29. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zu einem neuen Gesetz zur Vorsorge bei Herzerkrankungen. Bestimmendes Thema bleibt aber die Debatte über die deutsche Migrationspolitik nach dem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag in Solingen.

Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, gibt eine Pressekonferenz nach dem Treffen mit Bundeskanzler Scholz.
CDU-Chef Merz bietet Bundeskanzler Scholz Zusammenarbeit an. (Kay Nietfeld/dpa)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Solange jede Tugend zur Rechtspflicht erklärt wird, so lange stiftet Politik im Namen einer Hypermoral selbst jenen Unfrieden, den sie wortreich beklagt. An diesem Punkt nicht lockerzulassen ist nicht nur die Chance der Union, sondern wäre ein Gewinn für die ganze Gesellschaft", betont die F.A.Z.
Der MÜNCHNER MERKUR bemerkt: "Das wohltemperierte Deutschland der Merkeljahre, in dem sich vieles aussitzen ließ, gibt's nicht mehr. Die sich auftürmenden Krisen unserer Zeit verlangen nach neuen Antworten – und auch einem anderen Politikstil, der Probleme adressiert und angeht. Der von Merz vorgelegte Asyl-Wendeplan folgt einer neuen politischen Führungskultur. Einer, die Dinge ändern will, statt zu erklären, warum sie sich angeblich nicht ändern lassen."
Die BERLINER MORGENPOST kommentiert: "CDU-Chef Friedrich Merz prägte die Lage nach der Messerattacke von Solingen inhaltlich und kommunikativ. Er forderte Scholz zum Schulterschluss auf und machte nicht nur eine Reihe von Vorschlägen, die juristisch nicht alle unproblematisch waren. Auch rhetorisch setzte der CDU-Chef den Ton: 'Es reicht.' Damit dürfte Merz vielen Menschen aus der Seele gesprochen haben."
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin argumentiert: "Gewinner dieses spätsommerlichen Polittheaters sind weder die Wähler, noch die Ampel, sondern in erster Linie Friedrich Merz, dessen Name wieder im Zusammenhang mit dem Begriff Kanzler gedacht wird. Bis zu wechselnden Mehrheiten im Bundestag wird die vermeintlich konstruktive Stimmung allerdings nicht reichen. Ließe sich Scholz darauf ein, könnte er gleich noch ein paar Abendessen im Kanzleramt dranhängen, bei denen er mit Merz über vorgezogene Wahlen spricht", so der TAGESSPIEGEL.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf fügt hinzu: "Mit seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz hat der CDU-Vorsitzende die politische Gunst der Stunde genutzt und sie gut ausgespielt. Für den Kanzler ist das ein Problem. Olaf Scholz geriet sofort inhaltlich unter Zugzwang. Zumal Merz dazu gelernt hat in den vergangenen Monaten. Er präsentiert sich bei seinem Auftritt ohne Schaum vor dem Mund, schafft es, sich nebenbei noch von der Migrationspolitik von Angela Merkel zu distanzieren und macht Scholz ein groß-koalitionäres Angebot. Merz hatte das Heft des Handelns an sich gerissen", ist in der RHEINISCHEN POST zu lesen.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert: "Die Ampel hat es sich schon selbst zuzuschreiben, wenn der von Merz beschworene Eindruck verfängt, dass dem Kanzler und seinem Regierungsbündnis das Land entgleitet. Wer sich selbst zur Übergangskoalition degradiert oder ständig den Widerwillen gegenüber den beiden 'linken' Partnern zur Schau trägt, darf sich nicht wundern, wenn die Menschen der Ampel kaum mehr etwas zutrauen. Wer aber mit Vokabeln wie 'Staatsversagen' hantiert, wer den Eindruck erweckt, es komme nur auf den politischen Willen an und die Migrationsproblematik lasse sich quasi auf Knopfdruck lösen, der erweist dem Land und der Demokratie ebenfalls keinen Dienst. Dieser Verantwortung muss sich Merz jetzt stellen", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
DIE TAGESZEITUNG, die TAZ - kritisiert: "Man sollte misstrauisch werden, wenn Politiker*innen in apokalyptischem Ton sprechen und die ganz große Staatskrise heraufbeschwören. Denn wenn es um alles geht – und nichts anderes suggeriert Merz ja, wenn er sagt, der Kanzler verliere die Kontrolle über 'das Land' –, dann fallen die Hemmungen und Schranken. Im Notstand wird möglich, was sonst aus guten Gründen nicht möglich ist. Vor allem ist es unverantwortlich und kontraproduktiv, so zu sprechen. Es bestärkt die Rechtsextremen, die Deutschland durch die Aufnahme von Geflüchteten schon länger in einer existenziellen Krise wähnen. Nicht ohne Grund sind sie es, die seit jeher in Umsturzfantasien schwelgen und eine Obsession mit dem Ausnahmezustand pflegen, in dem Demokratie, Grundrechte und Moral kurzerhand beiseite gewischt werden", warnt die TAZ.
