10. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird das diesjährige Schwarzbuch der Steuerzahler sowie die Verschiebung des Ukraine-Gipfels in Ramstein nach der Absage von US-Präsident Biden. Zunächst geht es aber um die Konjunkturprognose der Bundesregierung, die das zweite Jahr in Folge mit einer Rezession rechnet.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt teil.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat seine Konjunkturprognose deutlich nach unten korrigiert. (Archivbild) (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
"Dabei ist es wirklich egal, ob nun 0,2 oder 0,3 Prozent minus prognostiziert werden", findet das STRAUBINGER TAGBLATT: "Wichtig dagegen ist die sich daraus ergebende Feststellung, dass die Wirtschaft dieses Landes nicht in Schwung kommt, und das nunmehr schon seit fünf Jahren. Auch noch so viele Prognosen scheinen die Ampel-Koalitionäre nicht als Weckruf zu empfinden. Dabei ist die Botschaft doch so klar: Deutschland hat dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verloren, weil das Land als Produktionsstandort zu teuer ist. Die Politik hat vielmehr Rahmenbedingungen geschaffen, unter denen das Wirtschaften schwer geworden ist. Sie also ist in der Pflicht, Geld für den Aufschwung in die Hand zu nehmen und auf einer Vielzahl von Gebieten die Weichen neu zu stellen", konstatiert das STRAUBINGER TAGBLATT.
"Deutschland hat die Orientierung verloren", heißt es in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Mitten in der gefährlichsten geostrategischen Krise seit Ende des Kalten Krieges und der bedeutendsten ökonomischen Umwälzung seit der industriellen Revolution ist die Wirtschaftssupermacht im Herzen Europas ins Taumeln geraten. Das Land muss die Frage beantworten, wie es in einer zunehmend protektionistischen Weltwirtschaft bestehen will. Eine Strategie dafür hat die Bundesregierung nicht – im Gegenteil", kritisiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Sicher kann man dem Vizekanzler nicht jedes Problem der deutschen Industrie in die Schuhe schieben", konstatiert die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz: "Die Lage der Autohersteller zum Beispiel ist weitgehend selbst verschuldet. In der Bauwirtschaft allerdings ist sehr wohl Habecks unseliges Hantieren mit Förderrichtlinien und Vorschriften verantwortlich dafür, dass kein Stein mehr auf den anderen kommt. Das Gewürge innerhalb der Koalition ist ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu mehr Investitionen und Wirtschaftskraft. Robert Habeck möchte im kommenden Jahr Kanzlerkandidat der Grünen werden. Damit das nicht vom ersten Tag an zur Lachnummer gerät, sollte er schon bald mehr vorweisen können und weniger erklären müssen, als es bisher in seiner Amtszeit der Fall war", meint die ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Die politische Bilanz des Ministers Habeck ist durchwachsen", erinnert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Als Landesminister brachte er in Schleswig-Holstein unter günstigen Bedingungen den Ausbau der Windenergie voran. Als Bundesminister agierte er in seinem Kernbereich Klimaschutz glücklos. Das Heizungsgesetz wurde zu einer Pleite, auch weil handwerkliche Fehler gemacht wurden. Bei der sogenannten 'Arsch-hoch-Prämie' schätzte Habeck den Widerstand in der eigenen Partei und bei den Koalitionspartnern falsch ein. Und jetzt kommt mit der Konjunkturdelle der nächste Tiefschlag. Für eine Kanzlerkandidatur sind das keine guten Aussichten", glaubt der REUTLIGER GENERAL-ANZEIGER.
