05. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Wichtige Themen in den Kommentarspalten sind nach wie vor die Krise bei VW sowie die Debatte zur Asylpolitik. Zunächst aber geht es um die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Heil, dass das Bürgergeld 2025 nicht erhöht wird.

Ein Antrag auf Bürgergeld mit einem Kugelschreiber, dahinter mehrere Euro-Scheine
Die Inflation sei stark gesunken, heißt es von der Bundesregierung zur Erklärung für eine Nullrunde beim Bürgergeld im nächsten Jahr. (picture alliance / Zoonar / stockfotos-mg)
Dazu heißt es in der FREIEN PRESSE aus Chemnitz: "Dass es im kommenden Jahr eine Nullrunde beim Bürgergeld geben wird ist richtig. Wichtig ist aber auch zu verstehen, warum es richtig ist. Dass der Regelsatz für einen Alleinstehenden im kommenden Jahr wie im bereits laufenden 563 Euro betragen wird, ist nicht Ergebnis eines Würfelspiels. Es ist aber auch nicht so, dass jemand an der Spitze der Regierung auf den Tisch gehauen und gesagt hätte: 'Jetzt reicht es mal mit den Erhöhungen!' Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis einer Berechnung, für die es feststehende und faire Regeln gibt. So hat es das Verfassungsgericht festgelegt – und daran muss die Politik sich halten", stellt die FREIE PRESSE heraus.
"Die Bundesregierung sollte den Mut haben, offen eine Senkung zu diskutieren", findet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg: "So, wie es die FDP fordert. Für den einzelnen Bürgergeld-Empfänger mag es zwar hart sein, wenn er künftig monatlich wieder 14 bis 20 Euro weniger ausgezahlt bekommen sollte – denn um diese Summe geht es laut FDP-Fraktionschef Dürr. Aber wenn man das Bürgergeld als Sicherung des absoluten Existenzminimums versteht, als 'Überlebenshilfe' auf dem Weg zum eigenen Einkommen, dann ist ein solcher Schritt keine unzumutbare Härte – sondern eine Frage der Gerechtigkeit", ist die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG überzeugt.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) notiert: "Nach den Debatten der vergangenen Monate weht ein schärferer Wind für die Bezieher der staatlichen Unterstützung: Wer sich nicht regelmäßig auf dem Amt blicken lässt, weite Arbeitswege für einen Job ablehnt oder nebenbei schwarzarbeitet, muss mit teils heftigen Einschränkungen rechnen. Der Schritt von Arbeitsminister Heil markiert eine Abkehr von den ursprünglichen, weichgespülten Forderungen an Arbeitslose. Die Regierung kehrt nun wieder zum Grundsatz zurück, dass jemand, dem die Gemeinschaft in schwierigen Zeiten unter die Arme greift, auch eine Bringschuld hat, schnell wieder in Arbeit zu kommen. Das Bürgergeld soll eine zeitweise Unterstützung sein, keine Endstation." So weit die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die TAZ ist folgender Auffassung: "Dass das Bürgergeld nicht steigen wird, ist erst mal nicht zu beanstanden. Unabhängig davon zu behandeln ist die Frage, ob der Regelsatz generell ausreicht zum Leben. Wenn man allein darauf angewiesen ist, tut er das nicht. In der Höhe des Regelsatzes liegt leider viel Verhetzungspotenzial, wie man zuletzt wieder erlebte. Die Zahl der Empfänger:innen stieg, vor allem wegen der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Die Politik redet über Einsparungen im Bundeshaushalt. Das macht Angst und befeuert Ressentiments. Plötzlich erschienen die Bürgergeldempfänger:innen nicht mehr als unterstützungswürdige Arme wie zu Zeiten von Corona, sondern als Bevorteilte. Die Nullrunde ist für die Betroffenen bitter. Sie wird – und das ist auf traurige Weise ein positiver Nebeneffekt – das Gehetze gegen die Armen aber womöglich erst mal befrieden. Bis zum nächsten Anlass", prophezeit die TAZ.
