Weiteres Thema sind die Berichte über den angeblich kalkulierten Bruch der Ampel-Koalition durch die FDP. Zum ersten Thema schreibt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg: "Jetzt ist Robert Habeck da, wo er vor dreieinhalb Jahren schon gerne gewesen wäre. Seit Sonntag ist er der Top-Kandidat der Grünen für die kommende Bundestagswahl. An Habeck klebt noch immer das Heizungsgesetz und der Vorwurf, mit seiner Energiepolitik für die Unternehmen im Land zur Belastung geworden zu sein. Immerhin: Anders als den anderen Ampel-Parteien ist den Grünen klar geworden, dass sie nach den Niederlagen im Osten nicht weitermachen können wie gehabt", bemerkt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Aus Sicht der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG ist Habeck allerdings - Zitat: "... in großen Teilen der Bevölkerung unten durch. Während er im letzten Wahlkampf noch als das Gesicht der Grünen galt, das sogar CDU-Wähler begeistern konnte, ist die Lage heute eine andere. Als Wirtschaftsminister wollte er erst eine Gasumlage einführen, dann kamen Preisbremsen. Er stemmte sich für seine Partei gegen längere Laufzeiten für die verbliebenen Kernkraftwerke und brachte ein Heizungsgesetz auf den Weg, das das Land an den Rand der Verzweiflung trieb. Zuletzt hat der Wirtschaftsminister es nach einem Jahr der Gipfel und der Vorschläge nicht vermocht, die Stimmungslage zu drehen. In einem Wahlkampf, in dem Wirtschaft und Arbeitsplätze voraussichtlich das bestimmende Thema sein werden, bietet Habeck einfach zu viel Angriffsfläche", ist sich die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sicher.
Obwohl das Wort im Parteitagsantrag zu Habecks Kür nicht vorkam, wird er von führenden Grünen auch als "Kanzlerkandidat" bezeichnet. Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN meinen: "Robert Habeck geht es neben der persönlichen Befriedigung, endlich die schon 2021 angestrebte Spitzenkandidatur zu erhalten, vor allem darum, seine Partei bei der anstehenden Wahl so stark wie möglich zu machen. Wenn ihm die Teilnahme am Kanzler-Rennen dabei hilft, die Werte um zwei, drei Prozentpunkte zu steigern, dann soll ihm das recht sein."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz erinnert: "In Umfragen liegt die Partei gerade bei zehn, elf oder bestenfalls mal zwölf Prozent. Nun soll Habeck es schaffen, sie aus dieser Lage ins Kanzleramt zu führen – oder zumindest wieder in eine Regierung. In den vergangenen drei Jahren hat der Ruf der Grünen einen Schaden genommen, der weitreichend ist. Die Stimmung gegen sie ist ihr größter Feind im Wahlkampf. Wie Habeck das drehen will, wird die entscheidende Frage sein. Von ihr hängt ab, ob seine Mission gelingt – oder ob er scheitert."
In der SPD mehren sich die Stimmen, die eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz in Frage stellen oder sogar dezidiert ablehnen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG notiert zu diesem Thema: "An der Parteibasis ist die Solidarität mit dem Kanzler wachsenden Zweifeln gewichen, denen jetzt das SPD-Urgestein Müntefering seine immer noch in der ganzen Partei gehörte Stimme lieh. Das Plädoyer des ehemaligen Parteivorsitzenden, auf einem Sonderparteitag über die Kanzlerkandidatur zu entscheiden, ist ein Aufruf an Scholz, auf diese zu verzichten", folgert die F.A.Z.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest: "Nun grummelt es gewaltig – zunächst an der Basis, dann aus einzelnen Landesverbänden und jetzt offenbar auch in der Bundestagsfraktion. Klar, deren Mitglieder wollen möglichst wieder gewählt werden und ihnen dämmert, dass das mit Scholz – nun ja – schwierig wird. Der Wahl-Potsdamer hat 2021 eine Aufholjagd hingelegt. Doch nach diesen drei Jahren im Amt dürfte das nicht zu wiederholen sein", vermutet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.