Die TAGESZEITUNGTAZ – unterstreicht, dass die schlechten Zahlen auch ein Resultat der schlechten Stimmung im Land seien: "Aber die versucht die Bundesregierung nicht ernsthaft zu drehen. Zwar hat sie mit der sogenannten Wachstumsinitiative ein ganzes Bündel von Maßnahmen für ein Ankurbeln der Konjunktur verabschiedet. Aber das Klein-Klein aus Steuererleichterungen, Abschreibemöglichkeiten und verbilligten Krediten ist schon vor Inkrafttreten verpufft. Dabei geht es um viel Geld. Allein die vorgesehenen Steuerentlastungen für 2025 und 2026 liegen bei 23 Milliarden Euro – wovon Bürger umso mehr profitieren, je mehr sie verdienen. Doch die Steuerentlastungen werden kaum einen Effekt haben. Angesichts der Lage sparen viele Menschen eher, als sich etwas zu leisten", notiert die TAZ.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz prognostiziert: "Die Wachstumsinitiative, ein Sammelsurium aus Nice-to-have-Maßnahmen, bringt nicht den Befreiungsschlag bei Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten, den sich die Wirtschaft wünscht. Zudem muss sie erst noch durch den Bundesrat, in dem die Ampel auf konstruktive Hilfe der Unionsländer angewiesen ist. Vor allem aber reicht die Wachstumsinitiative nicht, um das verlorene Vertrauen von Investoren und Konsumenten zurückzugewinnen. Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie, sagte Ludwig Erhard. Bei so vielen verunsicherten Menschen braucht es einen politischen Neuanfang. Zu hoffen ist, dass die nächste Regierung die Vertrauenswende schafft." Soweit die RHEIN-ZEITUNG. Und so viel zu diesem Thema.
Themenwechsel. In der neuen Ausgabe seines Schwarzbuchs kritisiert der Bund der Steuerzahler rund 100 Fälle von gravierender Verschwendung öffentlicher Gelder in Deutschland. "Was am jährlichen Schwarzbuch am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass sich nichts ändert", bemängelt die NÜRNBERGER ZEITUNG: "Politiker sollten sich nicht täuschen: Wenn sie über geringe Wertschätzung beim Wahlvolk klagen, dann hat das auch mit diesem Dauerärger zu tun. Immer höhere Abgaben, immer mehr Bürokratie auf der einen Seite und versenkte Steuermillionen auf der anderen sorgen nicht für gute Stimmung", ist in der NÜRNBERGER ZEITUNG zu lesen.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Seit über einem halben Jahrhundert sorgt das Schwarzbuch für allgemeines Vergnügen. Wie man empörende Kuriositäten wirkungsvoll präsentiert, das haben die Kollegen drauf. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Hier werden höchst unterschiedliche Fälle der Steuerverschwendung gezählt: Und das nicht nur, weil es mal um einige Tausend Euro geht und mal gleich um Milliarden. Auch das Versagen dahinter ist ganz unterschiedlicher Natur. Klar: Es ist öffentliches Geld. Wenn das Schwarzbuch wirken soll, darf es aber nicht beim Spott über 'die da oben' bleiben. Jedes Land, jede Kommune kann die Sammlung nutzen, um systemische Fehler aufzudecken", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Das für Samstag geplante internationale Gipfeltreffen zum Ukraine-Krieg im rheinland-pfälzischen Ramstein ist nach der Absage von US-Präsident Biden verschoben worden. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder kommentiert: "Zugegeben wäre die Bedeutung der Zusammenkunft von Ukraine-Unterstützern, die erstmals auf Gipfel-Ebene getagt hätten, vor allem symbolischer Art gewesen: ein hochrangiges Zeichen der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine, die militärisch immer mehr unter Druck gerät und vor ihrem vierten Kriegswinter steht. Genau deswegen steckt aber auch in der Absage ein Stück beunruhigender Symbolik, selbst wenn sich die Terminstreichung sehr konkret auf einen Hurrikan in den USA zurückführen lässt. Ohne die Amerikaner, so ein Teil der unfreiwilligen Botschaft, geht in Sachen Waffenlieferungen weiterhin nichts. Und zweitens: Die Unterstützung der Ukraine beginnt in der allgemeinen Aufmerksamkeit an Dringlichkeit zu verlieren", befürchtet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hebt hervor: "Auffällig ist, dass die Europäer die immerhin mehr als fünfzig Teilnehmerstaaten der Ramstein-Gruppe nicht einfach selbst versammeln. Es ist ja nicht so, dass es keinen aktuellen Beratungsbedarf über den Ukraine-Krieg gäbe. Dass die europäischen Staats- und Regierungschefs offenbar keinen Sinn darin sehen, über diese Themen mit Selenskyj zu reden, wenn Biden nicht dabei ist, zeigt ungeschminkt die geopolitische Lage: Amerika bestimmt den westlichen Kurs in Europas schlimmstem Krieg seit 1945. Deutschland ist der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, aber der amerikanische Beitrag ist viel größer als der deutsche, was vor allem militärisch ins Gewicht fällt." Mit diesem Kommentar aus der F.A.Z. endet die Presseschau.