Die VOLKSSTIMME erkennt darin eher eine Annäherung an BSW-Chefin Wagenknecht: "'Liebe Sahra, willst du mit uns gehen? Wir tragen dich auf Händen und küssen dir die Füße!' So kann der gemeinsame Gastbeitrag der beiden landtagswahlgeplagten Ministerpräsidenten Kretschmer und Woidke sowie ihrem Möchtegern-Kollegen Voigt zum Ukraine-Krieg verstanden werden. Peinlich offen zeigen sie, dass sie (fast) alles tun würden, um mit Hilfe von Sahra Wagenknecht an der Regierungsmacht zu bleiben oder sie zu bekommen. Deren Ukraine-Bedingung haben sie schon mal erfüllt", konstatiert die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
"Kein Wunder, dass die Angebetete entzückt reagiert", beobachtet die RHEINISCHE POST: "Da geht jetzt was. Denn die Botschaften sind die, die Wagenknecht gebetsmühlenartig immer wieder sendet. Mehr Diplomatie, mehr Entschlossenheit hinsichtlich von Verhandlungen, weniger US-Raketen in Deutschland – Moskau wird jubeln, nachdem man sich zuvor schlau gemacht hat, wer da zu Stift und Papier gegriffen hat. Selbst wenn man die Forderungen für berechtigt hält, weiterhin gilt doch: Putin will nicht verhandeln, nicht einmal mit dem Kanzler telefonieren. Und wo bleibt eigentlich die Perspektive der Ukraine und der Länder, die sich direkt von Russland bedroht sehen bei dem, was die drei Weltpolitiker aus dem Osten sich vorstellen?", fragt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wundert sich, warum Kretschmer, Voigt und Woidke dem BSW nicht gleichzeitig Grenzen aufgezeigt haben. Denn: "Wagenknecht braucht die Koalitionen im Osten nicht weniger dringend als Union und SPD. Nur die Regierungsbeteiligung beschert ihrem raketenhaften Aufstieg die nächste Zündung – auf dem Weg in die Umlaufbahn Bundespolitik. Interessantwäre es ja zu erfahren, ob ein BSW in Sachsen oder Thüringen einer CDU-Minderheitsregierung die Zustimmung verweigert und gemeinsame Sache mit der AfD gemacht hätte. Der Nimbus der frischen Kraft wäre jedenfalls schnell dahin", notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die Zeitung JUNGE WELT stellt zweierlei fest: "Zum einen: Das BSW wirkt, bevor es in irgendeiner Form regiert. Zum anderen: Die weit über das BSW hinaus reichende Friedensbewegung hat Einfluss, bevor sie etwa Hunderttausende oder gar Millionen auf die Straße bringt. Mehr als 40.000 Demonstranten versammelten sich am Donnerstag in Berlin trotz gebetsmühlenartiger Diffamierung mit 'Querfront', 'von Putin bezahlt' oder 'naiv'. Der Dreiertext wurde bereits vor der erfolgreichen Großdemonstration geschrieben. Es bedarf keiner Prophetengabe, um vorherzusagen: Sollte die Stationierung neuer, atomwaffenfähiger US-Mittelstreckenraketen näherkommen, wird sich die Bundesrepublik wahrscheinlich größeren Protesten als in den 80er Jahren gegenübersehen" lautet die Prognose der JUNGEN WELT.
Themenwechsel: Die EU-Mitgliedsstaaten haben den Weg freigemacht für zusätzliche Zölle auf Elektroautos aus China. Deutschland allerdings votierte dagegen - nach einem Machtwort von Kanzler Scholz. Der SPIEGEL sieht das eher als ein Zeichen der Machtlosigkeit des SPD-Politikers: "Innenpolitisch hat er gezeigt, dass er die Ampel – in diesem Fall Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock – nur noch mit der Brechstange auf Linie bringen kann. Gegenüber Peking hat der Kanzler sich als erpressbarer Juniorpartner gezeigt, der im Zweifel lieber den Kotau wählt. In Brüssel wurde Deutschland wenige Stunden nach Scholz’ Machtwort überstimmt. Die EU-Kommission kann die Zölle nun einführen – egal, ob Scholz das passt oder nicht. Zudem hat er demonstriert, dass ihm die kurzfristigen Interessen heimischer Autohersteller wichtiger sind als die der EU, die nur geschlossen gegen China bestehen kann", befindet der SPIEGEL in einem Kommentar auf seiner Internetseite.
