23. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Rede von Bundeskanzler Scholz auf dem Arbeitgebertag in Berlin sowie die Genehmigung des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes. Zunächst geht es aber um das Treffen der sogenannten BRICS-Staaten in Russland.

Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßt seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.
Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßt seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping . (imago / SNA / Sergey Bobylev)
Der SÜDKURIER hebt hervor: "Für Wladimir Putin ist das Treffen in seinem Land vor allem eine große Bühne. Demonstrativ will der russische Präsident dem Westen zeigen, dass er trotz all seiner Gräueltaten in der Ukraine noch immer mächtige Freunde hat. Aber wie zwischen Menschen gilt auch zwischen Ländern: Echte Freundschaft bedarf keiner ständigen öffentlichen Vergewisserung. Tatsächlich muss Putin zu Recht fürchten, dass seine angeblich so engen Partner sich jederzeit von ihm abwenden können. Vor allem für China und Indien ist ein guter Draht zu Russland nur so lange interessant, wie sie dafür billiges Öl und Gas erhalten", schreibt der SÜDKURIER aus Konstanz.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg sieht es ähnlich: "Gäste wie China, Südafrika, Indien oder Brasilien versprechen sich von ihrem Engagement eine spezielle Form von internationaler Anerkennung. Sie hoffen auf Geschenke, die Putin reichlich im Gepäck zu haben verspricht: Rohstoffe, Absatzmärkte, eine Rolle im weltweiten Machtgefüge. Was viele BRICS-Teilnehmer eint: Ein eher nachlässiges, bestenfalls zweckgebundenes Verhältnis zu Grundwerten wie Demokratie und Menschenwürde."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG betont: "Dass der Verbund an Attraktivität gewonnen hat, zeigt die Tatsache, dass sich ihm in diesem Jahr auch Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate angeschlossen haben. Noch mehr Länder bekunden Interesse; sogar das NATO-Land Türkei liebäugelt mit einem Beitritt. Die Aussicht, die Dominanz des Westens als vorrangigem Nutznießer globaler Verflechtungen im Kielwasser einer multipolaren Weltordnung brechen zu können, entfaltet offenbar eine nicht zu unterschätzende Anziehungskraft", folgert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Die BRICS sind ein Scheinriese", findet hingegen die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Die Plattform steht zwar für 45 Prozent der Weltbevölkerung, doch das nur dank der bevölkerungsreichen Staaten China und Indien. Und die sind Konkurrenten und keine Bündnispartner. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben die BRICS seit nunmehr gut 20 Jahren auch nicht vorangetrieben. Das einzige, was die Staaten verbindet, ist ihre nicht unberechtigte Klage gegen die US-dominierte Weltordnung. Doch Vorschläge, wie die Weltbank oder gar die Vereinten Nationen so modernisiert werden können, dass die veränderten weltweiten Machtverhältnisse besser dargestellt werden können, sind nicht bekannt." Wir zitierten die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung DIE WELT kritisiert die Teilnahme von UNO-Generalsekretär Guterres an dem Gipfel: "Im russischen Kasan kommen Nationen zusammen, die mit Sicherheit auch eine neue Weltordnung im Blick haben: Dass er sich mit ihnen gut stellen will, daran hat der UNO-Chef wenig Zweifel gelassen. Nicht zuletzt mit seiner eher einseitigen Haltung zum Nahost-Konflikt. Dass er die Einladung nach Russland nun annahm, mag insofern kaum mehr überraschen. Aber sie entsetzt. Es ist Putins Versuch einer ultimativen Machtdemonstration, und der Generalsekretär des Weltgremiums flankiert ihn bereitwillig", unterstreicht DIE WELT.
