18. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Ein Thema ist die vorläufige Absage des Halbleiterherstellers Intel für den Bau einer Chipfabrik bei Magdeburg. Vor allem aber beschäftigen sich die Kommentatoren mit der Kanzlerkandidatur des CDU-Chefs Friedrich Merz.

Friedrich Merz (l), CDU-Bundesvorsitzender, gibt Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern die Hand.
Friedrich Merz wird antreten, Markus Söder lässt ihm den Vortritt. (dpa / Michael Kappeler)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt dazu: "Als Hendrik Wüst seinen Verzicht erklärt und zur Unterstützung des Bundesvorsitzenden der CDU aufgerufen hatte, musste dem CSU-Vorsitzenden Söder klar sein, dass sein Lebenstraum wieder nicht in Erfüllung geht. Dennoch ist die Entscheidung nun für den bayerischen Ministerpräsidenten 'fein'. Geradezu feierlich legte er abermals den Schwur ab, dass sich '2021' nicht wiederholen werde. Burgfrieden in der Union ist Grundvoraussetzung dafür, dass CDU und CSU in einem Jahr stärkste Kraft werden und den Kanzler stellen können. Der Absturz der Ampelparteien zeigt, wie unnachsichtig Wähler ständige Streitereien in der Öffentlichkeit bestrafen", erinnert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR bemerkt: "Für einen, dessen Temperament Kritiker gern als 'aufbrausend' beschreiben, hat Friedrich Merz im Kandidatenrennen der Union starke Nerven bewiesen: Kraftmeiereien aus München hat er weggelächelt, Sticheleien aus Düsseldorf ignoriert. Am Ende war ihm die Kanzlerkandidatur nicht mehr zu nehmen. Ob Söder nach seinem großen Indianer-Ehrenwort das Ganze jetzt wirklich 'ohne Zähneknirschen' schluckt und sich brav einreiht, wird sich erst noch zeigen müssen", erwartet der MÜNCHNER MERKUR.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hält fest: "Söder wird beweisen müssen, dass er wirklich aus 2021 gelernt hat, dass er die Füße stillhalten kann, wenn Umfragen belegen, dass Merz bei jüngerem Publikum kaum ankommt. Er wird sich jeden Kommentar verkneifen müssen, wenn Merz’ Wirken als Lobbyist für den Finanzriesen Blackrock unter die Lupe genommen wird. Er wird jede Häme unterlassen müssen, wenn der Kandidat mit dem Versuch scheitert, mal locker rüberzukommen und bei normalen Menschen einen Witz zu landen. Wer Söder kennt, weiß, dass ihm so viel Zurückhaltung nicht in die Wiege gelegt wurde", notiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Nach der AUGSBURGER ALLGEMEINEN nun die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Also alles prima für Friedrich Merz? Ja, schon. Aber man darf nicht übersehen, dass er für die volle Unterstützung des bayerischen Partners einen hohen politischen Preis zahlt. Die neue Geschlossenheit im Binnenverhältnis von CDU und CSU hat Merz nur dadurch herstellen können, dass er seine CDU inhaltlich ganz dicht an das erzkonservative Profil der Christsozialen herangerückt hat. Die Übernahme solcher Positionen wird Friedrich Merz noch erhebliche Probleme bereiten. Der Rechtsruck der CDU bedeutet für den Bundestagswahlkampf, dass das Ausgreifen auf Gruppen, die die Union ansprechen muss, um dauerhaft aus dem Ghetto der 30-Prozent-Umfragen und -Wahlergebnisse auszubrechen, wesentlich schwerer wird", gibt die FREIE PRESSE aus Chemnitz zu bedenken.
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG konstatiert: "Merz hat in den vergangenen Monaten viel Boden gutgemacht, er ist nicht mehr über sich selbst gestolpert, wie etwa noch in Interviews im vergangenen Sommer. Er trifft auf einen Kanzler, der fest entschlossen ist, seinen Posten zu verteidigen. Angesichts der Tatsache, dass die Union derzeit in den Umfragen stärker ist als die drei Regierungsparteien zusammen, sieht es für Merz fast wie ein Sprint ins Kanzleramt aus. Der wird es aber nicht sein. Das Wahlkampfpotenzial der SPD zu unterschätzen und sich selbst zu sicher zu fühlen – das sind die größten Stolpersteine auf dem Weg zur Macht im Land", hebt die SAARBRÜCKER ZEITUNG hervor.
