13. November 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Einigung auf den 23. Februar als Datum der Neuwahl in Deutschland steht im Mittelpunkt. Weitere Themen sind der Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie und das aufgehobene Klima-Urteil gegen den Energiekonzern Shell.

Wahllokal in Hanau
Nach dem Bruch der Ampelkoalition herrscht jetzt Klarheit über einen Neuwahl-Termin. (IMAGO / Patrick Scheiber / IMAGO / Patrick Scheiber)
Die NORDWEST-ZEITUNG schreibt zum Kompromiss von SPD und Union für eine Neuwahl am 23. Februar: "Es ist ein Deal, bei dem alle ihr Gesicht wahren. Aus zwei weiteren Punkten ist das Datum nicht mal unklug gewählt: Die SPD war mit ihrem späten Vorschlag von allen Seiten unter Druck geraten. Die aktuelle Minderheitsregierung wäre vier Monate quasi handlungsunfähig gewesen. Ein zu früher Termin, wie von der Union anfangs angestrebt, hätte wohl sogar noch schlimmere Folgen gehabt. Ob ein andauernder Disput zwischen Scholz und Merz oder ein Mini-Wahlkampf – profitiert hätten Populisten. So bleibt den demokratischen Parteien wenigstens die Chance, es zu richten", meint die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg.
"Dieser Wahltag ist eine Riesenchance", findet die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden: "Nachdem sich viele von uns jahrelang über die kürzlich noch komplette Ampel-Regierung geärgert haben, gibt es nun früher als gedacht die Möglichkeit für notwendige Korrekturen bei Wirtschaft, Migration, Sozialpolitik und einem vernünftigen Klimaschutz. Und wenn jetzt einzelne Parteien meckern, der Termin benachteilige sie aus diesem und aus jenem Grund, so ist das wie bei jeder vorangegangenen Wahl auch."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hofft: "Der Wahltermin Ende Februar verspricht einen kurzen und klaren Wahlkampf. Alle Parteien werden gezwungen sein, sich bei den wichtigen Themen Wirtschaft, Verteidigung, Migration und Zukunft des Sozialstaats klar zu positionieren. Weniger Taktik und strategische Unklarheit als eindeutige Botschaften werden hoffentlich das Ergebnis sein."
"Auch, wenn der Termin nun feststeht, so zeigt die Art und Weise der Klärung, wie verfahren inzwischen die politische Lage in Deutschland ist", ist in der RHEINISCHEN POST zu lesen: "Keiner traut dem anderen noch über den Weg; man darf deshalb jetzt keine allzu große Hoffnung haben, dass es den Parteien noch gelingen wird, in der Kürze der verbliebenen Parlamentszeit bis zur Neuwahl wichtige Gesetze über die Rampe zu hieven. Vor allem jene, die die Bürger direkt betreffen. Auch darüber wird bereits hinter den Kulissen fleißig geschachert, weniger zum Wohle des Landes, als zum Wohle der jeweiligen Partei im bereits begonnenen Wahlkampf. Weil bis zum Urnengang aber nicht mehr viel Zeit ist, dürfte der Wahlkampf noch härter werden als sonst", erwartet die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
"Es ist ein Fehler, dass Olaf Scholz daran festhält, erneut als Kanzlerkandidat für seine SPD in vorgezogene Neuwahlen zu ziehen", kommentiert die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen: "Denn er kann es unmöglich schaffen, sein miserables Image aus Führungsschwäche, Bürgerferne und Überforderung im anstehenden kurzen Wahlkampf zu kitten. Dabei hat die Partei einen Politiker in ihren Reihen, der beim Volk gut ankommt, weil er verständlich redet und einen klaren Kurs fährt: Boris Pistorius, aktuell Verteidigungsminister und Umfrageliebling der Deutschen. Pistorius scheint zwar der bessere Kandidat zu sein, darf aber nicht antreten", kritisiert die RHEINPFALZ.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schätzt die Chancen von Pistorius gering ein: "Es gibt kein ernstzunehmendes Szenario, in dem die SPD knapp drei Monate vor der Neuwahl auf einen neuen Kandidaten setzen könnte. Zumal der genannte Retter für die Mission ungeeignet ist. Pistorius wäre auch inhaltlich der falsche SPD-Kandidat für den Wahlkampf. In dem wird es vor allem um die Wirtschaft gehen. Arbeitsplätze, Energieentgelte, Inflation, Transformation der Schlüsselindustrien – dazu hat man vom Verteidigungsminister bisher noch nichts gehört. Logischerweise, das ist ja auch nicht sein Job", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Ähnlich sehen es die NÜRNBERGER NACHRICHTEN, die aber trotzdem für Pistorius werben: "Immerhin wäre für mehr Spannung und damit Aufmerksamkeit gesorgt. Darauf kann die SPD nicht verzichten, will sie für den wahrscheinlichen neuen Kanzler Friedrich Merz ein ernstzunehmender Koalitionspartner sein."
