24. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zu den diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe in Nahost und zum BRICS-Gipfel im russischen Kasan. Doch zunächst ins Inland. Aus der Koalition kommen unterschiedliche Vorschläge zur Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Dazu schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht bei einem Pressestatement zur Modernisierungsagenda.
Habeck zu Modernisierungsagenda (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
"Der Kanzler lädt zum Industriegipfel, und der Wirtschaftsminister legt eine Modernisierungsagenda vor. Derweil verkündet der Finanzminister, mit welchen Bürgergeld-Kürzungen er die Staatsfinanzen schonen möchte. Egal, wie man jeden einzelnen Vorschlag bewertet: So wird das nichts. Um die lahmende Wirtschaft wieder flott zu machen, müssen die Regierungsparteien an einem Strang ziehen. Stattdessen setzt jeder der drei führenden Ampel-Politiker schon jetzt seine Duftmarken für den Bundestagswahlkampf 2025. Für solche Mätzchen ist die Lage zu ernst: Deutschland blickt auf bald zwei Jahre zurück, in denen die Wirtschaft geschrumpft ist. Während sich der Rest Europas und die meisten Industriestaaten von Pandemie, Energiekrise und Inflation erholen, fällt die aktuell noch drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zurück", bemerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die VOLKSSTIMME konstatiert: "Der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Habeck, einen Investitionsfonds für die Wirtschaft einzurichten, macht deutlich: In Berlin ist die Erkenntnis angekommen, dass die Lage der Wirtschaft krisenhafte Züge trägt und das Wachstumspaket nicht ausreicht. Habecks Vorschlag ist eine volle Breitseite gegen den Koalitionspartner FDP, der sich vehement gegen weitere Schulden stellt. Somit stehen sich zwei Konzepte gegenüber: Während Union, FDP wie Wirtschaft geringere Lohnnebenkosten einfordern und damit das Sozialsystem abbauen wollen, setzt das Gegenmodell auf Steueranreize. Das hat in den 1990er Jahren funktioniert, mit Sonderabschreibungen im Wohnungsbau. Die Branche boomte damals, weil es für Bauherren steuerlich äußerst lukrativ war. Außerdem hätte Habecks Weg den Vorteil, dass nicht nur große Konzerne von Milliarden des Steuerzahlers profitieren, sondern auch kleine Unternehmen. Teufelszeug sind Habecks Gedanken somit nicht", findet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Das HANDELSBLATT argumentiert anders: "Der grüne Vizekanzler produziert wieder einmal nur Wunschdenken. Sein aktueller Plan einer Investitionsprämie in Höhe von zehn Prozent für alle Unternehmen, also auch für Handwerksbetriebe sowie kleine und mittelständische Betriebe, ist zwar wunderbar anzusehen. Doch der Plan ist politisch nicht durchsetzbar. Die Wirtschaft steckt in der Rezession, der Jobabbau ist im vollen Gang, da braucht es ernsthafte Politik", fordert das HANDELSBLATT.
"Kurz vor der Steuerschätzung an diesem Donnerstag gießt Habeck nun noch einmal Öl ins Ampelfeuer", heißt es im STRAUBINGER TAGBLATT. "So ehrenwert Habecks Motiv auf der einen Seite auch sein mag, nämlich der deutschen Wirtschaft wieder auf die Sprünge zu helfen, so durchsichtig ist es auf der anderen Seite auch. Im allmählich beginnenden Bundestagswahlkampf will Habeck als Minister punkten, der Deutschlands Unternehmer nicht im Rezessionsregen stehen lassen würde - und Lindner gleichzeitig als den Mann vorführen, an dem alles scheitert, weil er auf der Schuldenbremse steht und kein frisches Geld mehr locker macht." Wir zitierten das STRAUBINGER TAGBLATT.
Die Zeitung ND DER TAG schreibt: "Mit dem Investitionsfonds aus dem Werkzeugkasten der neukeynesianischen Wirtschaftspolitik könnte der Grünen-Politiker gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits die zuletzt chronische Investitionszurückhaltung des hiesigen Kapitals beenden, um es auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu halten; andererseits könnte er damit auch den miesen Umfragewerten der Grünen und der schlechten Stimmung in den Wirtschaftsverbänden begegnen", schlussfolgert ND DER TAG.
