08. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit weiteren Stimmen zum Jahrestag des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel. Daneben ist die finanzielle Situation der Pflegeversicherung Thema. Im Mittelpunkt steht jedoch der Rücktritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.

Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, am Rednerpult.
Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, ist zurückgetreten - das ist ein großes Thema in den Zeitungskommentaren (Archivbild). (picture alliance / Fotostand / Reuhl)
Dazu bemerkt die DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Als Generalsekretär war Kühnert eine feste Größe in den Talkshows, vermochte aber mit seiner Arbeit für die Partei nicht zu überzeugen. Zwar hielt er sich zurück mit seinen alten Juso-Thesen, etwa wonach jeder nur maximal den Wohnraum besitzen dürfe, in dem er selbst wohne; es gelang ihm aber nicht, den Parteiapparat auf Wahlkampf zu trimmen. Als die SPD bei der jüngsten Europawahl auf 13,9 Prozent abrutschte und ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt einfuhr, nahm das Murren über den Generalsekretär deutlich zu. Wenn Kühnert nun aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt, verdient er beste Genesungswünsche. Dass er den Bundestagswahlkampf organisieren würde, daran glaubte indes niemand mehr in der Parteizentrale", vermutet DIE RHEINPFALZ.
Die Zeitung DIE WELT meint, mit Kühnert verliere die SPD einen der "schlagfertigsten und unbestechlichsten Genossen, der, sei es bei Israel, sei es bei der Migrationsnaivität, sich gerne auch mal neben den Trampelpfaden linker Gemütlichkeit bewegt hat. Schon vor seiner Zeit als Generalsekretär gehörte er als Juso-Chef wie als stellvertretender Parteichef zu den wahrnehmbarsten Stimmen der Partei. So radikal Kühnert dabei oft agierte, so professionell konnte er diese Radikalität mit den Möglichkeiten der Realpolitik verrechnen. Anders als viele Klischees über ihn glauben lassen, war er immer ein Realo. Weil er das linke Herumspinnen als eher bourgeoises Hobby von Bürgerkindern wahrnahm, hatte er immer den Zug zum realpolitischen Tor", unterstreicht DIE WELT.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg findet: "Kevin Kühnert ist unbenommen einer der Talentierteren innerhalb der SPD-Führungsriege. Intelligent und argumentationssicher, versteht es der 35-Jährige, eine Debatte zu führen und zu lenken. Allerdings gilt dies nur innerhalb eines bestimmten Zirkels. Kühnert war mal populärer, sehr linker Jungsozialisten-Chef – eine Rolle, der er nie glaubwürdig entwachsen ist. Kühnert kämpfte mal gegen die GroKo mit der gleichen Vehemenz wie heute gegen die AfD. Wobei er die Rechtspopulisten immer noch so behandelt wie sein Kanzler – als würden sie bei kluger SPD-Politik von selbst wieder verschwinden. Die eigenen Maßstäbe immer wieder an zurechtgebogene sozialdemokratische Politik anzupassen, bedeutete einen Dauer-Spagat, dem sich der SPD-Generalsekretär nach knapp drei Jahren im Amt nicht mehr gewachsen sah", glaubt die VOLKSSTIMME.
Der Rücktritt sei auch persönlich tragisch, denn Kühnert brenne für die Sozialdemokratie, hebt die FRANKFURTER RUNDSCHAU hervor: "So einer geht nicht, wenn er nicht muss – nicht in dem Alter und mit den Perspektiven. Zwar wissen wir nichts über die gesundheitlichen Ursachen. Das ist zu Recht Privatsache. Tatsächlich ist es zuletzt jedoch öfter vorgekommen, dass Politikerinnen oder Politiker nicht mehr konnten, wie sie wollten. Die von den sozialen Netzwerken diktierte Härte und die bisweilen sogar physischen Angriffe im Zuge der gesellschaftlichen Polarisierung – derlei halten nicht alle aus. Die Törichten glauben, Politik sei ein Kinderspiel. Das Gegenteil ist richtig. Es gibt kaum einen anspruchsvolleren Beruf", vermerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht ein auf den Jahrestag des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel: "Auf den Antisemitismus, der nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober vor einem Jahr und dem sich anschließenden Gazakrieg sprunghaft angestiegen ist, besser gesagt: der sich unverschämter als früher offen zeigen will, hat Deutschland keine befriedigende Antwort gefunden. Wäre es anders, gäbe es nicht die vielen verstörenden Gelegenheiten, in denen sich dieser Judenhass, der sich teilweise als Israelhass tarnt, offen und provozierend, ja gar im Besitz moralischer Überlegenheit zeigen könnte. Ein Jahr nach der Kriegserklärung einer Terrororganisation müssen Gedenkrituale ins Gedächtnis rufen, was unerträglich, verboten und niederträchtig ist. Aber schon morgen beginnt wieder die absurde, wenn auch altbekannte Logik des Nahostkonflikts: Israelis die Täter, Palästinenser die Opfer." Das war die F.A.Z.
Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster betonen, nach einem Jahr Krieg im Nahen Osten sei kein Ende in Sicht - im Gegenteil: "Nach Gaza folgt nun die blutige Auseinandersetzung Israels mit den Terrormilizen im Libanon. Der Konflikt eskaliert zusehends. Dabei rückt eine der drängendsten Fragen immer weiter in den Hintergrund: Wie lässt sich dieser leidvolle Krieg beenden? Fest steht: Israel hat jedes Recht, sich konsequent zu verteidigen. Der jüdische Staat wurde und wird von den Terrormilizen von Hamas, Hisbollah und Huthi angegriffen, die unterstützt vom Mullah-Regime im Iran danach trachten, das Land und seine jüdische Bevölkerung auszulöschen. Diese dramatische Kulisse macht die Suche nach einer Exit-Strategie zwingend und versperrt zugleich einfache Auswege", urteilen die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN.
Das Magazin CICERO befürchtet eine offene militärische Konfrontation zwischen Israel und dem Iran: "Die Schwächung iranischer Angriffskapazitäten liegt im Sicherheitsinteresse Israels und der westlichen Welt – insbesondere, da eine atomare Bewaffnung Irans unter allen Umständen verhindert werden sollte. Der Iran zeigte durch die Angriffe im April und Oktober, dass er willens und in der Lage ist, Israel direkt anzugreifen. Nur aufgrund einer breiten Allianz der USA, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und regionaler Verbündeter wie Jordanien und Saudi-Arabien konnten die iranischen Angriffe abgewehrt werden. Die Bildung einer internationalen Anti-Iran-Koalition sollte daher weiter vorangetrieben und noch stärkere Sanktionen gegen den Iran angestrebt werden", empfiehlt CICERO.
Nun noch Stimmen zur Pfegeversicherung. Die BERLINER MORGENPOST verweist auf ein Milliardenloch und "Prognosen für das kommende Jahr sehen sogar eine noch schlimmere Lage. Ein Reförmchen, so wie bei der Rente, hilft jetzt nicht mehr weiter. Bei der gesetzlichen Altersvorsorge hatten sich SPD, Grüne und FDP noch damit beholfen, vor allem die jüngeren Menschen perspektivisch mit höheren Beiträgen zu belasten - und die Arbeitgeber. Das ist nicht nur ungerecht, sondern belastet auch den Wirtschaftsstandort. Deutschland ist schon jetzt ein Land mit hohen Steuer- und Sozialabgaben. Setzt die Bundesregierung diesen Kurs fort und drückt sich auch bei der Pflegeversicherung um notwendige Strukturreformen, nagt das weiter an der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands", mahnt die BERLINER MORGENPOST.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG glaubt, Bundesgesundheitsminister Lauterbach bliebe letztlich nur die Option, die Beitragssätze zu erhöhen: "Angeblich plant er bereits eine Anhebung um bis zu 0,3 Prozentpunkte. Moment, hatten wir das nicht schonmal? Ja, erst im vergangenen Jahr gab es eine Pflegereform, bei der die Beitragssätze kräftig anzogen. Offenbar aber nicht kräftig genug. Nun holt das Problem den Gesundheitsminister wieder ein. Um eine Beitragserhöhung kommt Lauterbach wohl kaum herum. Umso wichtiger, dass er dieses Mal richtig kalkuliert – damit die Beiträge nicht bald schon wieder steigen", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
ZEIT ONLINE findet, besser wäre ein ganz anderes Pflegesystem: "In Skandinavien ist man schon weiter. In Dänemark etwa wird aktivierende Pflege nicht nur schon seit den 1980er-Jahren umgesetzt, das gesamte System ist darauf ausgelegt, die Menschen so lange wie möglich selbstständig zu halten. Das ist nicht nur gut für die Menschen, sondern mindert auch die Ausgaben der Pflegekassen. Man kann nur hoffen, dass der Mediziner Lauterbach daran denkt, wenn er an dem Finanzierungskonzept für die Pflegeversicherung arbeitet." Das war zum Ende der Presseschau die Meinung von ZEIT ONLINE.