17. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen blicken auf den sogenannten Siegesplan, den der ukrainische Präsident Selenskyj im Parlament in Kiew vorgestellt hat. Auch geht es um das italienische Asylzentrum in Albanien und die steigenden Krankenkassenbeiträge in Deutschland. Doch zunächst nach Kiew.

Auf diesem vom Pressedienst des ukrainischen Präsidenten via AP zur Verfügung gestellten Foto hält Wolodymyr Selenskyj die rechte Hand aud sein Herz.
Selenskyj hört die Nationalhymne vor seiner Rede in der Werchowna Rada. (Press Service Of The President O / Press Service Of The President O)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert den sogenannten "Siegesplan" wie folgt: "Der erste Punkt ist die sofortige Einladung der Ukraine in die NATO. Der ukrainische Präsident weiß, dass es von da bis zur Aufnahme ein weiter Weg wäre. Ihm geht es um die symbolische Bedeutung dieses Schritts: Der sei ein 'Zeugnis der Entschlossenheit'. Damit deutet der ukrainische Präsident auf den wunden Punkt in der westlichen Unterstützung für die Ukraine. Die Beteuerungen, man stehe an der Seite des angegriffenen Landes, können nicht übertönen, dass in der Bevölkerung und in wachsenden Teilen der politischen Führung der EU- und NATO-Staaten die Solidarität zu bröckeln beginnt", bemerkt die F.A.Z.
"Die NATO wird die Ukraine nicht während eines Krieges aufnehmen", prophezeit die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz. "Viel zu groß wäre die Gefahr, dass die Verbündeten aktiv in diesen eingreifen müssten. Eine direkte Konfrontation mit Russland will niemand riskieren. Daher wird auch keine Nation russische Drohnen oder Raketen über ukrainischem Gebiet abschießen wollen. Ebenso muss Selenskyj alleine versuchen, mit der Ukraine tiefer in russisches Territorium vorzudringen. Ob die Kraft dafür reicht - es darf stark bezweifelt werden. Die Wünsche des ukrainischen Präsidenten werden unerfüllt bleiben, da kann er noch so sehr mit Bodenschätzen locken", glaubt die ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Selenskyj wird den erhofften Sieg über Russland mit seiner Strategie nicht erringen können", schätzt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg. "Weil die Ukraine weder genug Waffen noch genügend Kämpfer haben wird, um die russische Militärmaschinerie auszuschalten. Das wissen die Ukrainer natürlich und versuchen, den Krieg auch zu dem ihrer NATO-Verbündeten zu machen. Dem hat sich die NATO richtigerweise verweigert. Aus einem regionalen Krieg würde ansonsten ein Kampf von Atommächten mit der Gefahr gegenseitiger Vernichtung werden. Der Ukraine hilft kein Siegestraum, sondern eine Friedenslösung." Das war die VOLKSSTIMME.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU verweist auf Folgendes: "Solange der russische Autokrat Putin nicht zu Friedensverhandlungen bereit ist, so lange ist Kiew auf Geld und Waffen der USA und der EU-Staaten angewiesen. Doch in Deutschland und den USA wird es immer schwieriger, diese Unterstützung zu organisieren. Sollten sich bei der kommenden Bundestagswahl jene durchsetzen, die das Ende von Waffenlieferungen fordern und in den USA Donald Trump als künftiger Präsident die Hilfen für Kiew einstellen, würde Russland wohl den Krieg, aber nicht den Frieden gewinnen. Darüber hinaus wird das Regime in Moskau seinen hybriden Krieg gegen den Westen im Allgemeinen und Europa im Speziellen fortsetzen." Sie hörten die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Und die Zeitung ND.DER TAG fasst zusammen: "Die westlichen Partner sollen Raketenangriffe auf tief in russischem Gebiet liegende Ziele zulassen, sollen an die Ukraine militärische Aufklärungsdaten durchreichen, gemeinsam mit der Ukraine Raketen und Drohnen in Russland abschießen. Unrealistische Forderungen zu stellen, macht wenig Sinn."
In Albanien ist das erste Schiff der italienischen Marine mit Asylsuchenden aus der Europäischen Union eingetroffen. "Melonis Flüchtlingsexport nach Albanien ist vor allem eine Bankrotterklärung der europäischen Asylpolitik", moniert die STUTTGARTER ZEITUNG und führt aus: "Sie könnte dennoch zum Musterfall werden. Diverse EU-Staaten erwägen, Asylverfahren in Drittstaaten zu verlegen. Auch Deutschland lässt das prüfen. Sofern rechtsstaatliche Verfahren gewährleistet sind, ist das nicht automatisch ein Sündenfall. Diese Art von Outsourcing kann über den Kontrollverlust an den EU-Außengrenzen aber nicht hinwegtäuschen. Die Europäische Union muss ihre Probleme selbst lösen."
