17. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur Ausweitung der Kontrollen an den deutschen Außengrenzen und zur Debatte über die Kanzlerkandidatur der Union. Zunächst geht es jedoch um den mutmaßlichen Attentatsversuch auf den republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Trump.

Der frühere US-Präsident Donald Trump trägt bei einem Golf-Spiel eine rote Baseball-Kappe mit der Aufschrift "Make America great again".
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Seth Wenig)
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER fasst zusammen: "Donald Trump hat Glück gehabt. Zwei Monate nach dem ersten Attentat haben Personenschützer einen weiteren Anschlag auf den ehemaligen US-Präsidenten vereitelt. Der Secret Service hat einen Mann festgenommen, der mit einem Gewehr am Rande von Trumps Golfclub in Florida dem Präsidentschaftskandidaten auflauern wollte. Ein weiteres Warnsignal für Amerika. Natürlich ist es vor allem Donald Trump, der mit seiner polarisierenden Art das politische Klima in den USA vergiftet hat. Er überzieht seine Konkurrenten mit persönlichen Beleidigungen. Kein Mittel, kein Vorwurf ist ihm zu billig oder zu grotesk. Alles ist erlaubt, solange es ihm hilft, wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Trump hat die Welt in Gut und Böse aufgeteilt. Viele Menschen verstehen das als Rechtfertigung, um Andersdenkende mit Gewalt zu bekämpfen", betont der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz bezeichnet den aktuellen US-Wahlkampf als "Wahnsinn": "Seit Wochen hat die politische Auseinandersetzung mit Verleumdungen und Bedrohungen jedes zivilisierte Maß verloren. Nun schlagen die verbalen Attacken in Gewalt um. Der völlig überhitzte Schlagabtausch wird buchstäblich lebensgefährlich. Dass Donald Trump nun schon zum zweiten Mal Ziel eines Attentatsversuches wurde, muss jeden demokratisch gesinnten Menschen alarmieren. Gewalt darf niemals ein Mittel der Politik sein", bemerkt die FREIE PRESSE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht auf den mutmaßlichen Attentäter ein: "Viele Fragen zum Täter, Tathergang und Motiv sind offen. Fest steht aber, dass die Sicherheitsbehörden ihre Gefahreneinschätzung überprüfen und den Personenschutz für den Präsidentschaftskandidaten verstärken müssen. Der mutmaßliche Täter hat sich im Netz so über die Wahl und Trump geäußert, wie man das von Demokraten kennt: dass die Demokratie auf dem Spiel stehe. Ob das ausschlaggebend für sein Vorgehen war, weiß man nicht. Doch klar ist: Angstmache und Diffamierung sind Trumps Treibstoff. Ein solches Klima stachelt Verwirrte und Extremisten an", analysiert die F.A.Z.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der auch die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, meint: "In diesem aufgeheizten Klima ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich die Gewalt gegen Kamala Harris richtet. Es liegt an Trump allein, die Temperatur zu senken. Das wäre die richtige Konsequenz aus den zwei Attentatsversuchen."
Die Chancen dafür schätzt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) gering ein: "Trump wird den Zwischenfall eiskalt nutzen statt einen versöhnlichen Ton anzuschlagen. Er wirbt bereits um Spenden und hofft, im Duell mit Harris das Ruder herumreißen zu können. So gespalten das Land und so unvorhersehbar dieses Wahljahr ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ihm das sogar gelingen wird."
