07. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zu den diplomatischen Bemühungen von Außenministerin Baerbock in Israel und zu möglichen Konsequenzen aus dem Anschlagsversuch nahe dem israelischen Generalkonsulat in München. Zunächst geht es jedoch um den Deutschland-Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der am Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein teilnahm.

Zwei Männer schütteln sich die Hand. Dahinter sind Flaggen zu sehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kamen zu einem Gespräch auf dem Flughafen in Frankfurt zusammen. (Boris Roessler / dpa Pool / dpa / Boris Roessler)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Viele der Beschlüsse in Ramstein sind vor allem von dem Bemühen geprägt, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Und in der Regel sind sie auch gut. Das gilt zum Beispiel für die Ankündigung von Verteidigungsminister Pistorius, Kiew weitere zwölf Panzerhaubitzen zur Verfügung zu stellen. Die Systeme werden garantiert nicht kriegsentscheidend sein, zudem kommt die größte Bedrohung Nacht für Nacht aus der Luft. Auch Flugabwehr ist also überlebenswichtig. Doch die wird auf Dauer schwerlich ausreichen, solange Russland nicht ernsthaft fürchten muss, dass die Flugplätze und Raketenabschussbasen tief im russischen Hinterland unter ukrainischen Beschuss geraten. Die dazu nötigen Waffen werden aber zunächst weiter nicht oder kaum geliefert", kritisiert die F.A.Z.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz fordert: "Die Bundesregierung muss ihr großes politisches Gewicht in Europa noch stärker dafür einsetzen, andere Staaten zu ähnlich starker Unterstützung für die Ukraine anzutreiben. Was das angeht, wirkt Bundeskanzler Scholz wenig entschlossen und durchsetzungsstark. Er darf sich nicht davon beeindrucken lassen, dass er von einigen Uneinsichtigen als Kriegstreiber verunglimpft wird. Sein Kurs ist richtig, braucht aber noch viel mehr Hilfe von anderen Freunden, was auch innenpolitischen Druck von Scholz nehmen könnte. Es ist also eine für den Kanzler lohnenswerte Anstrengung auf internationalem Parkett", notiert die RHEIN-ZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER geht ebenfalls auf die Ankündigung der Lieferung weiterer deutscher Waffen an die Ukraine ein: "Diese Entscheidung der Ampelregierung fiel, obwohl sich die Ukraine bei ihrem Angriff auf die russische Region Kursk darüber hinwegsetzte, dass Deutschland einen Einsatz von Waffen in Russland nur ungern sieht. Die Ukraine weiß nun, dass sie hierfür keine Konsequenzen ihrer Verbündeten befürchten muss."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG zeigt sich mit Blick auf die militärische Lage der Ukraine pessimistisch: "Kanzler Scholz und Präsident Selenskyj geben sich bei ihrem Treffen in Deutschland kämpferisch. Dabei ist die Niederlage der Ukraine absehbar. Die ukrainische Armee verliert den brutalen Abnutzungskrieg. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie. Die vollmundig angekündigte Großoffensive 2023 zur Befreiung des Landes war ein Desaster. Der jüngste Überraschungsangriff in der Region Kursk gleicht einem Himmelfahrtskommando. Dafür zermürben die Russen die ukrainischen Verteidigungslinien im Donbass immer stärker. Putin hat die Oberhand. Somit droht der NATO nach Afghanistan in der Ukraine die nächste Katastrophe. Je länger der Westen diese brutale Wirklichkeit ignoriert, desto höher wird der Preis sein, den die Ukraine am Ende bezahlen wird. Verhandlungen mit Putin sind alternativlos. Ohne Kompromisse wird es keinen Frieden geben. Ist Selenskyj dafür der richtige Mann? Derzeit deutet nichts darauf hin", heißt es in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Mit der Reise von Bundesaußenministerin Baerbock nach Israel befasst sich die BADISCHE ZEITUNG - und spricht von einer "wichtigen diplomatischen Mission": "Die verfahrene Lage in Israel, im Gazastreifen und auch im Westjordanland, das Leid der israelischen Geiseln, aber auch die Verzweiflung der den Schlägen der israelischen Armee hilflos ausgesetzten palästinensischen Zivilisten rechtfertigt jedes noch so aussichtsarme Bemühen, ja verlangt dieses sogar. Baerbocks Forderung nach einem