02. November 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungskommentare beschäftigen sich mit der US-Präsidentschaftswahl in der kommenden Woche. Weiteres Thema ist ein Grundsatzpapier von Bundesfinanzminister Christian Lindner zur Wirtschaftspolitik.

Zu sehen ist Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner bei einer Pressekonferenz.
Ein Grundsatzpapier von Bundesfinanzminister Lindner (FDP) zur Wirschaftspolitik ist ein Thema in den Kommentaren (Archivbild). (dpa / Soeren Stache)
Das HANDESLBLATT stellt fest: "Das Dokument ist gespickt mit Forderungen, die den Restkonsens der Ampel aufkündigen. Lindner hat schon einmal eine Koalition platzen lassen. 2017 war das, als die FDP die Gespräche über ein Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen verließ. 'Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren', sagte Lindner damals. An diese Worte sollten sich die Koalitionäre jetzt erinnern. Lieber dem Ampelschrecken ein Ende setzen, als die Selbstauflösung einer funktionsgestörten Koalition in die Länge zu ziehen. Das Land braucht dieses sogenannte Bündnis nicht mehr, es braucht Neuwahlen", folgert das HANDELSBLATT.
Die TAGESZEITUNG nennt einige Forderungen des Bundesfinanzministers: "Stopp des Tariftreuegesetzes, sofortige Abschaffung des Soli und Streichung des gerade beschlossenen Förderprogramms Klimaschutzverträge. Es liest sich als wähne sich Lindner bereits in der Opposition. Daran wird aber auch der Kernkonflikt deutlich, dass die einen – SPD und Grüne – Deutschland aus der Krise heraus investieren wollen, während der andere Partner das Land heraus sparen will. Kürzen oder Klotzen, das eine verträgt sich schwer mit dem anderen, vor allem wenn das Steuergeld knapp wird", schätzt die TAZ.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf meint, das Papier mag wie eine Scheidungserklärung daherkommen, es sei jedoch eher: "ein weiteres Zeichen der anhaltenden Unentschlossenheit. Regiert die FDP eigentlich noch mit oder dreht sie sich lediglich um sich selbst? Damit das nicht falsch verstanden wird, die Liberalen und ihr Vorsitzender sind nicht allein das Übel der Koalition. Da täte man ihnen Unrecht. Mitunter geht es dann doch auch um Prinzipien, für die die Partei steht. Kanzler Olaf Scholz von der SPD und der Obergrüne Robert Habeck sind keinen Deut besser; jeder macht was er will und steckt sein Terrain für den beginnenden Bundestagswahlkampf ab. Während das Land deftig in die Krise rutscht, wird vor allem palavert statt gehandelt. Es werden Vorhaben präsentiert, die die Ampel nicht umsetzen wird - und dann klaut der eine dem anderen noch sein Gipfel-Förmchen. Jede Kita-Gruppe harmoniert besser. Den Zeitpunkt für einen glaubhaften Ausstieg haben der FDP-Chef und seine Partei längst verpasst", urteilt die RHEINISCHE POST.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt: "Die Entscheidung Lindners, sich anders als bei früheren FDP-Regierungsbeteiligungen das Finanzministerium zu sichern, erweist sich als schwierig. Der verfassungswidrige Haushalt fällt auf ihn zurück, obwohl Olaf Scholz Urheber dieser kreativen Buchführung war. Und allein mit dem Beharren auf der Schuldenbremse lassen sich keine Wahlen gewinnen. Die einst klassischen FDP-Ressorts Wirtschaft und Auswärtiges Amt überließ Lindner fahrlässig den Grünen. Auch mit dem Thema der drohenden Freiheitsgefahr Putin dringt die FDP beim zunehmend kriegsmüden Wahlvolk nicht durch. Gerade so erreichte die Partei mit der polarisierenden Ukraine-Unterstützerin Strack-Zimmermann als Frontfrau bei der Europawahl fünf Prozent", resümiert die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG fragt: "Ist eine Regierung, die selbst zum Grund für die Instabilität eines Landes wird, noch richtig am Platz? Die vergangene Woche lieferte in dieser Hinsicht eine Antwort. Parallel stattfindende Wirtschaftsgipfel beim Kanzler und der FDP-Fraktion schürten weitere Unsicherheit. Wer noch mitkommt bei den täglichen Vorstößen zum Bürgergeld und anderen, sich teils diametral widersprechenden Wirtschaftsmaßnahmen, schätze sich glücklich, wird aber kaum behaupten können, noch eine Richtung zu erkennen, in die die Regierung Scholz das Land weiterentwickeln will. Diese Unsicherheit produziert einen Stillstand. Und damit wird diese Regierung selbst zum Problem", wendet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG ein.
