28. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Ergebnisse der Weltsynode der katholischen Kirche sind Thema, ebenso wie die Wahlen in Georgien und der israelische Angriff auf den Iran. Zunächst geht es aber um die verschiedenen nicht abgesprochenen Vorstöße der Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner sitzen in der Regierungsbank im Bundestag und blicken auf ihre Handys.
In der Ampelkoalition gibt es Streitigkeiten über die Wirtschaftspolitik. (IMAGO / Emmanuele Contini / IMAGO / Emmanuele Contini)
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER schreibt: "Olaf Scholz sucht angesichts der Wirtschaftsflaute nach Auswegen und lädt zu einem Wirtschaftsgipfel ins Kanzleramt. Das Außergewöhnliche dabei: Weder der Wirtschaftsminister noch der Finanzminister sind eingeladen. Das kann man als Kapitulation der Ampel-Regierung verstehen. Offenbar glaubt auch der Kanzler angesichts des Dauerstreits in zentralen Fragen nicht mehr an eine Einigung der drei ungleichen Partner und macht einfach sein Ding. Scholz beugt sich den Forderungen seiner Partei und will künftig stärker sichtbar machen, was seine Position und die der Genossen ist. Die Folge ist: noch mehr Streit", kritisiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist zu lesen: "Kennzeichnend für die letzte Phase des Ampelzerfalls ist die zunehmend sichtbare Zerrüttung der letzten noch intakten Dreierbeziehung – jener aus Scholz, Habeck und Lindner. In dieser Woche richtet Scholz einen Industriegipfel aus, bei dem er seine beiden Mitstreiter für entbehrlich hält, weshalb Habeck – immerhin der Wirtschaftsminister – ein eigenes Wirtschaftskonzept verbreitet hat und Lindners Fraktion zum Gegengipfel des Scholz-Gipfels lädt. Scholz wirft den beiden nun vor, sie bespielten 'Theaterbühnen', indem sie 'irgendetwas' präsentierten, um sich selbst 'vorzuführen'. Das ist mehr als eine Ermahnung durch den Regierungschef, das kommt offener Verachtung nahe. Angesichts ihrer Umfragewerte hätten alle Ampelpartner Interesse daran, bis zum Wahltermin Ende 2025 durchzuhalten. Doch inzwischen sind die Animositäten selbst im Ampelkern so gewuchert, dass am Ende womöglich nicht allein Sachfragen wie der Haushalt 2025 das frühzeitige Ende auslösen könnten, sondern schlicht der Widerwille der Spitzenleute dagegen, miteinander zu tun zu haben. So weit die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint: "Die Koalitionspartner mögen keine Wette mehr eingehen, dass ihr Bündnis die Schlussverhandlungen über den Haushalt im November übersteht. Am ehesten könne sie noch ein Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl zusammenschweißen, lautet der Galgenhumor in der Koalition. Hoffnung auf Trump als Retter der Ampel? Tiefer könnte sie nicht sinken."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU betont: "Bei allem, was knirscht in Deutschland: Wir werden beneidet um Frieden, Freiheit, unsere Justiz, unsere Gesundheitsversorgung, unser Sozialsystem, unseren Wohlstand. Viele Debatten, ob in der Politik oder zu Hause am Küchentisch, enden inzwischen trotzdem mit einem Gefühl der Erosion. Es bräuchte dringend eine Kraft, die der Stimmung im Land Zuversicht entgegensetzt. Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung."
"Alle müssen sich bewegen: aufeinander zu", mahnt der Berliner TAGESSPIEGEL: "Im Grunde nämlich wollen die Partner das Gleiche. Das zeigt ja doch die vor einiger Zeit vereinbarte Wachstumsinitiative der Ampelregierung. Aber klar, wer sich einmauert hinter der Schuldenbremse, kommt dahinter nicht so schnell hervor. Nur jetzt muss er weg, der Mörtel."