"Hubertus Heils Ankündigung ist ein durchschaubares Wahlkampfmanöver", meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Der Bundesarbeitsminister setzt diese Botschaft – 'Existenzminimum, nicht mehr, nicht weniger' – gezielt wenige Wochen vor der Brandenburger Landtagswahl. Denn neu ist nicht, dass beim Bürgergeld eine Nullrunde bevorsteht. Allerdings hat die SPD am Sonntag in Sachsen und Thüringen miserabel abgeschnitten. Mit Kritik am Bürgergeld sind die Wahlkämpfer:innen immer wieder konfrontiert worden. Und nun steht die Wahl in Brandenburg an, wo die Sozialdemokraten das Ministerpräsidentenamt von Dietmar Woidke unbedingt verteidigen wollen. Heils Ankündigung dürfte aber kaum einen Effekt haben. Der SPD ist die Bürgergeld-Debatte vor Monaten entglitten", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Ähnlich sieht es die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg: "Zwar hat Heil die Nullrunde bereits Ende Juli in Aussicht gestellt, blieb dabei aber äußerst unverbindlich. Dass Wähler sich von solch wagen Phrasen nicht beeindrucken lassen, ist kein Wunder. Dass sich Heil jetzt festlegt, wirkt wie ein verzweifelter Versuch, nach den Landtagswahlen und vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr zu retten, was zu retten ist. Das dürfte für die Ampel nicht mehr viel sein – dafür hat sie bereits zu viel Glaubwürdigkeit verspielt", kritisiert die NORDWEST-ZEITUNG.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befasst sich einmal mehr mit der Krise bei VW: "Der eskalierende Arbeitskampf im Volkswagen-Konzern strahlt auf die gesamte Republik ab. Die Drohung des Managements mit Werkschließungen und Kündigungen ist eine Zäsur für Europas größten Autohersteller. Sie steht aber auch für die Lage in weiten Teilen der deutschen Industrie. Denn Volkswagen ist kein Einzelfall. Im Ruhrgebiet ist der Streit um die Stahlsparte von Thyssenkrupp außer Kontrolle geraten, die großen Autozulieferer Bosch, Continental und ZF durchlaufen harte Anpassungsprogramme, der weltgrößte Chemiekonzern BASF hat Anlagen in Ludwigshafen geschlossen, weil die Produkte am Weltmarkt preislich nicht mehr konkurrenzfähig sind. Am Ende bleibt die Frage, wie Deutschlands wichtigstes Industrieunternehmen und vor allem die Volumenmarke VW wettbewerbsfähiger werden können. Statt an Symptomen herumzudoktern, muss Politik rasch die Ursachen angehen und für wirtschaftsfreundliche Bedingungen am Standort sorgen", mahnt die F.A.Z.
"Um zu verstehen, worum es jetzt bei VW geht, muss man erst mal 30 Jahre zurückspulen", betont die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Damals hieß der Bundeskanzler Helmut Kohl, die Arbeitslosenquote lag bei mehr als zehn Prozent, und bei Volkswagen wurde eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung getroffen. Seit 1994 fortgeschrieben, gilt sie bis 2029, doch nun will die Konzernspitze sie aufkündigen. Erstmals in der Geschichte des Unternehmens könnten damit Fabriken in Deutschland geschlossen werden, es drohen betriebsbedingte Kündigungen. Kein Wunder, dass der Konzernbetriebsrat auf den Barrikaden ist. VW steht vor einem Arbeitskampf, wie ihn Deutschland schon lange nicht mehr erlebt hat", unterstreicht die SZ.
Weiterhin Thema ist auch die Debatte um Asylpolitik, die sich aktuell vor allem um die mögliche Zurückweisung von Migranten an deutschen Grenzen dreht. Im Magazin CICERO lesen wir dazu: "Ob Zurückweisungen an der Grenze rechtlich zulässig sind oder nicht, ist tatsächlich umstritten. Doch die Entscheidung von Innenministerin Faeser, ob sie nun die Tür für weitere Gespräche mit der Union öffnet, ist wohl eher politischer Natur. Es heißt, der Kanzler sei skeptisch. Doch wieviel Macht hat er als Kanzler noch? Immerhin hat der Staatssekretär in Faesers Ministerium, der SPD-Politiker und Duisburger Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir, in einer beispiellosen Abrechnung seiner eigener Regierung und seiner eigenen Partei ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. 'Wir brauchen den Mut, unsere Lage ehrlich zu beschreiben: Die Menschen vertrauen uns nicht', schreibt er, der die Lage vor Ort gut kennt. Gut möglich, dass Faeser und Özdemir den sozialdemokratischen Neuanfang starten, während in der Parteizentrale noch Loyalitätsadressen versendet werden", heißt es im CICERO.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm merkt an: "Es stellt sich heraus, dass die meisten Vorschläge in Richtung Grenzkontrollen, Zurückweisungen oder Abschiebung schön längst und seit Jahren immer wieder diskutiert worden sind. Die Vorstellungen der Union laufen im Grunde darauf hinaus, geltendes europäisches Recht zu brechen oder zumindest zu beugen. Einfach mal so an den Grenzen Menschen zurückzuweisen, würde eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende die Länder an den EU-Außengrenzen jede Kooperation aufkündigen dürften, was entweder zu noch mehr Migration nach Mitteleuropa führen würde oder zu noch mehr Gewalt an den Außengrenzen", fürchtet die SÜDWEST PRESSE.