Die BERLINER ZEITUNG bemerkt: "Im Nahen Osten bricht eine Zeitenwende an. Der Rebellensieg bedeutet das vorläufige Ende des iranischen Einflusses auf Damaskus. Unter Assad, dessen Familie der schiitischen Minderheit der Alawiten angehörte, diente Syrien den Politikern in Teheran als Brücke zu ihren Stellvertreter-Milizen im Libanon und im Gazastreifen, Hisbollah und Hamas. Die zweite Erkenntnis: Die weltliche, an das europäische Modell angelehnte Option gesellschaftlicher Entwicklung ist im Nahen Osten bis auf weiteres chancenlos. Auch in Syrien gelangen islamistische Kräfte an die Macht. Inwieweit sie gemäßigt sind oder nicht, etwa bei den Rechten von Frauen und von religiösen Minderheiten, wird sich zeigen", notiert die BERLINER ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG glaubt: "Einen großen Anteil an diesem zivilisatorischen Fortschritt hat ausgerechnet Israel. Denn es war Israel, das mit seinem militärischen Vorgehen gegen die wichtigsten Verbündeten des Diktators Baschar al-Assad den Weg dafür bereitet hat, dass sich die Opposition in Syrien durchsetzen konnte. Sowohl die Hisbollah als auch der Iran sind so geschwächt, dass sie nicht effektiv in Damaskus eingreifen konnten. Ob Israel den Effekt des Kriegs gegen Hisbollah und Iran auch gewollt hat, ist fraglich. Denn trotz des Bündnisses Syriens mit den schiitischen Kämpfern im Libanon und der Mittelmacht am Persischen Golf galt Assads Herrschaft in Tel Aviv als berechenbar. Assad wusste allzu aggressives Verhalten seiner Militärs gegen Israel zu unterbinden", analysiert die TAZ.
ZEIT ONLINE betont, in welche Richtung sich das Land entwickeln werde, sei derzeit völlig offen und fragt: "Wird es wirklich zu einer Übergabe der Macht von der Rebellenorganisation Hajat Tahrir al-Scham an zivile Politikerinnen und Politiker kommen, wie ihr Anführer Abu Mohammed al-Dschaulani andeutete? Wird es tatsächlich in absehbarer Zeit freie Wahlen und rechtsstaatliche Strukturen geben, Sicherheit vor staatlicher Willkür auch für Rückkehrer aus dem Ausland? Oder wird das Land womöglich doch in Machtkämpfen zwischen den unterschiedlichen Rebellengruppen versinken, wie es auch im Irak der Fall war nach dem Sturz Saddam Husseins? Bis man darüber Klarheit hat, werden wohl nicht Tage vergehen, sondern eher Monate, wenn nicht gar Jahre", vermutet ZEIT ONLINE.
SPIEGEL ONLINE gibt zu bedenken: "Niemand kann garantieren, dass Syrien nach dem Sturz der Assad-Diktatur ein friedliches und stabiles Land wird, womöglich sogar eine Demokratie. Die Erfahrungen des Arabischen Frühlings stimmen skeptisch. In Tunesien und Ägypten, wo die Menschen vor fast 14 Jahren die Regime stürzten und sich unbändig über ihre neue Freiheit freuten, herrschen heute wieder Diktatoren, teilweise autoritärer als zuvor. In Ägypten endete der Aufbruch, bevor er überhaupt beginnen konnte. In Tunesien begann die Geschichte hoffnungsvoll, aber endete traurig. In Libyen herrschte von Anfang an nur Chaos." So weit SPIEGEL ONLINE und so viel zu diesem Thema.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) geht ein auf die Debatte über den Umgang mit Schutzsuchenden aus Syrien und hält diese für unpassend. "Zunächst sollte vor allem eins im Mittelpunkt stehen: dass man dem nicht unerheblichen Teil dieser Menschen, für die Deutschland zum Zuhause geworden ist, von denen viele deutsche Staatsangehörige sind, zeigt, dass sie dieses Land in der Tat bereichern. Deswegen müsste es erst einmal heißen, frei nach Max Frisch: Bleibt als Menschen, als Teil der Gesellschaft und nicht nur als Arbeitskräfte. Die oft heraufbeschworene Willkommenskultur, ihr großer Moment ist nun gekommen. Wenn sie von einem auf den anderen Tag enden kann, wäre das eine fatale Nachricht, die Deutschland auch anderen Menschen in der Welt sendet", mahnt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen findet, es sei beschämend, wenn Politiker wie "Unions-Fraktionsvize Jens Spahn laut über Charterflüge und 1.000-Euro-Prämien für jeden