Der SÜDKURIER aus Konstanz dagegen findet, Neuwahlen seien keine Alternative: "SPD, Grüne und FDP sollten zur professionellen Regierungsarbeit zurückkehren, ohne dass einer den anderen öffentlich bloßstellt. Neuwahlen dürften wie zuletzt in Frankreich nur den Populisten nützen. Die könnten argumentieren, dass mit diesen drei Parteien kein Staat zu machen sei. Weit gefehlt – diese Koalition hat in drei Jahren Regierungszeit mit Ukraine- und Gaza-Krieg, Gas-, Wirtschafts- und Corona-Krise in schweren Zeiten doch einiges geleistet – und das bei sehr ungleichen Positionen", gibt der SÜDKURIER zu bedenken.
Themenwechsel. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG widmet sich dem US-Wahlkampf und analysiert die beiden Kandidaten: "Donald Trump ist in den vergangenen Wochen mehr denn je mit Drohungen aufgefallen, die nach Faschismus klingen. Unabhängig davon, ob er alle Ankündigungen in die Tat umsetzen will, wird eine zweite Amtszeit Trump deutlich extremer ausfallen, als es die Jahre von 2017 bis 2021 schon waren. Kamala Harris‘ Konturen sind im Wahlkampf enttäuschend unscharf geblieben. Außenpolitisch wird sie eher auf Kontinuität setzen – transatlantisch, pro Ukraine, pro Israel, ökonomisch vor allem im Wettbewerb mit dem Rivalen China. Die große Frage wäre allerdings, wie stark sie auf der Weltbühne überhaupt präsent sein kann. Sollte sie das Rennen um das Weiße Haus gewinnen, dürften die Trump-Fans weiter für Unruhe im Land sorgen", befürchtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST beobachtet: "Harris schafft es nicht, zwei wichtige Stammwählergruppen ihrer Partei voll zu mobilisieren: Schwarze und Latinos. Vor allem schwarze Männer gehen Harris von der Fahne. Angesichts der völkisch aufgeladenen Sprache Trumps ist das überraschend. Der Republikaner wettert immer aggressiver gegen Migranten, die das 'Blut des Landes vergiften'. Aber Trump schadet diese Rhetorik nicht. Im Gegenteil. In wichtigen Politikbereichen stößt er mit seinen Thesen auf Resonanz. Auch in der Wirtschaft - für die Amerikaner Thema Nummer eins - hat Harris Schwachstellen. Es gehört zu den erstaunlichsten Dingen, dass sie hier nicht punktet, obwohl Präsident Joe Biden eine ordentliche Bilanz vorweisen kann. Die Wirtschaft wächst um knapp drei Prozent - Kanzler Olaf Scholz würde bei solchen Zahlen einen Luftsprung machen", vermutet die BERLINER MORGENPOST.
Der Berliner TAGESSPIEGEL verweist auf prominente Unterstützer der demokratischen Kandidatin: "Barbra Streisand, George Clooney, Arnold Schwarzenegger, Oprah Winfrey, Steve Wonder – Kamala Harris weiß die Superstars hinter sich. Sie alle wollen Harris als erste Präsidentin im Weißen Haus. Das sind starke, bindende Kräfte mit enormer Reichweite. Dass sich Beyoncé an die Seite von Harris stellt, darf man erwarten. Alles andere wäre eine böse Überraschung. Die Frage ist, ob diese geballte Pop-Power in den 'Swing States' bei jenen Wählerschichten durchdringt, auf die es am Ende ankommt im anachronistischen und hochgradig ungerechten US-Wahlsystem. All die hochberühmten Namen aus der Entertainment-Welt stehen schließlich für die Werte, die von den meisten Republikanern abgelehnt und bekämpft werden", argumentiert der TAGESSPIEGEL.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schätzt, im Falle eines Wahlsiegs des Republikaners könnten die Europäer einen "Trump-Schock als Anlass und Kraftquelle nehmen, um einige hausgemachte Probleme nicht immer nur in voluminösen Berichten zu beschreiben, sondern sie tatsächlich in der Realität zu lösen. Das gilt zuerst für die Verteidigung. Obwohl die USA und die EU jeweils etwa 15 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erbringen, sind die Europäer bisher nicht in der Lage, ihren eigenen Kontinent gegen ein aggressives Russland zu schützen. Im Ernstfall bräuchten sie dafür Amerikas Militär. Das aber ist nicht die Schuld der Amerikaner, sondern Folge von politischen Prioritäten und Entscheidungen in Europa. Und diese ließen sich ändern." Das war zum Ende der Presseschau die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.