
"Den ersten Nachweis für ein gewisses Verhandlungsgeschick konnten die beiden Neuen an der Spitze der Linken schon abliefern, bevor sie gewählt wurden. Ines Schwerdtner und Jan van Aken schafften es, auf dem Bundesparteitag einen Eklat um die Themen Nahost und Antisemitismus wie beim Berliner Landesparteitag zu umschiffen. In ihren Bewerbungsreden hatten beide klargemacht: Die Linke soll wieder mit einer Stimme sprechen und sie soll Hoffnung machen. Das kann die Partei definitiv gebrauchen. Denn nach dem 2,7-Prozent-Debakel bei der Europawahl, hohen Verlusten in der Hochburg Thüringen, der nur knappen Rettung in Sachsen und dem Landtags-Aus in Brandenburg war die bisherige Spitze aus Janine Wissler und Martin Schirdewan frustriert vorzeitig zurückgetreten", lesen wir in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen konstatiert: "Die prekäre politische Situation wird für die Linkspartei zur existenziellen Bedrohung. Keine andere Partei ist so ausgezehrt wie sie. Das alte Problem der Linken ist trotz aller Tiefschläge und Abstürze indes nicht kleiner geworden: Den Ton gibt das Lager derer an, denen der Kampf um eine neue Weltordnung wichtiger ist als die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort. Da wirkt es nachgerade rührend, dass die Linken-Granden Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow mit bewährten 'Brot-und-Butter-Themen' aus dem Reservoir der klassischen Sozialpolitik im Wahlkampf von Tür zu Tür ziehen wollen. Es wäre blanke Ironie der Geschichte, wenn die Pragmatiker drei Direktmandate erringen würden, was den Fundamentalisten ermöglichen würde, in den Bundestag einzuziehen", meint die RHEINPFALZ.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Deutschland braucht eine demokratische linke Partei. Eine Partei, die die gegenwärtigen Sorgen der Menschen in den Mittelpunkt rückt, die ja im Grunde ohnehin linke Kernthemen sind: horrende Mieten, die sich auch Normalverdiener in den Großstädten kaum leisten können; Lebensmittelpreise, die den Einkauf im Supermarkt für zu viele zur Belastung werden lassen; fehlende Pflege- und Lehrkräfte sowie fehlende Kita-Plätze. Die Liste der Probleme, die die Menschen umtreiben, ist lang und bietet genug Raum für linke Positionen. Demokratie lebt von der Vielfalt, von der Debatte, von der Kontroverse und vom Gegenstandpunkt. Insofern wäre es nicht nur für sie selbst bitter, wenn die Linke den Einzug in den nächsten Bundestag verpasste", bilanziert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST notiert zur neuen Co-Vorsitzenden der Partei: "Die Publizistin Schwerdtner war erst 2023 der Linken beigetreten. An diesem Wochenende, nur ein Jahr später, wurde sie - gemeinsam mit Jan van Aken - zur Parteichefin gewählt. Vorsitzende der Linkspartei, das war zuletzt kein Job, für den die Leute Schlange standen. Die Partei ist, 17 Jahre nach der Fusion von PDS und WASG, in einer existenzbedrohenden Situation. Zur vergangenen Bundestagswahl rettete sich die Linke noch über Direktmandate und die Grundmandatsklausel knapp ins Parlament. Doch seitdem ging es stetig abwärts - in Umfragen steht die Partei bundesweit zwischen zwei und vier Prozent, der kompletten politischen Bedeutungslosigkeit bedrohlich nahe." Das war ein Kommentar der BERLINER MORGENPOST.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus betont: "Was die Linkspartei vom BSW und von anderen abhebt, ist das Bekenntnis zum Internationalismus. Die Partei könnte alle einsammeln, die zu der Minderheit gehören, die die Fixierung auf die Nation ablehnt. Für alle, die es ablehnen, Migranten für alle gesellschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen und die sozial nicht nach unten treten wollen. Genau das hat die neue Parteiführung vor. Allerdings sind es nicht viele, die gegenwärtig solche Positionen vertreten oder Verständnis dafür haben. Hoch, die internationale Solidarität? Das scheint völlig aus der Zeit gefallen", befürchtet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Und damit zu den Regierungsbildungen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Im Fokus stehen dabei die Parteien CDU und BSW. