![Mario Voigt bei seiner Vereidigung zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen. CDU-Politiker Voigt ist zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden und führt Deutschlands erste Brombeer-Koalition an. Mario Voigt bei seiner Vereidigung zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen. CDU-Politiker Voigt ist zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden und führt Deutschlands erste Brombeer-Koalition an.](https://bilder.deutschlandfunk.de/d6/03/e6/b1/d603e6b1-cfa7-4cfa-95ca-7626cfa87893/landtag-thueringen-voigt-vereidigung-100-1920x1080.jpg)
"Ob die Brombeer-Koalition dem Land Thüringen wohl Glück bringen wird?", fragt das STRAUBINGER TAGBLATT: "Der Start ist jedenfalls glatt verlaufen, denn Mario Voigt ist im ersten Wahlgang gewählt worden. Was keine Selbstverständlichkeit war, schließlich verfügt die Koalition aus Voigts CDU, der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht nur über 44 von 88 Stimmen."
Die TAGESZEITUNG - TAZ - hält fest: "Christdemokrat Voigt ist ein ziemliches Kunststück gelungen: Mit viel Kreativität und Biegsamkeit sowie einem großen Willen zur Macht hat er die CDU in Thüringen zurück in die Regierung gebracht. Mit einer Koalition, die im Landtag nur die Hälfte der Stimmen, also keine eigene Mehrheit hat, und mit einem Beschluss seiner Bundespartei, der die Zusammenarbeit mit der Linkspartei untersagt. Voigts Parteifreund Michael Kretschmer, der das Ganze in Sachsen noch vor sich hat, dürfte ihn darum beneiden. Der Preis dafür ist allerdings hoch. CDU und SPD sind ein Bündnis mit dem jungen BSW eingegangen; ob das zu stabiler Regierungsarbeit in der Lage ist, ist völlig offen", erläutert die TAZ.
"So reibungslos wie die Wahl von Voigt wird der Regierungsalltag kaum verlaufen", meint auch die STUTTGARTER ZEITUNG: "Nicht allein, weil er sich ständig neue Mehrheiten suchen muss, um Gesetze und den Landeshaushalt absegnen zu lassen. Die AfD, größte Partei im Landtag, wird sich alle Mühe geben, Sand in den Regierungsbetrieb zu streuen – und Voigts Legitimität in Zweifel zu ziehen. Dafür wird ihr der Ministerpräsident mit jeder Abstimmung, bei der er sich auf die Linke stützen muss, neue Stichworte liefern. Die Rechtspopulisten verfügen zudem über eine Sperrminorität, die es ihnen ermöglicht, Verfassungsänderungen oder die Wahl von Richtern des Verfassungsgerichts zu blockieren", erinnert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST bemerkt zur Rolle der Linken: "Die Thüringer Linke war die große Verliererin der Landtagswahl Anfang September, die Wähler schickten sie von der Regierungs- auf die Oppositionsbank. Am Donnerstag hat sie sich erneut als Kraft erwiesen, auf die Verlass ist, wenn es darauf ankommt. Die Bundes-CDU von Friedrich Merz sollte die Vorgänge von Erfurt zum Anlass nehmen, ihre Haltung zur Linkspartei – oder besser zu dem, was noch davon übrig ist – grundlegend zu überdenken. Warum die moskautreue Abspaltung BSW notfalls als Partner infrage kommen kann, die pragmatischen Teile der Linkspartei aber nicht, haben Merz und seine Leute bis heute nicht überzeugend erklärt", findet die BERLINER MORGENPOST.
Der TAGESSPIEGEL - ebenfalls aus Berlin - sieht es ähnlich: "Die bisherige reine Lehre der CDU, die Gleichbehandlung von Linken und AfD, war schon immer fragwürdig. Ja, die Linke ist eine Nachfolgepartei der SED (so wie die CDU Nachfolgepartei der regimetreuen DDR-CDU ist). Doch die Linke hat sich längst gehäutet und demokratisch bewährt. Sie ist genau so im Westen angekommen wie Thüringens CDU, und gewiss mehr als Sachsens CDU."
