER-KURIER hervor.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG befasst sich mit der Politik von Bundesinnenministerin Faeser. Die SPD-Politikerin solle - Zitat: "... den Kampf gegen fundamentalistische Strömungen wieder intensivieren, gemeinsam mit islamischen Verbänden: angefangen bei Präventionsprogrammen bis hin zur Kontrolle von Social-Media-Kanälen, damit dort nicht weiter Hassbotschaften gepostet werden können. Doch was tat Faeser? Es ist bezeichnend, dass sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit den Expertenkreis 'Politischer Islamismus' im Innenministerium aufgelöst hat. Wer vor Islamismus warnte, lief stattdessen Gefahr, als islamophob diskreditiert zu werden. Im Kampf gegen die Bedrohung hat die Ampel zu viele Fehler begangen", resümiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Auch CDU-Chef Merz hat sich in die Debatte über Konsequenzen aus dem tödlichen Anschlag in Solingen eingeschaltet. Seine Forderungen analysiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Es ist billig, wenn Merz jetzt einen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan fordert. Das politische Kalkül dahinter ist leicht durchschaubar. Doch mit der Realität eines Landes, das aus guten Gründen völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen ist, hat das nichts zu tun. Die Zuspitzung der Lage in Afghanistan, wo Frauen fast keine Rechte mehr haben, sollte verantwortungsvollen Politikerinnen und Politikern nicht entgangen sein. Merz flüchtet sich in Populismus. Damit schürt er Vorurteile gegen Menschen aus diesen Ländern", heißt es in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Ehrlicher und eine seltene Ausnahme im politischen Geraune ist NRW-Innenminister Herbert Reul von der CDU", meint die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz: "Statt über zwar sinnvolle, aber schwer kontrollierbare Messerverbotszonen zu diskutieren, gehen seine Sicherheitsbehörden der Frage nach, ob es ein bestimmtes Muster bei Messerattentätern gibt, damit diese Taten gar nicht erst geschehen. Dies und die schnelle Festnahme eines Tatverdächtigen sind für Reul kleine Schritte, um den Menschen wieder mehr Sicherheit zu geben. Dazu gehört aber auch eine andere Abschiebe- und Asylpolitik. Wir müssen endlich mehr darüber wissen, wer in unser Land kommt und hier lebt. Wenn wir nicht bereit sind, unbequeme und kluge Antworten zu geben, überlassen wir es den Populisten von Rechts- und Linksaußen, das Vakuum mit Lösungen zu füllen, die uns weder sicherer noch freier machen werden", warnt die RHEIN-ZEITUNG.
"Zu einer funktionierenden Migrationspolitik gehören Abschiebungen dazu", argumentiert auch die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Wer kein Bleiberecht in Deutschland hat, sollte zurückgewiesen werden. Aktuell sind Abschiebungen aber selten erfolgreich, weil es große Hürden gibt. Und mit Blick auf die Sicherheit in Deutschland braucht es eine Debatte über die eskalierende Messergewalt und den Schutz von Großveranstaltungen. Ein wichtiges Mittel sind Messerverbote", rät die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG wird in ihrem Meinungsbeitrag grundsätzlich - und nimmt Politik, Interessensverbände und Medien gleichermaßen in die Verantwortung: "Solange Flüchtlingspolitik nicht rechtsstaatlich, sondern gesinnungsethisch betrieben wird, so lange wird es ein Asylrecht geben, das eben nicht das Gesetz hochhält, sondern die Selbstgerechtigkeit. Flüchtlingsorganisationen und Medien, die keinen Unterschied mehr machen zwischen Flüchtlingen und Migranten, werden das jeweils gut begründen können. Ratlos stehen sie aber da, wenn ihre Sicht der Dinge den Vertrauensverlust so sehr befördert, dass eine ungeahnte Radikalisierung um sich greift. Der Gipfel der Abgehobenheit ist es dann, wenn nicht etwa die jahrzehntelang praktizierte Politik für gescheitert erklärt wird, sondern die Unmündigkeit 'abgehängter' Bürger gegeißelt wird", lautet das Fazit der F.A.Z.
Das zweite beherrschende Thema in den Zeitungen ist die jüngste Entwicklung im Nahen Osten. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg kommt zu folgender Einschätzung nach dem gegenseitigen Beschuss von Israels Armee und der libanesischen Hisbollah-Miliz: "Erneut ist es nur Israels Raketenabwehr zu verdanken, dass es keine Opfer gab. Zwar hat die Hisbollah erklärt, dass der aktuelle Angriff nun beendet sei, dennoch bleibt die zusätzliche Front im Norden ein Pulverfass. Das zeigte sich auch darin, dass Israel am Wochenende seinerseits Ziele im Libanon attackierte – als vorbeugende Selbstverteidigung. Das ist kein Vorwand. Denn seit dem Oktober-Massaker der Hamas hat die Hisbollah Israel jeden einzelnen Tag angegriffen, mit etlichen Todesopfern und großer Zerstörung als Folge", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG.
Nach den Worten der TAZ haben beide Seiten mit ihren Angriffen gezeigt, wo sie stehen: "Die Hisbollah hat auf den Tod ihres Kommandaten Fuad Shukr mit einer Gegenattacke reagiert. Und sie hat wieder einmal belegt, dass sie über ein großes Arsenal an Raketen verfügt und auch befähigt ist, einen koordinierten Angriff durchzuziehen. Israel hat wiederum gezeigt, dass es solide Informationen zur Infrastruktur der Hisbollah hat und auch eine signifikante Attacke abwehren kann. Es ist gewissermaßen eine Pattsituation: Weder Israel noch die Hisbollah verfügen offenbar derzeit über einen realen militärstrategischen Vorteil", stellt die TAZ fest.
"Alles ist offen", lautet die Prognose der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Selbst wenn das unendliche Gaza-Drama in Kairo, Doha oder sonstwo ein erfreuliches Verhandlungsende finden sollte, das unentschuldbare Massensterben der palästinensischen Zivilisten aufhört und die überlebenden israelischen Geiseln endlich nach Hause kommen – der nahöstliche Albtraum setzt sich fort. Denn die Grundfragen lassen sich weder diplomatisch noch militärisch lösen, auf absehbare Zeit jedenfalls. Der Knackpunkt bleibt der seit Jahrzehnten altbekannte: Können Israelis und Palästinenser in Frieden nebeneinander leben, ob in zwei Staaten oder in einem? Derzeit spricht alles für ein Nein." Mit diesem Auszug aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG endet die Presseschau.