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm stellt fest: "Keine Frage, dass Sahra Wagenknecht eher die Bundestagswahl 2025 als die Betreuung Thüringer Grundschulkinder im Blick hat. Prompt wurde vom BSW das bislang Erreichte wegen der 'Friedensfrage' wieder mit einem Fragezeichen versehen. Und auch in der Union ist das bundesweit höchst strittige Bündnis lange noch nicht durch. Am Ende könnten die Konflikte innerhalb der verhandelnden Parteien größer sein als unter den potenziellen Koalitionspartnern vor Ort", warnt die SÜDWEST PRESSE.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE vermutet: "Ausgerechnet ihr schneller Erfolg könnte Wagenknecht zum Verhängnis werden. Missbraucht sie ihre Rolle für taktische Spielchen, für Putin-Propaganda und Polemik gegen den Westen, könnte sie potenzielle Sympathisanten abschrecken. Zeigt sich das BSW hingegen pragmatisch, wird es noch vor der Bundestagswahl seinen Anfangszauber verlieren, der ja vor allem darin besteht, alles fordern und behaupten zu können, aber für nichts Verantwortung übernehmen zu müssen. Dann wird Sahra Wagenknecht ihr Rendezvous mit der Realität erleben. Ohne Kerzenschein", so die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden befasst sich mit einem offenen Brief ehemaliger CDU-Abgeordneter, die vor einer Zusammenarbeit mit BSW-Gründerin Wagenknecht warnen und sie als "Neobolschewistin" bezeichnen: "Mal abgesehen davon, dass solche heldenhaften offenen Briefe von Altvorderen, die keine Verantwortung mehr fürs Land zu tragen haben, immer ein wenig verzweifelt und zugleich wohlfeil wirken: Mit dem früheren KGB-Mitarbeiter und russischen Diktator Putin haben die Absender offenbar weniger Probleme. Und wo waren denn all die offenen Briefe in den vergangenen Monaten, als Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer in der Russland-Frage immer wieder der Grundhaltung seiner eigenen Partei widersprochen hat? Im Wahlkampf hat sich wohl in Sachsen keiner aus der Deckung getraut", bemerkt die SÄCHSISCHE ZEITUNG.
Heute beginnt in Kolumbien die UNO-Konferenz zur biologischen Vielfalt. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG führt aus: "Das Artensterben mag medial weniger präsent sein als der Klimawandel. Es ist aber genauso schlimm. Von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten droht eine Million gerade auszusterben. Die Wildtierpopulationen sind in 50 Jahren um 73 Prozent eingebrochen. Das alarmiert nicht nur verträumte Naturfreunde, sondern auch nüchterne Akteure wie den Gesamtverband der Versicherer. Unser Wirtschaftssystem ist auf Tiere und Pflanzen nämlich angewiesen", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der TAGESSPIEGEL erinnert daran, dass über 500 global agierende Finanzinvestoren strengere Regeln für den Umweltschutz fordern: "Nicht nur Ökoaktivistinnen und -aktivisten, auch die Finanzlobby schaut genau hin, wenn die Weltnaturkonferenz startet. Nahrungsmittel, Brennstoffe, sauberes Wasser oder gesunde Böden sind nach Ansicht vieler Forscher als Dienstleistungen der Natur zu verstehen, deren Wert in den Bilanzen der Unternehmen aber bislang viel zu wenig Beachtung findet. Kein Wunder, dass die Investoren seit Jahren versuchen, die Unternehmen, in die sie investieren, zur klimaneutralen Transformation zu überreden. Sie tun das nicht aus Mitleid mit ein paar aussterbenden Käferarten, sondern, wie sie selbst schreiben, um 'den Wert ihres Portfolios zu sichern und langfristig Renditen für ihre Begünstigen und Kunden zu erwirtschaften, wie es ihrer treuhänderischen Pflicht entspricht.' Das sollte diejenigen aufhorchen lassen, die hinter jeder klimaschutztechnisch sinnvollen Maßnahme immer gleich ein Verbot wittern oder die drohende Deindustrialisierung Deutschlands heraufbeschwören."