10. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Bundeskanzler Scholz plädiert für mehr diplomatische Bemühungen, um eine Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu erreichen. Ein weiteres Thema ist der Strategiebericht zur Wirtschaft in der EU. Zunächst geht es aber um die Debatte über die Migrationspolitik in Deutschland.

Bayerischer Grenzpolizist an der deutsch-österreichischen Grenze bei Salzburg.
Bayerischer Grenzpolizist an der deutsch-österreichischen Grenze bei Salzburg. (imago-images / ZUMA Wire / Sachelle Babbar)
Das HAMBURGER ABENDBLATT analysiert: "Da Zuwanderung als wichtigster Pull-Faktor weitere Zuwanderung nach sich zieht, liegt der Ursprung vieler heutigen Probleme in den fatalen Entscheidungen in der Vergangenheit. Es ist ein Gebot politischer Fairness, Ross und Reiter zu benennen. Es war die Fehlentscheidung einer CDU-Kanzlerin – und ihrer Partei, die sie darin nicht gehindert hat. Nun muss die SPD mit ihren Partnern FDP und Grünen die Trümmer der Merkel’schen Politik beseitigen. Die Ampel hat Grenzkontrollen, die die Kanzlerin für überflüssig, ja unmöglich hielt, eingeführt, Verschärfungen für abgelehnte Bewerber beschlossen und Rückführungen erleichtert. Das reicht vielen nicht. Aber es ist nicht wenig. Denn im Kern ist es die Ampel, die Merkels Migrationspolitik endlich korrigiert", findet das HAMBURGER ABENDBLATT.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg meint: "Viel einfacher wäre es, geltendes deutsches Recht anzuwenden – mit dem gleichen Nachdruck, wie es beim Steuerzahler gemacht wird, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Wer aus einem sicheren Drittland einreist, erhält kein Asyl. Wird nicht unverzüglich ein realistischer Asylkurs eingeschlagen, könnte das alte Deutschland unter den Folgen der Migrationspolitik mittelfristig zusammenbrechen", befürchtet die VOLKSSTIMME.
Der SÜDKURIER aus Konstanz erläutert, dass der bereits verstärkte Grenzschutz an den Grenzen zur Schweiz sowie Österreich, Tschechien und Polen durchaus erfolgreich sei: "Allein 2023 wurden 123.000 illegale Einreisen überhaupt bemerkt und 35.000 Menschen zurückgewiesen. Dass Innenministerin Faeser die Kontrollen nun auf alle Landesgrenzen ausweitet, macht dennoch wenig Sinn. Grenzschutz zwischen Deutschland und Belgien? Das bringt allenfalls etwas, wenn vor der EM Hooligans anreisen. Ansonsten muss die Bundespolizei viel Aufwand betreiben für ein paar säumige Straftäter, die ihr bei solchen Kontrollen regelmäßig ins Netz gehen. Interessanter wird, wie die Innenministerin das konkrete Vorgehen in Sachen Zurückweisungen begründen wird. Die Dublin-Regeln sehen das nicht vor, man müsste schon den nationalen Notstand ausrufen – oder riskieren, die EU-Gesetze offen zu missachten. Auch dann allerdings müssen noch die Nachbarn mitspielen: Österreich hat schon mal klargemacht, dass es keine Flüchtlinge zurücknimmt", notiert der SÜDKURIER.
Die TAGESZEITUNGTAZ – moniert: "In der aktuellen Migrationsdebatte dominieren populistische Phrasen und rechtes Framing – nicht nur von der AfD. Das ist gefährlich, denn es verstellt den Blick auf die tatsächlichen Probleme und führt am Ende zu populistischer Symbolpolitik. Friedrich Merz beschwört die 'nationale Notlage', die Union fordert eine 'Asylwende' und der bürokratisch anmutende Begriff 'irreguläre Migration' hat sich etabliert als Synonym für 'zu viel Zuwanderung'. Wir brauchen dringend wieder eine sachliche Debatte, denn die letzten zehn Jahre haben gezeigt: Der AfD nach dem Mund zu reden, gewinnt keine Wähler zurück – und die Probleme in der Migrationspolitik löst es auch nicht. Auch Medien tragen dabei Verantwortung. Sie sollten das, was gerade passiert, als das benennen, was es ist: eine massive Diskursverschiebung, die Geflüchtete unter einen Generalverdacht stellt, und: ein Angriff auf das Recht auf Asyl", kritisiert die TAZ.
