Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt zu der von Bundeskanzler Scholz angekündigten Vertrauensfrage: "Just heute hat Scholz nun durchblicken lassen zumindest gesprächsbereit zu sein, was den Termin angeht. Es wäre das Mindeste. Es geht längst um viel mehr, nämlich um das Vertrauen der Bürger in den Staat und die Demokratie als solche. Scholz’ Minderheitsregierung wird nicht die Regierung sein, die dieses Vertrauen wiederherstellen kann. Deshalb muss sie gehen. Nicht irgendwann, sondern jetzt", verlangt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint, es wäre absurd, jetzt weitermachen zu wollen: "Gegen den geballten Widerstand der Opposition von Union bis Linke und gegen die Mehrheit der Bevölkerung, die schnelle Neuwahlen ebenso für angezeigt hält. Die Ampel-Koalition ist seit Mittwoch Geschichte, jetzt braucht es einen neuen Auftrag der Wähler. So schnell wie möglich", findet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg rät: "Vertrauensfrage noch im November, dann die Auflösung des Bundestags, Neuwahlen Mitte Januar, Koalitionsverhandlungen und -bildung bis Ende März: So sollte ein Zeitplan aussehen, damit eine neue Bundesregierung möglichst schnell ihre Arbeit aufnehmen kann. Es bleibt das Geheimnis von Scholz, warum er zwei Tage brauchte, um zu begreifen: Das Land braucht genau diesen schnellen Neustart, keine Verschleppungstaktik. In unsicheren Zeiten braucht das Land schnell klare Führung, die Scholz nie liefern konnte. Der Kampf gegen die De-Industrialisierung, Stopp der ungeregelten Migration, Förderung der Digitalisierung, Sanierung der Infrastruktur, die Stärkung der Bundeswehr und die Hilfe für die Ukraine dulden keinen Stillstand. Viel zu lange schon hat die Ampel es hier an Initiative mangeln lassen", kritisiert die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
"Das Argument, der spätere Termin ermögliche noch ein paar Verbesserungen für die Bürger*innen oder die Dinge im Sinne der Stabilität besser zu ordnen, trägt nicht", unterstreicht die TAZ: "Die Bundesregierung hat seit dem Aus der Ampel im Bundestag keine Mehrheit mehr. Und FDP und Union werden ihr wohl kaum dabei helfen, etwa das Rentenpaket noch durch den Bundestag zu bringen. Womit wir beim Eigentlichen sind: Das Gezerre um den Termin hat einen parteitaktischen Hintergrund. Denn stimmt die Union beispielsweise dem Rentenpaket nicht zu, kann die SPD ihr das im Wahlkampf vorwerfen. Bekommt Scholz’ Regierung im Bundestag noch etwas durch, könnte sich das Bild eines Kanzlers abschwächen, der mit der Ampel gescheitert ist. Und vielleicht erhofft man sich bei der SPD auch noch einen Schubs von der Hamburger Bürgerschaftswahl Anfang März, bei der die Sozialdemokraten auf einen Sieg hoffen können", vermutet die TAZ.
Bundeswirtschaftsminister Habeck will als Spitzen- und Kanzlerkandidat der Grünen in den Bundestagswahlkampf gehen. Dazu heißt es in der NÜRNBERGER ZEITUNG: "Habeck setzt, gerade im Kurzwahlkampf, darauf, dass er stilistisch und rhetorisch ein Gegenentwurf zu Friedrich Merz und Olaf Scholz ist. Sein Küchentisch-Bewerbungsvideo zeugt davon. Ein Gegenentwurf war allerdings auch schon Annalena Baerbock vor drei Jahren. In Zeiten, da in der medialen Politikbetrachtung die Person im Vordergrund steht und nicht die Analyse der Politik, für die jemand steht, oder gar die Kompetenz, die jemand mitbringt, ist es wichtig, persönliches Charisma in die Waagschale werfen zu können", hebt die NÜRNBERGER ZEITUNG hervor.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält die Kanzlerkandidatur Habecks für aussichtslos: "Habecks Hauptproblem besteht darin, dass er kaum mehr als Klimaschutz-, sondern vor allem als Wirtschaftsminister wahrgenommen wird. Das allein verbaut ihm in einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise so gut wie jede Siegchance. Überdies verströmt Habeck nur noch selten den Charme des Newcomers, sondern ist in der gescheiterten Ampelkoalition geworden, was seinem Selbstbild widerspricht: ein eher normaler Politiker."
