16. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Debatte über die Kanzlerkandidatur in der Union. Im Mittelpunkt stehen aber die Kontrollen, die ab heute an allen deutschen Landgrenzen durchgeführt werden.

Brandenburg, Frankfurt (Oder): Die Bundespolizei kontrolliert den Einreiseverkehr am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Slubice.
Die Zeitungskommentare beschäftigen sich unter anderem mit den erweiterten Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen (Archivbild). (Patrick Pleul/dpa)
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, erläutert: "Das Ziel ist klar. Damit will die Regierung die irreguläre Migration massiv eindämmen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen und Islamisten aufspüren und aufhalten. Das ist relativ leicht gesagt, aber ob so dieses Ziel überhaupt erreicht werden kann? Es gibt anerkannte Experten, die zweifeln. Die Gewerkschaft der Polizei kippt gleichfalls Wasser in den Wein. Sie verweist auf die angespannte Personallage bei der Bundespolizei und spricht von einer drohenden längerfristigen Überlastung. Noch eine wichtige offene Flanke gibt es: Die Wirtschaft. Wenn sich als Folge von mehr Grenzkontrollen wieder kilometerlange LKW-Staus an den deutschen Außengrenzen bilden, dann wird schnell der Unmut wachsen und die Kosten werden emporschnellen", befürchtet die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal bemerkt: "Die angekündigt 'smarten' Grenzkontrollen – wenn auch nur ein erstes Zeichen – sind nicht mehr das Ende der Menschlichkeit. Die Deutung ist umgekehrt: Sie können helfen, einen Zustand zu beenden, in dem dieses Land nicht mehr weiß, wer hier lebt, wer woher kommt und welche Vergangenheit hat. Das hilft der gesellschaftlichen Akzeptanz jener, die regulär in Deutschland sind. Das hilft auch den Kommunen, die ihre Hilfs- und Aufnahmebereitschaft an die sprichwörtliche Grenze gebracht hat. Und es kann politisch gesehen ein Schritt hin zum Abbau der Ränder sein, weil die Mitte sich wieder erkennbar für das Mehrheitsinteresse interessiert", notiert die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG glaubt, die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigte Maßnahme habe vor allem symbolische Bedeutung: "Faeser will vor den Wahlen in Brandenburg zeigen: Wir tun etwas. Der Personalaufwand ist enorm, der Nutzen fragwürdig. Expert:innen bezweifeln, dass die Zahl der Asylsuchenden dadurch zurückgehen wird. Sicherer wird Deutschland dadurch auch nicht, denn es besteht kein Zusammenhang zwischen illegaler Einreise und Gewaltverbrechen. Dafür drohen Wartezeiten und Staus. Faeser verspricht 'smarte Kontrollen' – eine freundliche Umschreibung für 'Racial Profiling'. Besonders groß ist der Schaden aber für Europa. Die Botschaft aus Deutschland lautet: Jeder ist sich selbst der Nächste. Europäische Solidarität? Fehlanzeige", schreibt die TAZ.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG gibt zu bedenken: "Auch weitergehende Maßnahmen wären kein Allheilmittel. Stellen wir uns einmal vor, die Bundesregierung wiese in großem Stil Asylbewerber direkt an den deutschen Landesgrenzen zurück. Es gäbe dann trotzdem keine absolute Sicherheit vor islamistischem Terrorismus. Spätestens nach dem nächsten Anschlag hieße es dann: Auch diese Maßnahmen waren nicht genug. Die Spirale drehte sich also weiter und weiter. Und je länger sie sich dreht, desto weniger bleibt am Ende übrig von der freien und offenen Gesellschaft, um deren Verteidigung es ja eigentlich geht. Das ist keine Aufforderung an die Bundespolitik, nichts zu tun. Doch zwischendurch lohnt es sich, kurz innezuhalten und die Frage zu stellen, was am Ende einer solchen Entwicklung stehen könnte", argumentiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz verweist auf ein Migrationsabkommen, das Bundeskanzler Scholz zum Auftakt seiner Zentralasien-Reise in Usbekistan unterzeichnet hat. Derartige Vereinbarungen seien "einerseits ein gutes Mittel, um Fachkräfte zu gewinnen. Es geht um Menschen, die Deutschland in Zeiten des demografischen Wandels dringend braucht. Ohne Zuwanderung ist es unmöglich, dass die deutsche Wirtschaft in Zukunft wachsen kann. Und: Wie soll die gealterte Gesellschaft in den kommenden Jahren aussehen, wenn neben IT-Spezialisten nicht auch Pflegekräfte angeworben werden können? Gleichzeitig eröffnet ein Migrationsabkommen die Chance, sich auf verlässliche Wege dafür zu verständigen, dass abgelehnte Asylbewerber Deutschland auch wieder verlassen müssen. Im Fall von Usbekistan geht es dabei um eine sehr überschaubare Zahl von Menschen. Aber auch kleine Schritte hin zu mehr Ordnung in der Migrationspolitik sind richtig und können helfen", urteilt die FREIE PRESSE.