"Gibt der neue Anschlagsversuch dem Präsidentschaftsrennen abermals eine Wende – nun gegen Kamala Harris?", fragt auch der TAGESSPIEGEL: "Es werden sofort Erinnerungen wach an das Attentat vor zwei Monaten in Butler, Pennsylvania. Trump kam damals mit einem blutenden Ohr davon. Es war knapp. Seine mutig-trotzige Reaktion in Lebensgefahr schuf ein Bild für die Geschichtsbücher: Er reckte die Faust in den Himmel und rief seinen Fans zu: 'Fight!' Auf dem Parteitag in den Tagen danach umgab Trump eine Aura, als sei die Vorsehung mit ihm im Bunde. Und als sei er unbesiegbar, zumal gegen seinen damaligen Konkurrenten im Kampf um das Weiße Haus, Joe Biden. Dies könnte sich wiederholen", mutmaßt der TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Themenwechsel. Deutschland hat die bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes auf die Grenzen im Westen ausgeweitet. Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm schreibt: "In Umfragen befürworten Dreiviertel der Befragten die neuen Grenzkontrollen. Doch was mancher feiert, ist kein Grund zur Freude. Es ist eine Bankrotterklärung für Europa und es ist das Ende der Vision eines Kontinents ohne Grenzen, der sich nach dem Mauerfall Mitte der 90er Jahre etablierte. Gescheitert ist diese Vision an der Unfähigkeit der heute 29 Länder im Schengenraum, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen und dabei ideologische Bedenken zu überwinden. Wer den freien Austausch von Waren und Menschen innerhalb eines Gebiets will, muss sich an den Außengrenzen auf strikte Kontrollen einigen. Die EU-Asylreform, die genau diese offene Flanke schließen soll, wurde aber erst im Frühjahr 2024 beschlossen – fast 30 Jahre, nachdem 1995 der Schengenraum Wirklichkeit wurde und es zwischen den ersten sieben EU-Ländern die grenzenlose Freiheit gab", gibt die SÜDWEST-PRESSE zu bedenken.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung ebenfalls: "Deutschland unternimmt einen großen Schritt zurück in die schlechte alte Zeit, die eine ganze Generation von Europäern nur noch aus Geschichtsbüchern kennt. Mehr als eine Illusion von Kontrolle erreicht Deutschland dabei gar nicht. Denn wer sich unbemerkt – oder mit krimineller Energie – über die 3.876 Kilometer lange Landgrenze schleichen will, der findet dafür weiterhin ausreichend Wege. Es ist einerseits eine billige Grenzkontroll-Illusion, die ein Zugeständnis an die Wahlerfolge von Rechtspopulisten, Putinverehrern und Deutschtümlern ist, andererseits zeigt sich ein spürbarer Verlust an Offenheit, Internationalität und auch innerem Frieden auf diesem Kontinent. Armes Europa", bilanziert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU notiert: "Die Bundesregierung zeigt mit ihrer Entscheidung, wie gering ihr Vertrauen in die Nachbarländer ist. Dabei lassen sich Terror und Kriminalität nur gemeinsam wirkungsvoll bekämpfen. Das Symbol kann Deutschland teuer zu stehen kommen: für den Staat, weil Personal für den Grenzschutz notwendig wird, für die Wirtschaft, die unter Grenzkontrollen zu leiden hat, und für die europäische Perspektive eines Kontinents, der in nationalem Denken auseinanderdriftet."
Und damit zum letzten Thema: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur für die Union bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr. "Der Weg ist frei für Merz", kommentiert die WESTDEUTSCHE ZEITUNG: "Merz hat seit gestern die Unterstützung des größten CDU-Landesverbandes, er hat die persönliche Unterstützung von Hendrik Wüst, der derzeit der beliebteste CDU-Politiker ist. Und Merz geht mit einer Bundes-CDU in die nächsten Monate, die durch harte interne Arbeit komplett auf ihn und seinen Machtanspruch ausgerichtet ist. Die freie Radikale – das wurde gestern deutlich – bleibt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der CSU. Gleichwohl ist dessen Krawall-Potenzial absehbar, zumal Wüsts Abkehr ganz sicher auch ein Signal nach Bayern gab: Gegen die CDU-Übermacht mit einer geschlossenen Partei hinter Merz wird auch Söder nichts mehr ausrichten", heißt es in der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG aus Wuppertal.
Die STUTTGARTER ZEITUNG ist folgender Meinung: "Wenn der bayerische Ministerpräsident ein Minimum an Loyalität mit der Union besitzt, wird er seine Egomanie zu zügeln wissen und wegen der eigenen Kanzlerallüren nicht noch einmal ein Schmierentheater wie vor drei Jahren veranstalten. Selbstverliebte Machtspielchen würden das Ansehen der C-Parteien beschädigen und wären Gift für deren Aussichten auf einen Wahlsieg 2025."
"Geschlossenheit ist das Gebot der Stunde", findet auch DIE GLOCKE aus Oelde: "Will die Union aus der Bundestagswahl 2025 als klarer Sieger hervorgehen, darf sich das zerstörerisches Ringen um die K-Frage von 2021 nicht wiederholen. Söder steht in der Pflicht, seinen Teil dazu beizutragen. Von Hendrik Wüst droht Favorit Merz keine Gefahr. Der NRW-Ministerpräsident will nicht antreten. Wüst ist erst 49 Jahre alt und kann abwarten. Seine Zeit für Spitzenämter in der Bundespolitik wird kommen."