Der NORDKURIER überlegt: "Für Politiker in führenden Positionen sollte es nach Rücktritt oder Abwahl ein Abklingbecken geben: Erholen, nachdenken, Fehler eingestehen - das wäre die richtige Devise nach dem Scheitern. Doch das machen bekanntlich die wenigsten, eben auch Habeck nicht. Es hätte deutlich mehr Stil, wenn er für ein paar Jahre in die zweite oder dritte Reihe zurücktritt", schlägt der NORDKURIER aus Neubrandenburg vor.
Zu den Angriffen auf israelische Fußballfans in Amsterdam schreibt die Zeitung N.D. Die Woche: "Vieles ist noch unklar und es wird eine Weile dauern, bis die Geschehnisse aufgearbeitet sind. Aber eines ist gewiss: Die Hetzjagden und brutalen Übergriffe sind antisemitische Gewalt."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gibt zu bedenken: "Wenn kurz vor dem Jahrestag der Reichspogromnacht mitten in Europa Juden von einem Mob durch die Straßen gehetzt und krankenhausreif geprügelt werden, ist das längst mehr als ein Warnzeichen. Bei den brutalen Überfällen von Amsterdam kommt eine fußballspezifische Komponente hinzu: Gewaltorgien gegen gegnerische Fans gab es schon früher. Einige Tel-Aviv-Anhänger hatten aus dem Schutz der Gruppe heraus auch mit chauvinistischen Gesängen provoziert und Araber verhöhnt. Doch dieser Stumpfsinn kann niemals Erklärung dafür sein, dass Menschen durch die Stadt gehetzt und wegen ihrer Nationalität verprügelt werden. Die Hinterhalte in Amsterdam wirkten auch nicht spontan, sondern perfide geplant, um den Krieg aus Nahost nach Europa zu holen", betont die F.A.Z.
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm resümiert: "Auch wenn es offenbar verbale Provokationen durch israelische Fans gab, ist die rohe Gewalt, die aus den Bildern spricht, durch nichts zu entschuldigen. Der mit der Migration nach Europa importierte Antisemitismus und Antiisraelismus geht mit dem in Europa bereits existierenden und zum Teil ebenfalls gewaltbereiten Antisemitismus eine beunruhigende Allianz ein. Gegen solche Gewaltausbrüche hilft nur ein hartes Durchgreifen." Soweit die SÜDWEST-PRESSE.
Themenwechsel. "Europa stolpert in die Zeitenwende" titelt die RHEINISCHE POST zum EU-Gipfel in Budapest und schreibt: "Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine müsse die EU viel mehr in die eigene Verteidigungsfähigkeit investieren, lautet der Befund des informellen Gipfels. Aber das ist keine neue Erkenntnis. Daran zeigt sich einmal mehr, dass die Abläufe im Europa der 27 Entscheidungsträger den Herausforderungen hinterherhinken. Der vom Gipfel ausgerufene 'neue europäische Deal für Wettbewerbsfähigkeit' hat einen schönen Klang. Er soll durch Entbürokratisierung, Wirtschaftsprogramme und eine Industriestrategie Europa immun machen gegen Trumps Handelskriege. Doch von den absehbaren Schritten des künftigen US-Präsidenten wird die deutsche, jetzt schon extrem kränkelnde Wirtschaft am meisten betroffen sein", lautet das Fazit der RHEINISCHEN POST aus Düsseldorf.
Auch die STUTTGARTER NACHRICHTEN hätten sich von dem Treffen mehr gewünscht: "In Budapest wäre die Gelegenheit gewesen, die Wirtschaftspolitik der EU klar zu formulieren. Auch wäre es dringend angesagt, endlich Europas Fähigkeiten im Bereich der Verteidigung zu bündeln. So gesehen war der Gipfel in Budapest eine verpasste Chance. Dieses unentschlossene Durcheinander wirkt auf die Rivalen Europas wie eine Einladung. Denn es gehört zur machtpolitischen Taktik von Russland und China, die EU zu spalten und damit zu schwächen. Trump wird versuchen, Keile in die Union zu treiben, um seine Ziele zu erreichen. Nicht nur bei seinem Freund Orban in Ungarn wird er leichtes Spiel haben, denn der Geist des Trumpismus hat längst in anderen Teilen Europas Fuß gefasst", mahnen die STUTTGARTER NACHRICHTEN zum Abschluss der Presseschau.