29. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur Regierungsbildung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Zunächst geht es aber um die Krise beim Volkswagenkonzern. Im Raum stehen Werksschließungen in Deutschland und der Abbau von Arbeitsplätzen.

VW-Fahrzeuge laufen in Zwickau durch die Endmontage.
Die Krise beim Volkswagenkonzern ist Thema in den Zeitungen. (Hendrik Schmidt / dpa / Hendrik Schmidt)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Das Ringen im VW-Konzern gibt nun einen Vorgeschmack darauf, was dem Autoland bevorsteht. Unter den Zulieferern jagt eine Sparrunde die nächste, und die Lage wird sich weiter zuspitzen. Nicht nur VW, auch BMW und Mercedes bekommen zu spüren, dass Gewinne aus China ausbleiben, weil dort lokale Rivalen in der E-Mobilität enteilt sind. In Europa belasten hohe Energie- und Arbeitskosten, vom Chaos um das Verbrenner-Aus ganz zu schweigen", bemerkt die F.A.Z.
"Der Autokonzern ist in kurzer Zeit von Rekordgewinnen zu Existenzfragen abgerutscht", stellt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG fest und befindet: "Irgendwo in den vielen Anbauten dieses großen Hauses wurde immer genug verdient, um den Sanierungsbedarf in der alten guten Stube zu ignorieren. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte ist buchstäblich seit Jahrzehnten ein Thema. Doch so lange der chinesische Markt boomte, die Konzerntochter Audi mit der Premiumstrategie glänzend verdiente, Porsche trotz sechsstelliger Preise Verkaufsrekorde feierte - so lange ließ es sich aushalten."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz erinnert: "Früher galt bei VW immer die Regel, dass in Krisenzeiten gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern nach Lösungen gesucht wird. Diese Konsensstrategie hat VW-Vorstandschef Oliver Blume bereits mit der Aufkündigung der Beschäftigungssicherung zu den Akten gelegt. Jetzt hat der Vorstand endgültig einen Konfrontationskurs eingeschlagen. Den Betriebsräten wird nichts anderes übrig bleiben, als größtmöglichen Widerstand gegen die Vorstandspläne zu leisten. Denn das Beunruhigende an den Plänen ist, dass es sich um rein defensive Maßnahmen handelt. Eine Vorwärtsstrategie, um die alte Marktstärke in Europa und China zurückzugewinnen, ist überhaupt nicht zu erkennen", kritisiert die FREIE PRESSE.
DIE TAGESZEITUNG - TAZ - unterstreicht: "Dass die rund 120.000 Mitarbeiter:innen von Volkswagen in Deutschland in heller Aufregung sind, ist mehr als verständlich. Sie sollen die falschen Managemententscheidungen aus der Vergangenheit ausbaden. Alleine der Dieselskandal hat VW bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet. Dass der Konzern bis heute nicht in der Lage ist, ein für die breite Bevölkerung erschwingliches E-Auto anzubieten, hat auch nicht die Belegschaft zu verantworten. Wer den VW-Konzern entschlacken will, sollte daher an dessen Spitze anfangen. Doch dass Herr Blume, der im vergangenen Jahr knapp 9,7 Millionen Euro verdient hat, mit gutem Beispiel vorangehen und auf einen Teil seines obszön hohen Einkommens verzichten will, ist nicht bekannt", hebt die TAZ hervor.
Die PFORZHEIMER ZEITUNG analysiert: "Viele Faktoren spielen eine Rolle, darunter ohne Frage Fehler, die in der Teppichetage gemacht wurden. Ein anderes Problem ist die außergewöhnliche Macht der IG Metall und des Betriebsrats sowie der Politik, die notwendige Einschnitte oft verhindert haben. Wie zum Beweis hat Bundeskanzler Olaf Scholz gestern wissen lassen, mögliche falsche Managemententscheidungen dürften 'nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen'. So bedauerlich es ist: zu wessen Lasten denn sonst? Der Steuerzahler etwa? Die VW-Beschäftigten werden die Worte des Kanzlers gern vernehmen. Doch er schürt Hoffnungen, die er nicht erfüllen kann. Zumal auch seine Ampel nicht unschuldig daran ist, dass bei VW und anderen Autobauern die Hütte brennt", moniert die PFORZHEIMER ZEITUNG.