Themenwechsel. Die KIELER NACHRICHTEN kommentieren die Rede von Bundeskanzler Scholz auf dem Arbeitgebertag in Berlin und kommt zu dem Schluss: "Nein, der frühere Arbeitsrechtler Olaf Scholz und die Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft werden keine Freunde mehr. Zwar waren Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und der Bundeskanzler bemüht, einen Schlagabtausch auf offener Bühne zu vermeiden, die Unterschiede bei der Bewertung der Lage aber wurden auch so allzu deutlich. Die Arbeitgeber werfen Scholz vor, die schwindende Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nicht nur hinzunehmen, sondern mit der Ampel-Politik sogar zu beschleunigen. Der Kanzler wiederum sieht die Leistungen seiner Regierung bei der Bewältigung der Energiekrise nicht ausreichend gewürdigt", beobachten die KIELER NACHRICHTEN.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hält fest: "In weniger als einem Jahr ist Bundestagswahl, und schon jetzt zeichnet sich ab, dass die wirtschaftliche Lage im Zentrum des Wahlkampfs stehen wird. Olaf Scholz hat das erkannt, weshalb die Rettung der Industrie inzwischen prominent auf der sozialdemokratischen Agenda steht. Das Problem ist nur, dass 'die Wirtschaft' mindestens in Gestalt der sie tragenden Verbände mäßig gut auf den Kanzler und dessen Wirtschaftspolitik zu sprechen ist. Zu lange hat Scholz so getan, als sei die Lage bloß ein Haltungsproblem. Nach dem Motto: Wenn die Firmen nur leiser heulen würden, könnten alle anderen besser hören, was diese Regierung schon Großes zustande gebracht hat. Der Kritik der Wirtschaft an der Sozialpolitik der Ampel wiederum – von der Rente bis zum Bürgergeld – kann Scholz ohnehin nur wenig entgegensetzen. Denn für seine SPD ist das Soziale per se nur sehr bedingt verhandelbar", meint die SZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG wirft der Bundesregierung eine verfehlte Industriepolitik vor: "Es wäre sinnvoll, das Lieferkettengesetz nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten abzuschaffen, wie es der Bundeskanzler auf dem Arbeitgebertag in Aussicht stellte. Weitere bürokratische Hürden müssten fallen, um den Unternehmen mehr Luft zum Atmen zu geben. Keinesfalls nützlich für den Standort ist ein Rentenpaket, das ältere Transferempfänger (die letzte Kernwählerschaft der SPD) zulasten von aktiven Arbeitnehmern (einer ehemaligen Kernwählerschaft der SPD) begünstigt", führt die F.A.Z auf.
Die Zeitung ND.DER TAG kommt zu einer anderen Einschätzung: "Seit Monaten poltert die Unternehmenslobby gegen die angeblich überbordende Bürokratie in Deutschland und fordert Entlastungen. Einige Lobbyisten haben vor allem dem Lieferkettengesetz den Kampf angesagt – mit Erfolg: 'Das kommt weg und zwar noch dieses Jahr', versprach Kanzler Olaf Scholz jetzt beim Arbeitgebertag. Zuvor hatte bereits Wirtschaftsminister Robert Habeck zugesichert, er wolle die 'Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen'. Das Ding, wohlgemerkt, war ein Prestigeprojekt der Grünen. Tatsächlich wird die Kettensäge in vielen Weltregionen vor allem im globalen Süden angeworfen – um Flächen zu gewinnen für den Anbau von Produkten, die auch nach Deutschland geliefert werden. Ganz zu schweigen von Kinderarbeit und miesen Löhnen in der Lieferkette", argumentiert die Zeitung ND.DER TAG.
Die Bundesnetzagentur hat das Wasserstoff-Kernnetz für Deutschland genehmigt. Bis 2032 sollen nach den Plänen der Bundesregierung über 9.000 Kilometer an Leitungen entstehen. Die FREIE PRESSE aus Chemnitz ist vom Erfolg des Infrastruktur-Projekts noch nicht überzeugt: "Wie viel Wasserstoff Deutschland selbst herstellen kann und wie viel andere Länder liefern können, ist noch völlig unklar. Kein Unternehmen wird seine Produktion umstellen, wenn es nicht weiß, ob überhaupt Wasserstoff verfügbar ist – und wenn ja, zu welchem Preis. Die Bundesregierung muss den Unternehmen beweisen, dass es sich lohnt, den Weg der Wasserstoffwirtschaft weiterzugehen. Ein Leitungsnetz, durch das kein Wasserstoff fließt, nützt niemandem etwas. Dann hätte Wirtschaftsminister Habeck lediglich eine 9.000 Kilometer lange Investmentruine geschaffen", warnt die FREIE PRESSE.
Die LANDSHUTER ZEITUNG gibt zu bedenken: "Das Kernnetz ist tatsächlich nur eine Art Autobahn. Wie der Wasserstoff das nächste Gewerbegebiet oder das 20 Kilometer entfernte Industrieunternehmen erreicht, ist offen. Es gibt weder einen Bau- noch einen Finanzierungsplan. Robert Habeck sollte deshalb die Chance ergreifen, jetzt noch nachzubessern. Andernfalls wird die Planung beim sich anbahnenden nächsten Regierungswechsel wieder zerpflückt und alles geht von vorne los", befürchtet die LANDSHUTER ZEITUNG zum Ende der Presseschau.