nachdenken, der geht. Angemessen und naheliegend sind dagegen die folgenden Fragen: Wie reagieren die in Deutschland lebenden fast eine Million Syrerinnen und Syrer in den nächsten Wochen und Monaten auf die guten Nachrichten aus der Heimat? Werden viele von ihnen zurückkehren? Die humanitäre Lage in Syrien ist nach dem jahrelangen Bürgerkrieg nur mit einem Wort zu beschreiben: katastrophal. Wenn es unglücklich läuft, könnten sogar noch mehr Flüchtlinge nach Europa und speziell nach Deutschland kommen. CDU und CSU auf dem Weg, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen, sollten ihr Erwartungsmanagement insofern nachjustieren", empfiehlt die WAZ.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg wirft ein: "In Deutschland leben fast eine Million syrische Staatsbürger, gut 700.000 mit Schutzstatus – klar, dass dieses Thema rational und emotional von höchster Brisanz ist. Es lässt sich einfach nicht mit Vorwürfen von banalem Populismus oder falschem Aktivismus wegdiskutieren. Diese Einsicht hat sogar staatliche Behörden zu einem ungewohnt entschlossenen Handeln veranlasst: Das Bundesamt für Migration stoppt erst einmal die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrern. Das Schicksal der Flüchtlinge – mit oder ohne Anerkennung – wird davon abhängen, ob ein freier Staat in Syrien entsteht. Aufgeregte Voreiligkeit ist fehl am Platze - und zwar in alle Richtungen", mahnt die VOLKSSTIMME.
Mit der Reise von Unions-Kanzlerkandidat Merz in die Ukraine beschäftigt sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Wenn der amtierende deutsche Kanzler zwölf Wochen vor der Bundestagwahl den Weg nach Kiew findet und nur eine Woche später sein Herausforderer folgt, dann ist das für die Menschen in der Ukraine ein gutes Zeichen. Olaf Scholz und Friedrich Merz haben sich so zur weiteren Unterstützung des kriegsgeplagten Landes bekannt. Das wiegt die Unsicherheit über die Absichten des künftigen US-Präsidenten Donald Trump nicht annähernd auf, für die Ukrainer ist es dennoch wichtig. Auch darum mag es Scholz wie Merz gegangen sein. Die Vorstellung, beide Reisen seien nicht schon Teil ihres Wahlkampfs, wäre trotzdem naiv", kommentiert die SÜDDEUTSCHE.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf beobachtet: "CDU-Chef Merz hat mehr als solidarische Worte zunächst einmal nicht im Gepäck. Wie auch als Oppositionsführer? Aber: Das grundlegende Signal zählt. Wer immer auch nach der Bundestagswahl Deutschland als Kanzler regieren wird, Scholz oder Merz, am Beistand für die Ukraine soll sich nichts ändern. An Art und Umfang vielleicht schon, wie die Debatte um die Lieferung des Taurus zeigt. Gleichwohl wird ein Kanzler Merz nicht einfach so weitreichende Entscheidungen treffen können. Wie Scholz muss er sich dann eng mit den Verbündeten abstimmen; erst recht, wenn Donald Trump ab Ende Januar wieder US-Präsident ist. Dann könnte für die Ukraine-Unterstützung eine grundlegend neue Phase anbrechen. Und zwar ohne die USA, dafür aber notgedrungen mit mehr Europa. Die eigentlichen Herausforderungen für die nächste Bundesregierung und den nächsten Kanzler stehen also noch an", ist sich die RHEINISCHE POST sicher.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erwartet: "Es wird in nächster Zeit nicht mehr so sehr um Waffensysteme und Reichweiten gehen, sondern um die Beendigung des Krieges mit diplomatischen Mitteln. Trump hat gerade deutlich gemacht, dass er einen Waffenstillstand erreichen will und dass die Ukrainer sich auf weniger Hilfe aus Washington einstellen müssen. Eine 'konsequente' Unterstützung der Ukraine, wie sie Friedrich Merz nun noch einmal in Kiew forderte, kann an der grundsätzlichen Entwicklung nichts ändern. Die Europäer sind zu schwach, um das Land allein zu stützen. Ganz untergehen sollte Europas Stimme bei der Neuordnung des eigenen Kontinents allerdings nicht, deshalb geht Merz’ Vorschlag zur Bildung einer Kontaktgruppe in die richtige Richtung", lesen wir in der F.A.Z. zum Ende der Presseschau.