In Georgien hat die pro-russische Regierungspartei die Parlamentswahl nach offiziellen Angaben gewonnen. Allerdings gibt es Zweifel an dieser Darstellung. Die TAGESZEITUNG notiert: "Vielleicht wird man nie erfahren, wie viele Wähler*innen in Georgien am Samstag wirklich für die Regierungspartei Georgischer Traum gestimmt haben und deren plumper Antikriegspropaganda auf den Leim gegangen sind. Doch dessen ungeachtet ist das Ergebnis für die Opposition, die es trotz aller internen Zwistigkeiten geschafft hat, sich zusammenzuraufen, eine herbe Enttäuschung. Schließlich ging und geht es um nichts Geringeres als die Entscheidung darüber, ob die Südkaukasusrepublik ihre Chancen auf einen EU-Beitritt wahrt oder weiter in Richtung Moskau marschiert", argumentiert die TAZ.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus vermutet: "Anti-liberale Parteipolitiker von Portugal bis Rumänien dürften die Linie von Georgiens starkem Mann Iwanischwili mit Interesse verfolgen: Dessen Regierung wendet dem Westen demonstrativ den Rücken zu, um Richtung Moskau zu dienern. Ihre Parlamentsmehrheit drückte dieses Jahr nach dem Vorbild Wladimir Putins Gesetze gegen die LGBT oder kritische NGOs durch. Die Demokratie und ihre Spielregeln werden von immer mehr Akteuren mit Füßen getreten. Das Modell Putin macht Mode."
Israel hat am Wochenende militärische Ziele im Iran angegriffen. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE kommentiert: "Ungleich härter hätte Israel den Iran treffen können, hätte es seine Ölförderung unter Feuer genommen, die Hauptstadt Teheran oder gar das Atomprogramm des Landes. Die Regierung Netanjahu reagiert damit deutlich besonnener, als ihr von ihren Kritikern gerne unterstellt wird. Sie ist bemüht, den Konflikt mit dem Iran einzufrieren und nicht um den Preis eines womöglich jahrelangen Krieges auszufechten. Sollte der Iran allerdings erneut angreifen, wird Israel sich nicht noch einmal für die homöopathische Variante der Vergeltung entscheiden können", erwartet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz sieht andere Motive für das israelische Vorgehen: "Ministerpräsident Netanjahu hält sich zu 100 Prozent an die Zurückhaltungsdirektive der US-Regierung, die in der heißesten Wahlkampfphase vor der Präsidentschaftswahl in keinen Krieg eintreten will. Nach einem eventuellen Sieg Donald Trumps im November könnten die Karten neu gemischt werden."
Zum nächsten Thema. Im Vatikan ist die sogenannte Weltsynode zuende gegangen, bei der Bischöfe, Ordensvertreter und Laien über Änderungen in der katholischen Kirche gesprochen haben. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bezeichnet die Versammlung als "konfliktscheu": "Statt theologische Debatten über kontroverse Themen zu führen, zogen sich die Teilnehmer in die spirituelle Wohlfühlzone zurück. Konkrete Ergebnisse gab es kaum. Dafür aber umso mehr gruppentherapeutische Erfolgsmeldungen: Man habe gelernt, einander in aller Unterschiedlichkeit zu akzeptieren, war in Rom oft zu hören. Mehr habe man nicht erwarten dürfen, es gehe ja nicht zu wie in der Politik. Aber das ist zu wenig, wenn 350 Spitzenvertreter aus allen Kontinenten nach einem dreijährigen weltweiten Beratungsprozess vier Wochen lang im Vatikan zusammenkommen. Da darf man auch von der katholischen Kirche mehr erwarten", findet die F.A.Z.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg hält das Ergebnis für "durchwachsen": "Die von den Delegierten verabschiedete und vom Papst sogleich abgesegnete 'Roadmap' sieht mehr Mitsprache der Gläubigen auf allen Ebenen vor. Regionale Unterschiede sollen weit stärker als bisher möglich sein, Verantwortliche müssen für Transparenz sorgen und Rechenschaft ablegen. Gerade auch für das von Rom immer wieder gerügte deutsche Reformprojekt 'Synodaler Weg' bedeuten die Beschlüsse eine Ermutigung. Bei der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern allerdings, was eine der meistdiskutierten Fragen der Weltsynode war, bleibt vorerst alles beim Alten. Dass diese historische Chance nicht ergriffen wurde, ist nicht nur für viele Frauen enttäuschend", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG wirft ein: "Klar, hierzulande wünscht man sich endlich Bewegung, zumal es viele theologische Argumente für die Weihe von Frauen gibt. Gleichzeitig aber wollen besonders konservative Katholiken das Thema ein für alle Mal beerdigen. Das ist nicht gelungen, die Diskussion kocht weiter – das ist eine gute Nachricht. Der notwendige Wandel kann hier nur in Trippelschritten erfolgen, wenn man nicht bereit ist, die Einheit der Kirche zu opfern."