Nun in den Nahen Osten. Derzeit gibt es wieder verstärkt diplomatische Bemühungen um eine Feuerpause für den Gazastreifen und den Libanon. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER beobachtet: "Wieder reist der US-Außenminister, wieder reist die deutsche Außenministerin in die Region. Wieder gibt es die Appelle zur Mäßigung. Wieder heißt es, jetzt sei doch ein guter Zeitpunkt, diesen Konflikt zu beenden. Aber es passiert das Gegenteil: Der Konflikt zieht immer weitere Kreise. Israels Truppen bewegen sich von Gaza in Richtung Libanon und nehmen den Iran in den Blick. Immer mehr Menschen verelenden und sterben. Hoffnungslos verfahren wirkt diese Konstellation, den Kriegsherren beider Seiten scheinen die zivilen Opfer herzlich egal zu sein. Und doch ist es keine Option, die Vermittlungsversuche einzustellen. Aber wie sich zeigt, reicht freundliches Bitten allein nicht. Sowohl Israels Regierung als auch der Iran als Kommandozentrale von Hamas und Hisbollah müssen sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass es nicht nur im Interesse der Region, nicht nur im Interesse der Zivilbevölkerung, sondern auch in ihrem eigenen Interesse ist, nicht mehr gegeneinander anzurennen. Der Druck auf beide Seiten muss steigen", verlangt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG übt Kritik am israelischen Militäreinsatz: "Kämpfen um des Kämpfens willen – das ist der Weg, auf den Premierminister Netanjahu und seine rechtsextremen Partner das Land einschwören. Solange die Feinde kleingehalten werden, fragt niemand nach einem Ausstiegsszenario aus dem Kreislauf der Kämpfe oder einer politischen Lösung der Konflikte. Doch ein endloser Krieg ohne Sinn und Ziel droht Israel zu zerstören – seine Demokratie, seine Wirtschaft, seine Werte und dazu noch die Beziehung zu den engsten Freunden", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Zum Schluss der Blick ins russische Kasan, wo heute der BRICS-Gipfel endet. Die RHEIN-ZEITUNG schreibt zum russischen Präsidenten Putin: "Die Bilder vom fröhlichen Kriegsverbrecher im Kreis von vermeintlichen Freunden beim Gipfel in Kasan stellen eine Zeitenwende der anderen Art dar. Der Versuch des Westens, den Angriffskrieger Wladimir Putin weltweit zu isolieren, sind erkennbar gescheitert. Selbst das NATO-Mitglied Türkei macht ihm beim BRICS-Gipfeltreffen in Russland die Aufwartung. Und dass UNO-Generalsekretär António Guterres die Einladung zum Friedensgipfel der Ukraine ausschlug, sich jetzt aber in den Kreis der BRICS-Staatenlenker in Russland begibt, ist nicht nur ein Skandal erster Ordnung, sondern macht auch klar, warum die einst belächelte anti-westliche Staatengemeinschaft so wichtig werden konnte", analysiert die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Die Zeitung DIE GLOCKE kommentiert: "Geächtet auf diplomatischem Parkett, wie die Unterstützer der Ukraine es gern sähen, ist der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Kriegsverbrecher Putin keineswegs. Da lügen die Bilder aus Kasan nicht. Trotzdem, der Diktator aus Moskau überschätzt seinen Einfluss darauf, die Länder des globalen Südens hinter sich zu scharen im Kampf gegen die freiheitlich gesinnten Demokratien des Westens. Das lose BRICS-Bündnis gleicht einem bunten Flickenteppich widerstreitender Interessen. Einigkeit bei wirtschaftlichen und geopolitischen Zielen herrscht selten. Während Russland und zuvorderst China die von den USA dominierte Weltordnung ins Wanken bringen wollen, wissen Brasilien und Indien den Handel mit den Partnern im Westen gewinnbringend für sich zu nutzen." Das war DIE GLOCKE aus Oelde.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG thematisiert die Teilnahme von UNO-Generalsekretär Guterres am BRICS-Gipfel: "Ihm mussten vorher zwei Dinge klar sein: Zum einen wird er im Gespräch mit Wladimir Putin nichts erreichen, was dessen Krieg gegen die Ukraine einem Ende auch nur ein wenig näher bringt. Und zum anderen macht er sich zum Teilnehmer einer Propaganda-Show des russischen Regimes, das mit der Veranstaltung in Kasan beweisen will, dass es trotz des offenen Bruchs mit der UNO-Charta durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine international nicht isoliert ist."