28. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen dieser Ausgabe sind die Ukraine-Politik, die personelle Neuaufstellung der Grünen und die Einigung der AfD-Spitze auf eine Kanzlerkandidatin. Doch zunächst in den Bundestag, wo der Gesetzentwurf für eine Rentenreform erörtert wurde.

    Senioren gehen durch die Kölner Innenstadt
    Der Bundestag hat in erster Lesung die Rentenreform erörtert. (picture alliance / dpa / Thomas Banneyer)
    Nach Ansicht der AUGSBURGER ALLGEMEINEN tut die Koalition nur das Nötigste: "Wenn überhaupt. Zu den unpopulären Wahrheiten der Sozialpolitik gehört auch die, dass das Rentenalter in einer älter werdenden Gesellschaft nicht bei 67 Jahren eingefroren werden kann. Außerdem bleibt die Koalition bei der Reform der Privatvorsorge weit hinter den Erwartungen zurück. Das Generationenkapital aus der Anlage in Aktien ist, erstens, aus Schulden finanziert, und wird zweitens wenig zur Finanzierung beitragen. Die zehn Milliarden, die sie jedes Jahr aus diesem Topf erhalten soll, gibt die gesetzliche Rentenkasse an zehn Tagen aus", rechnet die AUGSBURGER ALLGMEINE vor.
    "Für die Rentner und auch für die Boomer ist das eine feine Sache", heißt es in den Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN. "Für alle anderen nicht. Denn diejenigen, die jetzt jünger als 45 sind, müssen die Zeche zahlen. Das ist die Handschrift einer Klientelpolitik, die keine Skrupel kennt. Mit anderen Worten: Nach mir die Sintflut."
    Die TAGESZEITUNG konstatiert: "Statt sich auf eine Stabilisierung des bisherigen Niedrigniveaus zu fokussieren, sollte die SPD mutig sein, ihre eigenen Überlegungen ernst nehmen und dafür streiten. Etwa für die Forderung, auch Beamte und Beamtinnen zu verpflichten, in die gesetzliche Kasse einzuzahlen, und denEinkommensdeckel von 7.500 Euro, die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze, aufzuheben. So ließe sich die Basis der Einzahlenden solidarisch ausweiten. Auch Geld aus einer Vermögensteuer, wie sie die SPD seit Langem fordert, kann mit dazu dienen, die gesetzliche Rente armutsfest zu machen. Ein Neustart in der Rentenpolitik ist nötig. Ein Bruch der Ampel könnte auch ein Aufbruch sein", argumentiert die TAZ.
    Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg nimmt diesen Gedanken auf: "Nach den Abstimmungen in Ostdeutschland sieht es für die Ampelparteien düster aus. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch das Durchhalten aus Schwäche kann eine Zeitlang sinnvoll sein. Um eine Durststrecke zu bewältigen, eine Krise zu überstehen in der Überzeugung, das Richtige zu tun für das Land und für die Partei – in dieser Reihenfolge wohlgemerkt. Deutschland braucht eine Neuwahl mit neuen Politikangeboten und den Personen, die diese Angebote glaubwürdig vertreten", kommentiert die BADISCHE ZEITUNG.
    Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasst sich mit der personellen Neuaufstellung der Grünen. Habeck ziehe die Macht an sich, heißt es in der SZ: "Vor allem in der Parteizentrale soll sich einiges ändern, dem Maschinenraum des Wahlkampfs. Zu einer der beiden Parteivorsitzenden werden die Grünen im November wohl Franziska Brantner küren. Sie soll als versierte Strippenzieherin künftig Allianzen für Habeck in der Partei schmieden, ohne ihm die Show zu stehlen. Ihr zur Seite tritt Felix Banaszak, der zwar vom linken Flügel ist, aber die Kreise Habecks nicht stört. Habeck setzt nun alles auf seine Karte. Für ihn und die gesamte Partei wird dies zur riskanten Wette. Gelingt in den nächsten Monaten keine Wende, könnte auch er seiner Partei einen Neuanfang schenken müssen", überlegt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
    Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm empfiehlt: "Die Partei sollte dort anknüpfen, wo sie vor zweieinhalb Jahren aufgehört hat. Kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges war es Robert Habeck, der alles tat, um die Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Seine Abkommen mit Staaten mit fragwürdigen menschenrechtlichen Standards verärgerten das eigene Milieu, viele Bürger jedoch dankten es ihm mit hohen Umfragewerten. Dann kam das Heizungsgesetz, und der Niedergang vom Kanzler der Herzen zum Wärmepumpen-Minister mündete in einem Desaster für die Grünen. Umso wichtiger ist es nun zu zeigen, dass dieser Super-Pragmatismus, bei dem die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft nicht mit dem Holzhammer vollzogen wird, wieder Einzug bei den Grünen hält", findet die SÜDWEST PRESSE.
