Zur Debatte um die Kanzlerkandidatur der SPD notiert die LAUSITZER RUNDSCHAU: "Die SPD hat den derzeit populärsten Politiker des Landes in ihren Reihen, der nicht Scholz, sondern Pistorius heißt. Wäre es nicht sinnvoll, den derzeitigen Verteidigungsminister dem Volk als Kanzler vorzuschlagen? Abgesehen davon, dass es mit der Popularität schnell vorbei sein kann, ist es unwahrscheinlich, dass die Sozialdemokraten die Kraft aufbringen, Olaf Scholz nicht zu nominieren. Es sei denn, die miserablen Umfragewerte verwandeln sich endgültig in Horror-Zahlen. Da die Hintertür für Boris Pistorius stets geöffnet ist, könnte der populäre Minister seine Zurückhaltung aufgeben und die ganz große Bühne betreten. Für seine Partei wäre es ein Verzweiflungsversuch. Mit ungewissem Ausgang", spekuliert die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN befinden: "Es kann nicht überraschen, wenn es in der Partei 'grummelt', wie Fraktionschef Rolf Mützenich beschwichtigend zugibt. Dass immer mehr Mitglieder nach einem neuen roten Spitzenmann im Wahlkampf rufen, nach einem, der dem schwarzen Konkurrenten Friedrich Merz das Leben vielleicht doch noch schwer machen kann. Also nach Boris Pistorius, dem rettenden Strohhalm. Doch Pistorius winkt ab. Was gegenüber Scholz loyal wirken soll, unterm Strich aber nicht mehr ist als gesunder Menschenverstand. Denn das scheint klar: Viel ernstzunehmender als der Grüne Robert Habeck wäre Pistorius als Kanzlerkandidat nicht. Zumal die SPD einen wie ihn weitgehend unbeschädigt über den Wahlsonntag bringen muss, weil sie solche Leute brauchen wird, will sie die nächsten Jahre neben der Union doch noch am Kabinettstisch sitzen bleiben", geben die STUTTGARTER NACHRICHTEN zu bedenken.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz hebt hervor: "Boris Pistorius ist ein hemdsärmeliger Typ, dessen klare Sprache und offene Art viele Menschen sympathisch finden. Mit ihm könnte es gelingen, den Menschen zu signalisieren, dass die SPD nach dem Scheitern mit der Ampel ein verändertes Angebot macht."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont, die Bundestagswahl sei trotz des großen Vorsprung der Union in den Umfragen noch nicht entschieden: "Es sind in Deutschland, aber auch in anderen Demokratien in jüngerer Zeit einfach zu viele Dinge passiert, die lange ausgeschlossen erschienen, als dass die Union die Wiese schon als gemäht betrachten könnte. Manchmal erzeugen vermeintliche Kleinigkeiten einen Stimmungswandel. Erinnert sei daran, wie es Gerhard Schröder 2005 gelang, Merkels Kandidaten für das Finanzministerium, Paul Kirchhof, in den angeblich soziale Kälte verströmenden 'Professor aus Heidelberg' zu verwandeln. Auch der Umgang mit der AfD ist eine große Herausforderung für die Union. Sie wissen in Berlin, dass mancher Christdemokrat in Ostdeutschland das Gespräch mit AfD-Leuten nicht für Teufelszeug hält. Noch stehen alle Brandmauern. Aber was, wenn ausgerechnet im Wahlkampf irgendwo ein Stein herausbricht?", führt die F.A.Z. aus.