Die STUTTGARTER ZEITUNG unterstreicht: "Es geht darum, die Kontrolle über die Migration zurückzugewinnen und eine Stabilität im Land zu wahren, die es überhaupt erst möglich macht, wirklich Schutzbedürftigen zu helfen. Wie gefährdet diese Stabilität ist, zeigen Wahlergebnisse im Osten, die Ausfluss eines Unmuts sind, für den es viele Motive gibt, aber einen Grund von besonderem Gewicht: die verfehlte Migrationspolitik." Soweit die STUTTGARTER ZEITUNG. Und so viel zu diesem Thema.
Bundeskanzler Scholz hat zu verstärkten diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Ukraine-Krieges aufgerufen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist der Ansicht, dass die Kanzlerworte bedeutungslos seien: "Scholz’ Satz ist bei näherer Betrachtung eine Selbstverständlichkeit. Der Kanzler hat nichts anderes gesagt, als dass man darüber diskutieren müsse, wie man zügiger zu einem Frieden komme. Scholz signalisiert dem heimischen Publikum, dass selbstverständlich auch er den Frieden wünscht und dafür eine Konferenz abzuhalten bereit ist. Er tut dies, weil Wagenknecht der nervösen SPD diese Aussage als Koalitionsgeschenk abverlangt und weil er nicht in die Krieger-Ecke gesteckt werden möchte", vermutet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER bewertet den Vorstoß als dringend notwendig: "Der Krieg Russlands gegen die Ukraine befindet sich in einer neuen Phase. Er ist noch brutaler geworden. Die Ukraine greift inzwischen auch Ziele auf russischem Gebiet an. Völkerrechtlich darf sie das – es ist Teil des Rechts zur Verteidigung eines angegriffenen Lands. Die Attacken Russlands wiederum sind intensiver geworden und treffen immer häufiger Zivilisten. Beide Seiten versuchen Geländegewinne und Kriegsgefangene zu machen, auch um sich für mögliche Verhandlungen in eine bessere Position zu bringen. Ein Teufelskreis."
"In weniger als zwei Wochen wählt Brandenburg", merkt der MÜNCHNER MERKUR an. "Am Überleben des dortigen SPD-Ministerpräsidenten Woidke hängt auch das Schicksal des Kanzlers. Dessen Vorstoß für eine Beteilung Russlands an den Schweizer Friedensverhandlungen für die Ukraine ist wahltaktisch also gut gewählt: Gerade im Osten machen viele Bürger ihre Wahlentscheidung von der Russlandpolitik abhängig. Grund genug für den ramponierten Ampel-Chef Scholz, seinen Ruf als 'Friedenskanzler' etwas aufzupolieren. Doch sollte man keine allzu große Hoffnung in die Friedeninitiative des Kanzlers setzen: Kriegsherr Putin hat bisher nicht die geringste Bereitschaft erkennen lassen, von seinen Kriegszielen abzurücken. Und warum Putin gerade jetzt verhandeln soll, da es militärisch für ihn läuft, die Ampel die Ukrainehilfen kürzt und russlandfreundliche Parteien in Deutschland von Wahlsieg zu Wahlsieg eilen, bleibt das Geheimnis des Kanzlers", konstatiert der MÜNCHNER MERKUR.
Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Draghi, hat die EU zu massiven Investitionen in Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz aufgerufen. "Die Frage bleibt, ob sich die Politik die Vorschläge zu Herzen nimmt und sie als Grundlage für einen umfassenden Plan versteht", schreibt die SAARBRÜCKER ZEITUNG. "Dafür müssten die Mitgliedstaaten wie auch die Kommission eigene Fehler eingestehen. Zu den großen Stolpersteinen Europas gehört der komplexe und langsame Weg zur politischen Entscheidungsfindung des Bürokratiemonsters EU. Die schockierenden Zahlen offenbaren das Problem: Bis 2019 hat die EU laut Draghi rund 13.000 Gesetze verabschiedet, während die USA auf 3.000 Gesetze und 2.000 Resolutionen kamen. Ergo: Die neue EU-Kommission sollte die ersten Monate erst einmal dazu nutzen, auszumisten", fordert die SAARBRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemängelt, dass Draghis Vorschläge angreifbar seien: "Finanzieren will Draghi höhere Staatsausgaben letztlich durch neue gemeinsame EU-Schulden, auch wenn er das nur verklausuliert sagt, weil er den Widerstand etwa aus Deutschland fürchtet. Draghis Kritik an der Subventionspolitik einzelner Mitgliedstaaten ist berechtigt. Subventionen werden aber nicht dadurch sinnvoller, dass die EU sie in einem irgendwie definierten europäischen Interesse gewährt. Und die von Draghi verlangte 'Vollendung' der Kapitalmarktunion, die privaten Investoren eine Finanzierung von EU-Projekten schmackhaft machen soll, bleibt bis auf Weiteres eine Illusion." Mit dem Kommentar aus der F.A.Z. endet diese Presseschau.