14. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird etwa die Ernennung von François Bayrou zum neuen französischen Premierminister. Zunächst aber zu einem anderen Thema: SPD und Grüne haben sich mit ihrem früheren Koalitionspartner FDP auf moderate Steuerentlastungen und eine Erhöhung des Kindergelds verständigt.

Das Foto zeigt Francois Bayrou an einem Rednerpult.
Francois Bayrou ist der neue französische Premierminister. (AFP / FRED TANNEAU)
Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Das passt zur zerbrochenen Ampelregierung. Nach dem Kollaps der Koalition schließen SPD, Grüne und FDP unter größtem Getöse noch einmal einen kleinstmöglichen Kompromiss. Die Parteien würden sich gerne dafür feiern lassen, dass sie die Eckwerte der Steuerrechnungen anpassen. Applaus hat die Ampel dafür aber nicht verdient, auch wenn die früheren Koalitionäre nun betonen, dass ihr Kompromiss, die Bürger zu entlasten, extra vor Weihnachten komme. Denn ein echtes Geschenk sind diese Entlastungen nicht, wenn man genauer hinschaut. Die geplanten Änderungen verhindern nur, dass der Staat zusätzliche Steuereinnahmen kassiert", bemerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Das ist keine Wiederbelebung der Ampel, wohl aber die Erfüllung eines ihrer Versprechen", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "Der Steuerentlastung und Erhöhung des Kindergeldes stimmt die jetzt oppositionelle FDP zu, nachdem bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Freilich muss das Vorhaben noch durch den Bundesrat, wo dann auch andere Farbe bekennen müssen. Wer will sich schon, so wird die Frontstellung lauten, einer Entlastung der Mitte und von Familien verweigern? Eine weichenstellende Gretchenfrage ist dieser konkrete Plan nicht. Klar ist: Die Rumpfregierung unter Bundeskanzler Scholz will noch möglichst viel liefern, die FDP nicht als Totalverweigerin auch eigener Projekte dastehen. Und die Union will dem Koalitionsrest keinen unnötigen Gefallen tun, sondern nach der Wahl lieber selbst Wohltaten beschließen", vermutet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG ist folgender Meinung: "Bisher sah es schlecht aus für das Gesetz zum Kampf gegen die kalte Progression, für das sich gerade SPD und Grüne zuletzt vehement starkmachten. Doch zunächst blieben Union und FDP hart, ein letztes Hurra wollte man Rot-Grün nicht gönnen. Gleichzeitig war es komisch, dass ausgerechnet Christian Lindners FDP bei 'seinem' Gesetz nicht mitmachen wollte, das in der Vergangenheit wiederum die jetzt aktiven Grünen und SPD blockierten – aus Angst, dass vor allem besserverdienende Haushalte profitieren würden. Alle drei Partner dürften nun vor allem eine Chance in der Einigung gesehen haben: Sie können in den Wahlkampfwochen damit werben, dass sie es waren, die die Entlastungen beschlossen haben. Und nicht erst eine neue Regierung. Ob die Wähler ihnen das danken, zeigt sich am 23. Februar." So weit die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder).
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält fest: "Für Noch-Kanzler Olaf Scholz ist die Einigung der früheren Ampelparteien ein nicht zu unterschätzender Erfolg. Er hatte in den vergangenen Wochen immer wieder bei der Union darum geworben, die Steuersenkungen zusammen auf den Weg zu bringen. Doch Kanzlerkandidat Friedrich Merz wollte Scholz nicht einmal mehr das Schwarze unter den Nägeln gönnen. Die Restregierung sollte vorgeführt werden, ihr sollte nichts mehr gelingen. Doch nun steht die Union wie ein begossener Pudel da. Für die Öffentlichkeit ist sie diejenige politische Kraft, die der Bevölkerung die Steuersenkungen vorenthalten wollte. Die Strategie von Merz ist krachend gescheitert", urteilt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt auf die Wohnungs- und Mietkrise in Deutschland: "Wohnen ist ein Grundrecht. Doch seit Jahren liegt es damit im Argen. Wohnraum ist knapp, vor allem in den Großstädten, und die Mieten dort explodieren förmlich. Das kann Parteien bei den anstehenden Neuwahlen auf die Füße fallen. Und so wird versucht, Tatendrang zu demonstrieren, bis hinauf zu Bundeskanzler Scholz. Im Oktober