"Uneinigkeit in der EU spielt China nur in die Hände", unterstreicht auch die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Wirtschaftspolitisch ist die Entscheidung von Olaf Scholz dagegen richtig. Mit gegenseitigen Zöllen zu reagieren, hat dem internationalen Handel noch nie geholfen. Nun droht eine weitere Eskalation mit China – wenn der EU-Kommission bis zum Ende des Monats nicht doch noch eine Verhandlungslösung mit China gelingt."
"Weiß die EU-Kommission eigentlich, was auf dem Spiel steht?", überlegt die BERLINER MORGENPOST: "Es geht um die Zukunft der wichtigsten Industrie Deutschlands. Die Branche hat noch immer das Potenzial, die weltweite Konkurrenz abzuhängen, aber sie steht durch den Umstieg auf die E-Mobilität unter enormem Druck. Die Ignoranz, mit der Brüssel den Unternehmen fortwährend Knüppel zwischen die Räder wirft, ist deshalb gefährlich."
"Es geht der Europäischen Union nicht um die Elektroautos, sondern um internationale Machtpolitik", kritisiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Europa hat in der Vergangenheit die Öffnung von Märkten weiter vorangetrieben als die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik China. Was früher als Beitrag zum Wohlstand angesehen wurde, gilt in Zeiten der engeren Verschränkung von wirtschaftlicher Globalisierung und der Geopolitik großer Mächte in vielen Hauptstädten als Zeichen politischer Naivität. Früher wurden Protektionisten wegen des Schadens ausgelacht, den sie sich selbst zufügten. Heute gilt die Beteiligung am Wettstreit der Protektionisten als Ausdruck von Stärke. In einer Welt der Konfusion, die darum wetteifert, wie sich wirtschaftlicher Wohlstand am raschesten aushöhlen lässt, sollte die Bundesregierung die Fahne des Freihandels unbeirrt weiter hochhalten", wünscht sich die F.A.Z.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG hingegen findet es richtig, dass die EU-Kommission gegen unfaire Wettbewerbspraktiken vorgeht: "Doch selbst ohne Subventionen werden chinesische Hersteller wegen ihrer Größe sowie niedrigerer Produktions- und Rohstoffkosten einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil haben. Die Branche braucht ein Konzept, um die Folgen sinkender Umsätze in China abzufedern. Ein Kanzler, der das mit Nachdruck einfordert, würde Unternehmen und Beschäftigten mehr helfen als einer, der Pfründe verteidigt, die längst verloren sind", zeigt sich die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG überzeugt.
"Die Probleme der Europäer im wachsenden E-Auto-Segment sind zu groß, um sie durch Zölle zu lösen", bemerkt die STUTTGARTER ZEITUNG. "Die staatlich gelenkte Wirtschaft Chinas hat sich als zielstrebiger bei der Erschließung und Verarbeitung von Batterierohstoffen erwiesen als die vielstimmigen Europäer. Auch geringere Energie- und Arbeitskosten begünstigen die Produktion in China. Den Herstellern bleibt gleichwohl nicht erspart, zentrale Probleme selbst zu lösen: Vielen fehlen derzeit noch Elektroautos, die in puncto Geschmack und Preis den Kunden gefallen. Und die Abhängigkeit vom Absatz in China kann nur verringert werden, in dem neue Märkte beherzter erschlossen werden, etwa Südostasien und Indien", rät die STUTTGARTER ZEITUNG.
Auch die WIRTSCHAFTSWOCHE fordert in einem Kommentar ihres täglichen Newsletters verstärkte Anstrengungen der europäischen Autoindustrie an sich: "Unabhängig davon, ob die Ausgleichszölle im November scharf gestellt werden oder nicht, muss sie dringend wettbewerbsfähiger werden. Deutsche Autobauer brauchen heute etwas weniger als vier Jahre, um ein neues Produkt auf die Straße zu bringen – chinesische Unternehmen schaffen das in etwas mehr als zweieinhalb. Bei Volkswagen wird als Reaktion auf die Krise gerade eine Vier-Tage-Woche diskutiert – in China arbeiten selbst die Entwicklungsingenieure im Dreischicht-Betrieb. Wer 'best in class' sein will, wird dies weder durch Ausgleichszölle schaffen noch durch Abwrackprämien, sondern vor allem: durch Ambition." Mit diesem Zitat aus der WIRTSCHAFTSWOCHE endet die Presseschau.