    Nun zur AfD. Die beiden AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla haben sich darauf geeinigt, dass Weidel Kanzlerkandidatin der Partei werden soll. Die Zeitungen des REDAKTIONSNETZWERKS DEUTSCHLAND schreiben: "AfD-Chefin und AfD-Chef könnten unterschiedlicher nicht sein, aber sie tragen Konflikte intern aus. Wer in den vergangenen Jahren darauf setzte, dass sich die AfD selbst zerlegen würde, wurde eines Besseren belehrt. Ex-Parteichef Meuthen war der Letzte, der den Weg der Radikalisierung aufhalten wollte, den er lange mitgetragen hatte. Nach seinem Austritt wurden die heftigen Flügelkämpfe in der Partei größtenteils durch ein Netzwerk friedlicher Koexistenz abgelöst. Intern hält Chrupalla dieses Netz zusammen, nach außen wirkt Weidel mit all ihrer Schärfe. Sie löst extreme Reaktionen aus: Bewunderung bei den Sympathisanten der in Teilen rechtsextremen Partei, Verachtung bei allen anderen. Irgendeine Chance aufs Kanzleramt hat selbst eine erstarkte AfD 2025 nicht", heißt es in den Zeitungen des REDAKTIONNETZWERKS DEUTSCHLAND.
    Zum Schluss geht es um die Ukraine. US-Präsident Biden lädt für Oktober zu einem Treffen der Unterstützerstaaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz ein. Nach Einschätzung der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG sendet der US-Präsident damit ein Signal: "Allerdings eines, dessen Reichweite bisher noch unklar ist, wenn man es aus deutscher Sicht betrachtet. Denn die bisherige Einigkeit der Ukraine-Freunde, den Einsatz weitreichender westlicher Waffen gegen Russland zu untersagen, bröckelt. Es kann durchaus sein, dass Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner gegensätzlichen Linie bald allein dasteht. Dabei war er bisher jeglichen Schritt in Ukraine-Fragen gemeinsam mit Biden gegangen. Sollte dreieinhalb Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl das westliche Langstrecken-Verbot fallen, wäre jedenfalls diese Einigkeit dahin, ganz egal, ob Donald Trump oder Kamala Harris die Wahl gewinnt", analysiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
    Der ukrainische Präsident Selenskyj hat bei seinem USA-Besuch die Forderung nach mehr Hilfen für sein Land bekräftigt. Darauf geht die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ein: "Selenskyj sagt, dass er eine Zusage wolle, dass die Ukraine wirklich in die NATO komme. Die wird er aber weder jetzt noch in absehbarer Zeit in Washington erhalten und auch nicht in irgendeiner anderen westlichen Hauptstadt. Das liegt zum einen daran, dass Biden in wenigen Monaten abtreten muss und unklar ist, wer sein Nachfolger sein wird. In der Endphase des Wahlkampfs in Amerika aufzutauchen war vielleicht nicht die klügste Idee Selenskyjs. Die strategischen Fragen, die er zu Recht stellt, lassen sich ohne geklärte Machtverhältnisse im Weißen Haus und im Kongress nicht sinnvoll erörtern", unterstreicht die F.A.Z.
    Für die Zeitung DIE WELT ist klar: "Nur militärische Stärke kann der Ukraine einen fairen und langfristigen Frieden bringen. Was Selenskyj vor allem braucht, sind kurzfristige Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien des Westens. Der Ukraine fehlen Kampfjets und Flugabwehrsysteme, um endlich Russlands Gleitbombenterror zu beenden und die gebeutelte Energieinfrastruktur zu schützen. Das Land muss eine starke eigene Militärindustrie aufbauen. Dies ist nur möglich, wenn Fabriken besser geschützt werden. Dafür sollten Unterstützerstaaten entlang der Grenze in der Westukraine eine Schutzzone errichten. Dort würde die westliche Flugabwehr russische Raketen und Marschflugkörper abschießen. Solange in Moskau dieses Regime regiert, ist Kiew gut beraten, sich auf kein Abkommen, sondern allein auf militärische Stärke zu verlassen."