Siedlungsstopp mag noch erwartbar gewesen sein. Die Präzisierung dessen, was darunter zu verstehen sei, wenn Deutschland von Israels Sicherheit als Staatsräson spricht, hat es aber in sich. Es gehe um die Sicherheit des Landes, nicht um die einer Regierung, sagte die Grünen-Politikerin. Darin verbirgt sich ein deutlicher Hinweis und auch eine Warnung an Benjamin Netanjahu, der für sein politisches Überleben mit Extremisten paktiert und jede Kompromisssuche torpediert. Wer einen solchen Kurs fährt, der kann Solidarität und Beistand nicht endlos erwarten. Denn er schadet letzten Endes Palästinensern und Israelis. Das ist Baerbocks Botschaft - und sie ist richtig", meint die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin ist anderer Meinung: "Der Gaza-Krieg zehrt an den Nerven. Bei manchen so sehr, dass es ihren Blick auf die Realität verzerrt. So bei Annalena Baerbock. An Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht, wohl aber an Selbsterkenntnis. Pendeldiplomatie, von der sie stolz spricht, gelingt überhaupt nur dann, wenn mit der richtigen Haltung überzeugend argumentiert wird. Das schafft Baerbock nicht. Zumal dann nicht, wenn schon vor Reisebeginn Stellungnahmen veröffentlicht werden, die ihre Einseitigkeit aufzeigen. Die Hamas, Urheber des Terrors und der Toten, wird mit ihrer Verantwortung nur am Rande erwähnt, Israel dagegen für alles verantwortlich gemacht, was gerade geschieht. Links wie rechts verliert Baerbock bei den Israelis, an Achtung und Einfluss sowieso. So hilft sie nicht, erst recht nicht bei der Friedenssuche", glaubt der TAGESSPIEGEL.
Weiterhin Thema in den Kommentarspalten ist der vereitelte Anschlag in der Nähe des israelischen Konsulats in München. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG konstatiert: "Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sind Islamisten weltweit in Aktionsbereitschaft. Eine Welle von Attentaten, für die keine große Vorbereitung nötig ist, erschüttert Europa. Die Polizei, das hat die Reaktion der Beamten in München gezeigt, handelt mittlerweile äußerst robust. Wie man aber die Instant-Radikalisierung stoppen kann, ob in den Kinderzimmern oder den Sammelunterkünften, ist die größere Frage", stellt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG heraus.
Eine Reaktion ist die Forderung nach einer Begrenzung der irregulären Zuwanderung. Dazu bemerkt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus: "Von allen Parteien, die an den gegenwärtigen Migrations-Gesprächen beteiligt sind, dürfte für die Grünen der Weg besonders weit sein. Bei ihnen wird der Widerwille gegen eine zu drastische Änderung der Asylpolitik immer deutlicher sichtbar. Die Warnungen mehrerer Grünen-Politikerinnen vor ‚rechtswidrigen Forderungen‘ bei einer Begrenzung der Migration spiegeln das wider. Sie zielen damit nicht nur gegen die Union, die angesichts der Überforderung von Staat und Gesellschaft eine massive Verschärfung der Asylpolitik fordert, sondern auch gegen Politiker in der eigenen Ampel-Koalition, die in der rechtlichen Bewertung zu anderen Ergebnissen kommen. Vor allem mit Blick auf die FDP nehmen hier zwei Züge gegeneinander Fahrt auf", fasst die LAUSITZER RUNDSCHAU zusammen.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet derartige Migrationsdebatten wenig zielführend: "Gegen islamistische Terroristen, vor allem solche, die wie im Münchner Fall eingebürgert sind, hilft etwas anderes schneller und zielgenauer als Debatten über Zuwanderung: Es braucht mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienste. Skalpell statt Holzhammer. Dafür ist allerdings eine Zeitenwende auch für die innere Sicherheit nötig. Dass das Bundeskriminalamt bei Terrorverdacht künftig wohl auch heimlich Wohnungen durchsuchen darf, mag drastisch klingen, ist aber angesichts der Gefahr verhältnismäßig. FDP und Grüne sollten zudem ihre Blockade bei der Vorratsdatenspeicherung aufgeben. Außerdem brauchen Ermittler die nötige Technik, etwa KI-Anwendungen, um die riesigen Datenmengen aus Social Media und Messengerdiensten auswerten zu können. Es wäre viel gewonnen, wenn dieses Land es mithilfe von Polizei und Verfassungsschutz schaffen würde, Attentate wie jüngst möglichst zu verhindern."