Das Magazin CICERO meint: "Die CDU zeigt in diesen entscheidenden Tagen nach dem Zerbrechen der Koalition erstaunlich wenig Angriffslust gegen die gescheiterte und außerordentlich unbeliebte Restregierung. Die Union wird ihre Glaubwürdigkeit als künftige Krisenbewältigerin bei Wählern, gerade bei solchen, die möglicherweise noch unentschlossen zwischen ihr und der AfD stehen, nicht gerade dadurch erhöhen, dass sie zwar mit den Sozialdemokraten und Grünen die Vererbung von Bauernhöfen und die PR-Mittel der Abgeordneten regelt, aber in der wirklich drängenden Migrationskrise, die zweifellos neben der Wirtschaftskrise die Sorgen der Bürger dominiert, zaghaft stillsteht.“ Sie hörten einen Auszug aus einem Online-Kommentar des Magazins CICERO.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER befasst sich mit dem Bundesparteitag der Grünen, der heute in Wiesbaden beginnt und sagt voraus: "Die Grünen werden weniger kontrovers debattieren, als dies vor dem Bruch der Ampelkoalition zu erwarten war. Vielmehr ist Jubel Delegierten-Pflicht. Alles wird auf die Neuwahl des Bundestages und damit auf den Erfolg ausgerichtet sein. Kanzlerkandidat Robert Habeck, der derzeit viel frischer wirkt als Kanzler Olaf Scholz, steht im Zentrum. Die Andersartigkeit der Grünen ist Vergangenheit. So wurde über die Kanzlerkandidatur nicht wie geplant per Mitgliedervotum entschieden, sondern auf dem Weg eines internen Machtkampfes. Die kontroversen Debatten sind in Wiesbaden auf den Samstagabend verschoben; dann hört niemand mehr hin. Wohl und Wehe der Partei hängen bis zum Urnengang an Habeck, der eine sowohl innere als auch äußere Distanz zur Kultur und zu den Beschlüssen der Grünen pflegt", hält der KÖLNER STADT-ANZEIGER fest.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG moniert: "Der Frust der Grünen-Basis verschwindet nicht, wenn er keinen Raum bekommt. Die Partei hätte es bitter nötig, insbesondere über die Themen Migration und Klima in aller Offenheit zu diskutieren, durchaus auch zu streiten. Dass einige Änderungsanträge zu heiklen Themen so bereitwillig angenommen werden, dass sich selbst die Antragssteller darüber wundern, zeigt jedoch, dass das am Wochenende tunlichst vermieden werden soll. Für die Grünen geht auf diesem Parteitag Einigkeit vor Ehrlichkeit. Das kann gut gehen – aber nicht auf Dauer", ist die SZ überzeugt.
"Den Grünen fehlt ein klarer Kurs", kritisiert der TAGESSPIEGEL aus Berlin. "Es soll ein bisschen mehr umverteilt werden, aber bitte keine Debatte über eine Vermögenssteuer. Der Klimaschutz soll wieder in den Vordergrund treten, aber vor weiteren Belastungen für die Bevölkerung schreckt man zurück. Dabei könnten die Grünen von den US-Demokraten lernen, dass es im Wahlkampf klare Inhalte braucht, um erfolgreich zu sein. Der deutliche Sieg Donald Trumps zeigt, dass vor allem Antworten auf die hohe Inflation gefunden werden müssen. Wie in den USA dürften sich auch in Deutschland die Menschen fragen, ob es ihnen heute besser geht als vor drei Jahren. Nur wenn es Habeck und den Grünen gelingt, einen glaubwürdigen Weg aus der Krise aufzuzeigen, kann die Partei wieder erfolgreicher werden", argumentiert der TAGESSPIEGEL.
Der designierte US-Präsident Trump hat weitere Personalentscheidungen für seine künftige Regierung getroffen. So soll der Kongressabgeordnete Gaetz den Posten des Justizministers erhalten. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE spricht von einem Tiefpunkt: "Der Mann steht im Verdacht, eine Minderjährige für Sex bezahlt zu haben. Er soll illegale Drogen besessen haben. Er umgibt sich mit Holocaust-Leugnern, Neo-Nazis und Kriegsverbrechern. Er verteidigt den Sturm auf das Kapitol und will die Auszeichnung von Polizisten verhindern, die im Januar 2021 beim Kampf gegen die Putschisten verletzt wurden. Mit der Nominierung einer der zwielichtigsten und polarisierendsten Figuren des Kongresses ausgerechnet als Generalstaatsanwalt und Justizminister erklärt Trump offiziell dem Rechtsstaat den Krieg. Er will das System zerstören, und Gaetz ist sein Rammbock", unterstreicht die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER wendet ein: "Auch wenn man wegen der mangelnden Regierungserfahrung und wegen der oftmals fehlenden Sachkenntnis der künftigen Regierungsmitglieder Bedenken anmelden kann, so ist die geharnischte Kritik an Trumps Personal wohlfeil. Denn Trump hat einen Wahlkampf gegen das politische Establishment geführt. Er hat bei jedem Auftritt gegen die Eliten in Washington gewettert und ein anderes Amerika versprochen, in dem es um die Anliegen der kleinen Leute und Arbeiter geht. Auch wenn das vielen nicht passen mag. Für genau solch ein Kabinett hat Trump ein demokratisches Votum der amerikanischen Wähler."