Die BERLINER MORGENPOST blickt in dem Zusammenhang auf den CSU-Chef: "Markus Söder ist die Flatterhaftigkeit in Person. In seinem Bild von der Welt und sich selbst ist eigentlich nicht vorgesehen, dass er zurücksteckt, um jemand anderem zum Erfolg zu verhelfen. Für Friedrich Merz erwächst daraus ein erhebliches Risiko. Es wäre ein großes Wunder, wenn man in den nächsten zwölf Monaten einen vollkommen geläuterten CSU-Chef erleben würde. Einen, der sich als Teil eines Teams versteht und all seine Kraft für die gemeinsame Sache einsetzt", unterstreicht die BERLINER MORGENPOST.
Das Magazin CICERO hingegen ist überzeugt: "Tatsächlich kann Markus Söder diesmal seine Eitelkeit und auch seine Selbsteinschätzung auch deswegen zügeln, weil er mit Friedrich Merz ein Gegenüber hat, das ihm weniger Angriffsfläche bietet. 2021 war die Konstellation mit Armin Laschet eine, die Söder mehr provoziert hat. Damals trat der vermittelnde NRW-Ministerpräsident gegen den Krawall-Markus an, schon in der Corona-Zeit hatten sich beide beharkt. Söder wollte einen Bruch mit der Merkel-Ära, Laschet nicht in der gleichen Weise. Das war der Streitpunkt, der es Söder auch ermöglichte, Unterstützer bei der CDU zu gewinnen. Alles das fiel nun weg. 2021 wiederholt sich also – erstmal – nicht“, so die Meinung des CICERO.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG geht auf das Profil von Friedrich Merz ein: "Gerade die Wirtschaftsnähe und die harten Töne speziell bei der Einwanderung wirken angesichts von Wirtschafts- und Migrationskrise plötzlich wie die Kompetenzen der Stunde – und als Oppositionspolitiker redet es sich dabei natürlich besonders entspannt. Friedrich Merz mag aus der Zeit gefallen gewesen sein, aber die ist ihm längst hinterhergesprungen", ist die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG überzeugt.
Und ZEIT ONLINE analysiert: "Die Entscheidung für Merz kommt keine Minute zu früh. Die CDU erlebt eine existenzbedrohende Stresssituation: Wenn es in zwei oder sogar drei östlichen Landesverbänden zu Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht kommt, ist zumindest eine politische, wenn nicht gar eine faktische Spaltung der Partei durchaus denkbar. Ein Teil würde sich dem Erbe der Westbindung verpflichtet fühlen. Ein anderer würde sich dem Autoritarismus geschlagen geben", so die Meinung von ZEIT ONLINE.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg zeigt sich enttäuscht über den Rückzieher des US-Herstellers Intel beim geplanten Bau einer Halbleiterfabrik in der Region: "Dass Intel die Milliarden-Investition auf Eis legt, ist ein schwerer Rückschlag für Sachsen-Anhalt und auch für Deutschland. Die Folgen sind noch nicht absehbar. Das Agieren des US-Konzerns weckt große Zweifel, ob Magdeburg tatsächlich noch mit der Ansiedlung rechnen kann. Die hoffnungsfrohe Aufbruchsstimmung ist erst mal dahin. Die Ankündigung von Intel-Chef Pat Gelsinger ist von begrenzter Aussagekraft. Wer kann schon sagen, wie die Lage in zwei Jahren ist? Intel will Land und Stadt nun jahrelang im Ungewissen lassen. Es droht eine zermürbende Hängepartie, deren Ausgang offener denn je ist", meint die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER kommt zu diesem Schluss: "Die Regierung sollte die Gelegenheit vielleicht dazu nutzen, um sich zu überlegen, ob für die Ansiedlung einer Firma mit 3.000 Arbeitsplätzen ein Zuschuss von zehn Milliarden Euro nicht vielleicht etwas viel ist. Das sind immerhin 3,33 Millionen Euro pro Arbeitsplatz. Auch wenn die Ansiedlung einer Chip-Produktion natürlich eine gewisse Unabhängigkeit bringt. Angesichts maroder Infrastruktur und überforderten Schulen und Kitas wäre das Geld anderswo vielleicht besser investiert", überlegt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die TAGESZEITUNG blickt anders auf die nun freigewordenen Subventionsmittel: "Die Ampel könnte mit den 10 Milliarden Euro endlich das Klimageld auf den Weg bringen, das in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben ist als sozialer Ausgleich für steigende Energiepreise – uns also längst versprochen. Nur hat die Koalition es, angeblich wegen der knappen Haushaltslage, zwischenzeitlich aufgeschoben/aufgehoben. Mit den nun freigewordenen Mitteln könnten immerhin knapp 120 Euro pro Kopf ausgezahlt werden. Viele Menschen könnten das Geld gut gebrauchen. Die Erfahrung lässt hingegen erwarten, dass diese Lösung wiederum Lindner & Co. als absurd erscheint", vermutet die TAZ, mit der diese Presseschau endet.