ZEIT ONLINE erklärt: "Es reicht nicht, dass Friedrich Merz und seine Partei eine institutionelle Brandmauer gegen die AfD errichten. Man muss sich schon auch inhaltlich von ihr unterscheiden, sonst nützt das Versprechen, nicht mit ihr zu koalieren, wenig. Merz täte also gut daran, bei der Migration einen Gang runterzuschalten."
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN notieren: "Das, was die Union, was CDU und CSU tun, ist so plump, dass es schmerzt. Ihr Angebot an Kanzler Olaf Scholz ist der Versuch, die Gesellschaft weiter gegen die Ampel aufzubringen und diese Ampelkoalition zu sprengen. Es ist Wahlkampf pur und kein seriöser Lösungsversuch."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG erinnert: "Es scheint immer noch verlockender, einfache Lösungen zu präsentieren, statt anzuerkennen, dass es kompliziert ist. Noch komplizierter wird es, wenn man wie im Fall Solingen Migrationspolitik und Terrorismusbekämpfung in einen Topf wirft und suggeriert: 'Wenn Extremisten Deutschland verlassen müssen, verschwindet auch deren Ideologie.' So einfach ist es aber nicht. Ideologien sind grenzenlos und finden im digitalen Raum einen fruchtbaren Nährboden. Maßnahmen wie die Abschiebung radikaler Islamisten bieten keine echte Lösung für das zugrundeliegende Problem des Extremismus. Mit ihren unhaltbaren Ankündigungen verlieren sowohl die Bundesregierung als auch die Union an Glaubwürdigkeit", stellt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG fest.
Themenwechsel. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur Herzgesundheit verabschiedet. Die FREIE PRESSE aus Chemnitz findet: "Der Ansatz ist richtig, doch die Umsetzung nicht. Verantwortlich für Herz-Kreislauf-Krankheiten sind oft hohe Cholesterinwerte. Diese sind meist lebensstilbedingt. Statt hier anzusetzen, forciert der Gesetzentwurf die Behandlung mit Cholesterinsenkern – sogar schon bei Kindern. Das ist der falsche Weg. Denn diese Medikamente können Nebenwirkungen haben. Viel sinnvoller wäre es, das dafür benötigte Geld – die Rede ist von 90 Millionen Euro pro Jahr – für Präventionsmaßnahmen wie Bewegungsangebote und gesündere Ernährung auszugeben", schlägt die FREIE PRESSE vor.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hebt die Änderungen hervor: "Karl Lauterbach hat die weiße Fahne gehisst. Nicht er als Gesundheitsminister wird darüber bestimmen, wie Vorsorgeuntersuchungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgestaltet und welche Medikamente Betroffenen wann verschrieben werden. Diese Aufgabe übernimmt weiterhin in bewährter Weise die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen – also Krankenkassen, Ärzte, Kliniken, Apotheken und Patientenvertreter. Dass mehr getan werden muss, um Schlaganfälle und Herzinfarkte zu verhindern, ist unstrittig. Allerdings hat die Selbstverwaltung, die Lauterbach entmachten wollte, schon vor der Vorlage seines Gesetzentwurfs längst daran gearbeitet, Vorsorge und Medikation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen an die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Das Gesetz ist mithin purer Aktionismus und damit überflüssig", moniert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) führt aus: "Befürchtet wird von Kritikern, dass jetzt massenhaft Statine, also Medikamente, die bei zu hohen Cholesterinwerten eingesetzt werden, an Kinder abgegeben würden. Aber Statine verschreibt ja nicht Karl Lauterbach, der Arzt vor Ort muss entscheiden, ob die festgestellten Werte den Einsatz rechtfertigen, ob hier eine ererbte Veranlagung vorliegt. Oder ob man es mit einer Umstellung der Ernährung und dem Fitness-Club versuchen sollte. Fakt ist: Deutschland hat ein Herz-Kreislauf-Problem. Es ist höchste Zeit, das anzugehen."