Die Zeitung DIE WELT findet, was die Bundesregierung zuletzt unternommen habe, um die Flüchtlingsströme einzudämmen, sei "richtig und sinnvoll. Nur: Es kommt zu spät. Es greift zu kurz. Es wird nicht genügen, und es ist zu kompliziert. Wir sind mittendrin in einer selbst verschuldeten politischen Krise, die im Begriff ist, staatsgefährdend zu werden. Haben Sozialdemokraten, Grüne und Liberale noch immer nicht begriffen: Wenn sie darauf beharren zu meinen, nur Faschisten seien für die robuste Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze, dann werden die Wähler am Ende auch Faschisten zur Macht verhelfen, um eben das zu tun, was Sozialdemokraten, Grüne und Liberale sich zu tun weigerten." Das war DIE WELT.
Themenwechsel. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg widmet sich der Debatte über die sogenannte K-Frage in der Union: "Sauber wollen sie die Kanzlerkandidatur klären, haben Friedrich Merz und Markus Söder vereinbart. Dann sollte nichts mehr schiefgehen: Merz hat als Chef der größeren CDU den ersten Zugriff, wenn er denn will. Der Sauerländer will und konnte gerade in der Migrationspolitik und durch die Ost-Wahlen ein paar Profilpunkte sammeln. Und Söder wird natürlich im Unionsinteresse zurückstehen. Wer’s glaubt! Nein, es ist absehbar, dass der Bayer die Ellenbogen noch ganz weit ausfährt, um sich vor Merz zu schieben. Von den derzeit wichtigsten Unionspolitikern verkörpert Merz das Gestern, Söder das Heute und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst das Morgen. Bei der nächsten Bundestagswahl könnte Söder von Wüst oder einem anderen vom jüngeren CDU-Personal aus dem Felde geschlagen werden", vermutet die VOLKSSTIMME.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG vermutet, CDU-Chef Merz wolle die Kanzlerkandidatur unbedingt: "Auch wenn er in seiner eigenen Partei nicht gänzlich unumstritten ist, auch wenn seine Beliebtheitswerte mäßig sind, scheint ihm der Zuschlag sicher. Oder etwa nicht? Im Hintergrund drängt mit Markus Söder jemand, der es einfach nicht lassen kann. Der hat zwar im vergangenen Sommer jegliche Ambitionen vehement zurückgewiesen, aber inzwischen ist klar, dass es für den bayerischen Ministerpräsidenten nur einen Kanzler(kandidaten) geben kann: Markus Söder. Kommt es nun zum erbitterten Kanzlerkandidaten-Duell auf offener Bühne?Die Union sollte das tunlichst vermeiden. Am Ende könnte der lachende Dritte nämlich ein Sozialdemokrat sein. War ja schon mal so. 2021, nur zur Erinnerung", hebt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hervor.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vertritt diese Ansicht: "Es ist Söders Recht, seine Chance zu suchen, er maximiert damit ja auch das Gewicht der CSU. Es wäre aber ebenso Söders Verantwortung, den Punkt zu erkennen, an dem die letzte Chance zerronnen ist. Den Punkt, von dem an er Merz mit voller Kraft unterstützen müsste – und mit Größe so viel mehr gewinnen könnte als mit Bockigkeit. Auch für sich selbst."
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG analysiert: "Merz ist keiner, hinter dem sich die Massen versammeln, seine fehlende Regierungserfahrung, sein mitunter impulsives Auftreten, seine geringe Strahlkraft bei wichtigen Wählergruppen wie Frauen und jungen Leuten lassen sich nicht einfach durch eine noch so ausgetüftelte Kampagne wegzaubern. Merz, die Alternative zu Scholz und gegebenenfalls Habeck? Klingt schwierig. Am Ende muss der CDU-Chef vor allem darauf setzen, dass die Ampel weiter so schlecht performt wie in den letzten Monaten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß – und damit auch der Nutzen für einen Kanzlerkandidaten Merz. Er muss damit überzeugen, dass er es besser könnte. Beim Thema Migration ist ihm das als Ampel-Antreiber zumindest schon einmal gelungen", bilanziert die SAARBRÜCKER ZEITUNG zum Ende der Presseschau.