Zum nächsten Thema. In der Metall- und Elektroindustrie haben sich die IG Metall und die Arbeitgeber in den Tarifbezirken Bayern und Küste auf einen Pilotabschluss geeinigt. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert: "Dem Tarifabschluss sieht man sofort an, dass beide Seiten heftige Abstriche machen. Die Unternehmen erhöhen die Gehälter um gut 5,5 Prozent, obwohl mancher eine Nullrunde wollte. Die Arbeitnehmer wiederum erhalten aus ihrer Sicht 'nur' 5,5 Prozent mehr. Und zwar verteilt auf zwei Jahre, nachdem sie ursprünglich sieben Prozent für ein Jahr gefordert hatten. Dass sich beide Seiten darauf einlassen, zeigt, dass sie die Realitäten erkennen. Die Einigung sendet auch ein politisches Signal in einer Phase, da sich erschütternd viele Wähler für Verächter der Demokratie begeistern: Das freiheitliche System funktioniert, es ist zu Kompromissen imstande – zu sehen an der raschen Verständigung in der größten Tarifrunde des Jahres. Das deutsche Sozialpartner-Modell funktioniert", unterstreicht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz ergänzt: "Der Kompromiss gibt positive Signale. Die lange Laufzeit des Tarifvertrages erhöht die Planbarkeit in den Unternehmen. Die deutliche Erhöhung der Ausbildungsvergütung ist ein klarer Hinweis an den Nachwuchs, dass er dringend gebraucht wird. Der Pilotabschluss ist ein für beide Seiten nicht schmerzfreier Kompromiss, den sich die Politik zum Vorbild nehmen sollte."
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN erläutern: "Hauptverantwortliche der IG Metall ist Christiane Benner, die mit ihrem ersten Abschluss als Gewerkschaftsvorsitzende ins Risiko gegangen ist. Sie muss den eigenen Reihen einen Abschluss vermitteln, der die Preissteigerungen der vergangenen Jahre eben nicht ausgleichen kann. Daher mögen sich an der Basis nun einige Enttäuschungen auftun. Doch Benner beweist Format, indem sie den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze an die erste Stelle setzt, statt den Konflikt auf die Spitze zu treiben."
In den Niederlanden hat ein Berufungsgericht ein weitreichendes Klima-Urteil gegen den Shell-Konzern aufgehoben. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG argumentiert: "Es ist im Ergebnis richtig, einen Konzern nicht durch eine gerichtliche Entscheidung auf eine bestimmte Menge von schädlichen Emissionen zu verpflichten. Das ändert aber nichts daran, dass die Unternehmen - und zwar alle - sich an die nationalen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Regeln zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen halten müssen. Die müssen auch durchgesetzt werden, soweit sie verbindlich sind. Und natürlich kann dann wieder die Justiz ins Spiel kommen", stellt die F.A.Z. klar.
"Der Staat muss den Rahmen für den Klimaschutz setzen", urteilt auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder: "Lastet man die Bürde einzelnen Unternehmen auf, verpufft die Vorgabe. Unter dem Diktat des ursprünglichen Urteils hätte Shell zwar sein Benzin deutlich teurer anbieten können. Doch wären die Kunden vermutlich gar nicht sparsamer gefahren, sondern einfach zur Konkurrenz gewechselt, die ohne richterliche Vorgaben wirtschaften kann und deshalb das Benzin billiger verkauft. Staatliche Auflagen oder Gesetze gelten hingegen für alle Marktteilnehmer und funktionieren daher besser."
"Keine Frage, dieses Urteil ist bitter für die Klimabewegung", heißt es in der TAGESZEITUNG - TAZ: "Und obwohl es Klimaaktivist*innen schmerzen wird – mehr als eine symbolische Wirkung hätte ein anderes Urteil wohl eh nicht gehabt. Mit der Bemühung, Unternehmen zu verklagen, versuchen NGOs, eine Lücke zu füllen, die die politischen Entscheidungsträger*innen offen lassen. Nämlich die, Klimaschutzverpflichtungen direkt für Konzerne festzulegen und durchzusetzen. Und zwar nicht nur für einen, sondern für alle."