plädierte er dafür, in Ballungszentren neue Stadtteile auf der grünen Wiese zu bauen, so wie in den 1970er-Jahren. Das zu wiederholen, wäre Unsinn. Vielmehr kommt es darauf an, andere Potenziale für mehr Wohnungen zu heben. Die Möglichkeiten im Gebäudebestand sind enorm. Bis zu 330.000 zusätzliche Wohneinheiten pro Jahr könnten laut einer Analyse mit Aufstockungen, Büro-zu-Wohnraum-Umwandlung, Aktivierung von Leerstand und Hausteilungen entstehen", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG merkt an: "Immer mehr Leute stellen sich die Frage: Nimmt die Politik wahr, zu welchen Verschiebungen es inzwischen im Land zu kommen droht? In vielen Köpfen verfestigt sich der Eindruck, Deutschland funktioniere nurmehr nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben; wer wenig hat, kommt nicht zum Zug – eine ungute Entwicklung. Vor allem die Wohnungsmisere wird so zur neuen sozialen Frage. Hier von Marktversagen zu sprechen, ist längst angebracht. Auf dem Mietmarkt entscheidet sich, wie es um den gesellschaftlichen Frieden im Land bestellt bleibt. Neben der Ankurbelung des Wohnungsbaus wäre eine schärfere Mietpreisbremse wohl das Mindeste", fordert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Nun zum neuen französischen Premierminister. Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER führt aus: "Die Ernennung von François Bayrou ist kein Befreiungsschlag. Denn der ehemalige Bürgermeister von Pau genießt zwar das Vertrauen des Präsidenten, doch er hat keine Mehrheit im Parlament. Und es sieht auch nicht danach aus, als ob er die zerstrittenen Lager im französischen Parlament zusammenführen könnte. Bayrou ist ein Mann des Übergangs, der auf die Duldung des linken Lagers angewiesen ist. Seine Aufgabe ist es, seinem Präsidenten den Rücken freizuhalten und möglichst lange zu regieren. Zumindest der Anschein der Handlungsfähigkeit soll gewahrt werden. In Wirklichkeit wird Frankreich ein Land sein, das im Verwaltungsmodus geführt wird. Denn für Richtungsentscheidungen fehlen Bayrou einfach die politischen Mehrheiten", gibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER zu bedenken.
"Wer sich nach einem gescheiterten Übergangspremier als nächster Ministerpräsident für Emmanuel Macron in die Bresche werfen will, muss aus besonderem Holz geschnitzt sein", ist in der VOLKSSTIMME zu lesen: "Das ist  François Bayrou gewiss: Der kernige Franzose hat Mandate auf allen Ebenen bekleidet, ist aufgestiegen und abgestürzt und immer ein Mann der Mitte geblieben. Gute Voraussetzungen, so scheint es, um in der Nationalversammlung ein Mindestmaß an Einigkeit zwischen Präsidentenfraktion und linkem Lager zu erreichen – erklärtermaßen gegen die Rechten mit dem Rassemblement National an der Spitze. Ob dies durch feste Vereinbarungen und lockere Tolerierung geschieht, wäre nicht entscheidend. Sollte er das schaffen, hätte Bayrou viel erreicht. Für Frankreich und vor allem für den Präsidenten. Ihm wollen die extremen Rechten und Linken ans Leder. Deshalb ist derzeit jeder Premierminister in Frankreich zuerst ein Prellbock für Macron. Danach kommt der Krisenmanager für das Land", meint die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm erläutert: "Eine Minderheitsregierung ist äußerst anfällig für Störmanöver derjenigen Parteien, auf die sie sich stützt. Bei Bayrous Vorgänger Barnier konnte man es beobachten: Auch der rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen, mit dessen Duldung Barnier ins Amt kam, versagte ihm später das Vertrauen. Le Pen verfolgt das Ziel, Macron zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen zu drängen. Jedes Wackeln eines von ihm ernannten Premiers bringt sie diesem Ziel näher."
Das Magazin CICERO wirft ein: "Bayrou wird sicherlich das Ziel haben, Zustimmung vom – radikalen – linken Wahlbündnis unter Jean-Luc Mélenchon zu bekommen. Aus diesem waren aber schon im Vorhinein Stimmen gegen den Macron-Vertrauten laut geworden. Macron steht durch den Sturz der Regierung selbst unter Druck, zurückzutreten. Die Nominierung Bayrous ist daher auch ein Versuch, seine eigene Präsidentschaft noch bis zum turnusmäßigen Ende 2027 zu retten."