"Ist das die Lösung?", fragt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg. "Italien schickt seine Asylbegehrenden nach Albanien, dort wird deren Antrag geprüft und dann zügig abgeschoben? Die Union ist begeistert, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, interessiert. Bundeskanzler Olaf Scholz möchte so etwas Ähnliches beim EU-Gipfel in Brüssel durchsetzen. Und alle schauen aufs kleine Albanien, das aus Asylverfahren Kapital schlägt. Zugleich aber hofft, im Falle seiner Kooperation schneller in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Nicht nur diese Erwartung könnte trügerisch sein. Fluchtursachen müssen bekämpft werden, nicht Flüchtlinge. Die Kriege in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen gehören zu den Hauptfluchtursachen. Der Albaniendeal? Ist eine untaugliche Antwort darauf", findet die RHEIN-NECAKR-ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT schreibt zum Umgang mit Geflüchteten in der Europäischen Union: "Von der Leyen verkauft die derzeit rückläufigen Zahlen in der EU als politischen Erfolg, lobpreist die Zusammenarbeit mit Libyen und Tunesien. De facto haben diese Abkommen wenig gebracht. Belegt sind Menschenrechtsverletzungen: Tunesische Beamte etwa setzen Flüchtlinge in der Wüste aus, teils ohne Wasser, um sie abzuschrecken. Bei den 'sicheren Drittstaaten' ist dasselbe zu befürchten. In einer Sachverständigenanhörung des Innenministeriums sagten Experten, ausgelagerte Asylverfahren seien menschenrechtskonform 'kaum vorstellbar', die Lager seien außerdem viel zu teuer und ineffizient. Europa lässt sich weitertreiben – und ist dabei, die Menschenrechte auszulagern", bemängelt das HANDELSBLATT.
Für das kommende Jahr wird mit höheren Zusatzbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gerechnet. Die FREIE PRESSE aus Chemnitz schreibt dazu: "Unser Gesundheitssystem befindet sich in einer schweren Krise. Die Ausgaben der Kassen steigen viel schneller als die Einnahmen – durch Inflation und höhere Gehälter, durch Entbudgetierung von Ärzten, explodierende Arzneimittelpreise, innovative, aber teure Behandlungsverfahren in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Zudem trickst Bundesgesundheitsminister Lauterbach, indem er den Kassen und damit den gesetzlich Versicherten immer mehr Kosten aufbürdet, die er aus Steuergeld finanzieren müsste: für Bürgergeldempfänger, Digitalagentur und nun noch für die Krankenhausreform. Privatversicherte dürfen sich all dem entziehen. Das gefährdet das Beste, was unser Gesundheitssystem zu bieten hat: das Solidarprinzip." Sie hörten einen Auszug aus der FREIEN PRESSE.
DIE WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster analysieren: "Die Schieflage im Gesundheitssystem fußt vor allem auf der Trennung zwischen gesetzlich und privat Versicherten. Eine Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin, in der getrennte Wartezimmer noch das kleinste Übel sind, könnte die Beiträge laut Experten um bis zu drei Prozentpunkte senken. Nun ist ein solcher Schritt von einer Koalition, die sich nicht einmal auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze für das kommende Jahr einigen will, nicht zu erwarten. So bleibt nur eins: Zusatzbeiträge vergleichen und im besten Fall die Krankenkasse wechseln", so die Empfehlung in den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN.
Und die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz verweist auf Folgendes: "Die Beitragszahler müssen für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger ebenso aufkommen wie für die Pflegesonderausgaben aus der Corona-Zeit. Dabei sind das Lasten, die alle – auch Beamte, Pensionäre und Selbstständige – mittragen müssten. Das gilt erst recht für die Krankenkassenbeiträge der Bürgergeldempfänger. Anstatt Chiphersteller und Meyer-Werft zu subventionieren, sollte die Ampel dafür sorgen, dass alle für versicherungsfremde Leistungen aufkommen. Kassenpatienten und Unternehmen sind nicht die Melkkühe des deutschen Sozialstaates." Mit diesem Kommentar aus der RHEIN-ZEITUNG endet die Presseschau.