"Zuerst war es ein Rinnsaal, dann ein kleines Flüsschen – nun droht aus der Scholz-Ablehnung innerhalb der SPD ein reißender Strom zu werden", glaubt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg. "Funktionäre und Mitglieder fürchten, bei der vorgezogenen Bundestagswahl mit dem derzeitigen Kanzler gewaltig abzuschmieren. Da mit Boris Pistorius ein populärer Spitzenkandidat vorhanden wäre, scheint einem Wechsel auch nichts entgegenzustehen. Ganz so einfach ist es allerdings nicht: Auch Olaf Scholz hat seinen Anhang innerhalb der SPD, der nicht gerade aus Hinterbänklern besteht. Der Kanzler ist, was die große Politik betrifft, deutlich gewiefter als der neue Publikumsliebling Pistorius. Zudem hat die US-Wahl gezeigt, wie ein Kandidaten-Tausch ins Auge gehen kann. Bei allen Bedenken sprechen Parteiinteressen und Emotionen aber für Pistorius", urteilt die VOLKSSTIMME.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG titelt "Scholz ist der Falsche" und zieht ebenfalls einen Vergleich mit den USA: "In der SPD suchen einige nach jemandem wie Nancy Pelosi. Die immer noch einflussreiche US-Demokratin war es, die im Juli mit ihrer Intervention maßgeblich Joe Biden zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur bewogen hatte. Die vergangenen Tage haben einiges in Bewegung gebracht, es läuft in Teilen der Basis eine Rebellion gegen eine erneute Kandidatur von Olaf Scholz. Ein einflussreicher Sozialdemokrat sagt es so: Es ist vorbei. Nun müsse es jemand vertraulich Scholz sagen. Und die Rolle der Nancy Pelosi könnte hierbei einem Duo zufallen, den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken. Sie und Fraktionschef Rolf Mützenich haben zuletzt alles dafür getan, eine Debatte um die K-Frage zu verhindern. Wenn sie tatsächlich an Scholz festhalten, dann sollten sie zügig seine offizielle Nominierung anstreben. Andernfalls läuft die Demontage auf Raten immer weiter", ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG überzeugt.
Zum Abschluss noch Stimmen zu den Vorwürfen an die FDP, den Bruch der Ampelkoalition von langer Hand geplant zu haben. Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus hält die Kritik der SPD an den Freien Demokraten für übertrieben, nimmt aber auch FDP-Chef Lindner ins Visier: "'Bösartigkeit', 'schäbig', 'Armutszeugnis' – darunter machen sie es nicht bei den Sozialdemokraten angesichts des nun veröffentlichten FDP-Fahrplans für den Koalitionsbruch. Es ist die erkennbar wahlkampfgetriebene Replik auf das, was FDP-Chef Lindner als der heilige Christian des Trennungstrios in den vergangenen Tagen versucht hatte: sich nämlich mit großer Geste zum Anstands-Sieger des Ampel-Aus zu erklären. Die Pläne allein, da hat Lindner recht, hätten weniger großen Neuigkeitswert. Erst von den ethischen Stufen aus, die er selbst bis ganz nach oben geklettert war, ergibt sich die Fallhöhe", analysiert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG formuliert es drastischer: "Erst das Land, dann die Partei? Christian Lindner hat zum zweiten Mal nach den geplatzten 'Jamaika'-Verhandlungen mit Union und Grünen im Jahr 2017 bewiesen, dass für ihn eine andere Reihenfolge gilt: Erst er, dann die Partei, dann irgendwann das Land. Das hat nichts mit politischer Überzeugung zu tun. Und das Schlimmste daran: Lindner und die Seinen nähren damit das Vorurteil, Politikern dürfe man soundso nichts glauben. Die Art, wie Lindner die 'Fortschrittskoalition' beendete, beschädigt den politischen Betrieb. Auch seine Partei sollte sich das nicht gefallen lassen", findet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg ergänzt: "2017 hatte der FDP-Chef seinen Unwillen immerhin noch mit dem seither vielzitierten 'Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren!' klar zum Ausdruck gebracht. Diesmal versteckte er das hinter einer Schmierenkomödie. Die FDP braucht sich nicht wundern, dass sie in aktuellen Umfragen unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt und bei der nun anstehenden Neuwahl wohl aus dem Bundestag fliegt. Wer nicht verantwortlich regieren will, den braucht man auch nicht wählen", argumentiert die NORDWEST-ZEITUNG, und damit endet diese Ausgabe der Presseschau.