"Willkommen in der neuen Realität der bröckelnden Brandmauern", unterstreicht die LAUSITZER RUNDSCHAU: "Das Dilemma für die Union besteht darin, dass die Zusammenarbeit mit der Linken praktisch dazu führt, dass die AfD als einzige wirkliche Opposition im Thüringer Landtag wahrgenommen werden dürfte. Wer beim nächsten Mal gegen das Regierungshandeln abstimmen will, wird wohl bei ihr sein Kreuz machen. Um die AfD von der Macht fernzuhalten, helfen Allparteienbündnisse auf Dauer nicht weiter. Sondern nur gute Politik." Wir zitierten die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER bewertet die Zusammenarbeit von CDU und Linken in Thüringen als gutes Zeichen für die Demokratie: "Die Unvereinbarkeit von Positionen ist nichts, was irgendwo beschlossen werden müsste. Sie ergibt sich ganz automatisch aus den Grundhaltungen der verschiedenen demokratischen Parteien und ihrem Willen beziehungsweise Unwillen, mit politischen Konkurrenten Kompromisse zu schließen. Überhaupt täte es unserer Demokratie gut, wenn es wieder mehr sachlichen Diskurs und weniger moralischen Dogmatismus in den Parlamenten gäbe. Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern eine kluge Sachpolitik und keine ideologischen Grabenkämpfe", betont der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gibt zu bedenken: "Die Bildung immer bunterer Regierungen geht mit einem Paradox einher: Je heterogener diese Bündnisse sind, je mehr sie unter innerer Spannung stehen, desto mehr steigt der Leistungsdruck. Denn sie sind trotz ihrer Unvollkommenheit zum Erfolg verdammt. Scheitern sie, gewinnen die Populisten einen talking point dazu: 'Wir haben es euch immer gesagt – die Alt-Parteien können es einfach nicht.' Sollten sich die heutigen Entwicklungen fortsetzen, könnten insbesondere im Osten Parteien wie AfD und BSW mittelfristig eine Mehrheit erreichen und gemeinsam regieren. Auch dies wäre eine heterogene Koalition – eine zum Fürchten", notiert die SZ.
Themenwechsel: Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befasst sich mit der Lage in Syrien nach dem Sturz von Machthaber Assad und den Möglichkeiten westlicher Einflussnahme: "Europa hat nicht viel zu melden gehabt in Syrien in den vergangenen Jahren, obwohl es die Folgen des Bürgerkriegs mehr zu spüren bekam als andere Weltregionen. Auch Deutschland hatte praktisch keinen Einfluss, obwohl es durch die Flüchtlingswelle unmittelbar betroffen war. Wenn jetzt über ein Engagement beim Neuanfang des Landes gesprochen wird, dann sollte man nicht vergessen, dass die europäische Machtlosigkeit auch selbst verschuldet war. Wer Isolation als außenpolitische Strategie wählt, der beschneidet seine Möglichkeiten und überlässt das Feld anderen. In Syrien waren das bekanntlich Russland und Iran. Deshalb sollte man den siegreichen Aufständischen jetzt nicht gleich wieder ein grünes Lastenheft vorlegen. Wenn Baerbock eine Zusammenarbeit von einem Idealzustand abhängig macht, zu dem Frauenrechte und Minderheitenschutz gehören, dann hat das mehr mit deutschen Ansprüchen zu tun als mit der syrischen Realität. Deutschland muss lernen, dass Außenpolitik nicht Missionierung ist, sondern in erster Linie Interessenwahrung", stellt die F.A.Z heraus.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kritisiert die deutsche Debatte über den Umgang mit syrischen Schutzsuchenden: "Der Terror, der in Syrien zutage tritt, straft alle Lügen, die in Assads Staat ein 'sicheres Herkunftsland' sehen wollten. Sicher war das höchstens für jene, die dem Regime genehm waren - wenn überhaupt. Die sich offenbarenden Gräuel sollten auch alle zur Zurückhaltung mahnen, die sich gerade mit Rückkehr-Forderungen überbieten. Die HTS hat Syrien zwar von Assad befreit. Ob die Miliz sich aber als Wächterin der Menschenrechte entpuppt, ist noch lange nicht ausgemacht."
Auch die WIRTSCHAFTSWOCHE moniert: "Die Foltergefängnisse des Diktators waren noch nicht einmal gestürmt, da wurden 'die syrischen Flüchtlinge' zu Slogans auf dem Markt der politischen Forderungen. Als ginge es 24 Stunden nach dem historischen Sturz um ein Problem, dessen man sich schnell en bloc entledigen könnte. Klar, niemand vergaß zu erwähnen, dass es für eine Beurteilung der Lage in Syrien zu früh ist – was ja aber Kern des Problems ist: Niemand weiß, ob in dem zerstörten Land nur ein Albtraum endet oder ein neuer beginnt. Und damit eine Flucht Richtung Europa. Ob Syrien ein zweiter Irak oder ein zweites Libyen wird, oder ein Land, dem der Wiederaufbau gelingt. Deshalb ist es fahrlässig, eine solch unübersichtliche Lage (wenig durchdacht) auf Wahlkampfformeln runterzubrechen. Auch wenn die Migration im Wahlkampf zu Recht eine zentrale Rolle spielt."