DIE GLOCKE aus Oelde mahnt: "Europas größter Autohersteller taumelt – und mit ihm der Standort Deutschland. Fatal ist, dass den enormen Problemen und Herausforderungen eine Bundesregierung in Auflösung gegenübersteht, die gelähmt und handlungsunfähig erscheint. Die drei Regierungsparteien sind heillos zerstritten. Stillstand bis zur nächsten Bundestagswahl kann sich das Land aber überhaupt nicht leisten."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER notiert: "Das ganze Land – Unternehmen ausdrücklich eingeschlossen – hat sich in einem Erfolg gesonnt, der zum allergrößten Teil billiger Energie, niedrigsten Zinsen und boomender Globalisierung zu verdanken war. Auf dieser Grundlage versucht auch die Politik eine Transformation – und stellt staunend fest, dass es ohne all die glücklichen Umstände gar nicht so einfach ist. Übertragen auf die beiden anstehenden 'Gipfeltreffen' bei Kanzler und Finanzminister heißt das: Treffen dieser Art hat es genug gegeben. Was fehlt, ist die Konzentration auf Prioritäten und deren Erledigung. Aber die Ampelkoalition macht weniger denn je den Eindruck, als wäre sie dazu noch in der Lage", vermerkt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
In Thüringen, Sachsen und Brandenburg nähern sich jeweils einige Parteien einer Regierungsbildung an. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erklärt: Das Bemerkenswerte an der Koalitionssuche in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist weniger das Ringen unterschiedlicher politischer Parteien als die entscheidende Frage: Was sagt Sahra Wagenknecht dazu? Die Gründerin und Namensgeberin des BSW entscheidet de facto, ob und wann Koalitionen in den drei Bundesländern gebildet werden, und lässt die Verhandler vor Ort zu Nebenfiguren schrumpfen. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nicht gegeben. Dabei hat sich vor allem die CDU in Sachsen und Thüringen in ein Dilemma manövriert, aus dem sie ohne Schrammen nur schwer herauskommt", kommentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG meint mit Blick auf Thüringen: "Auch wenn die Gespräche zwischen CDU, BSW und SPD für eine Brombeerkoalition in Thüringen anfangs gut vorankamen: Es wird immer deutlicher, dass BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht ein solches Bündnis nicht will. Die BSW-Chefin verlangt, dass auch eine Landesregierung sich klar zum Thema Krieg und Frieden verhält. Sie lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Ebenso wie die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Das Friedensthema hat ihrer Partei bei den Wahlen viele Stimmen eingebracht. CDU-Chef Friedrich Merz macht wiederum deutlich, dass die CDU keine Landesregierungen bilden wird, in denen die feste Bindung an die Nato und die EU oder die Ukraine-Hilfe infrage gestellt wird", betont die SAARBRÜCKER ZEITUNG.
Im MÜNCHNER MERKUR ist zu lesen: "Hoffentlich lernt die CDU ihre Lektion. Ihre Anbiederungsversuche in Sachsen und Thüringen sind zum Scheitern verurteilt, weil Wagenknecht die Union nicht als Regierungspartner in Dresden und Erfurt haben will, sondern als Feindbild bei der Bundestagswahl."
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin schreibt zu den vereinbarten Koaltionsgesprächen zwischen SPD und BSW in Brandenburg: "Das BSW kann sich als Kraft inszenieren, der es nicht nur um Fundamentalopposition geht, sondern die auch Verantwortung nicht scheut. Die Zugeständnisse, die sie in der Sicherheitspolitik dafür machen musste, sind erschreckend klein ausgefallen. Der Wortlaut des Brandenburger Sondierungspapiers verändert erst recht das Koordinatensystem der Republik. Da kann noch so oft darauf verwiesen werden, dass außenpolitisch der Bund entscheidet: Wenn Ministerpräsidenten einer Rückwärtsrolle bei der 'Zeitenwende' das Wort reden, wird das Spuren hinterlassen", mahnt DER TAGESSPIEGEL.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) stellt fest: "Im politischen Alltag wird schnell klar, dass sich in den Ländern niemand lange mit Fragen aufhalten will, die dort nicht zu lösen sind. Es geht da um Schulen, Polizisten, Straßen, nicht um Raketen. Auch ein noch so großer Glaube an die Genialität von Sahra Wagenknecht wird diese Realität nicht verändern."