16. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zum neuen Fahrplan und zum Stand der Sanierungen bei der Deutschen Bahn. Beherrschende Themen auf den Meinungsseiten der Zeitungen sind aber die Vertrauensfrage, die Bundeskanzler Scholz heute stellen will, und der Wahlkampf für den Bundestag.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält im seitlichen Portrait auf der Regierungsbank sein Mobiltelefon in der Hand.
Olaf Scholz plant, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen: Das ist ein beherrschendes Thema in der Presseschau (Archivbild). (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
In der VOLKSSTIMME aus Magdeburg lesen wir dazu: "Heute beginnt vermutlich das letzte Kapitel in der Kanzlerschaft von Olaf Scholz: Aus dem gewählten Chef einer selbsternannten, aber krachend zerbrochenen 'Fortschritts-Koalition' wird der nur noch geschäftsführende Abwickler einer rot-grünen Minderheitsregierung. Dabei will sich Scholz heute vom Bundestag den Rücken stärken lassen – offiziell zumindest. Denn das Absurde an der Situation ist, dass er bei seiner Vertrauensfrage mehr Nein- als Ja-Stimmen braucht. Nur dann nämlich geht der Plan auf, den Bundestag auflösen und am 23. Februar neu wählen zu lassen", so die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) bilanziert: "Zum sechsten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird über die Vertrauensfrage abgestimmt, zum dritten Mal nach der Wiedervereinigung. Ein historischer Augenblick. Es handelt sich um einen dieser Momente, in denen die Republik stillzustehen scheint, wo sich die Dinge klären, in denen eine Zeit zu Ende geht und Raum für etwas Neues geschaffen wird oder zumindest: geschaffen werden kann. Vieles deutet darauf hin, dass auch die anstehenden Wahlen wieder ein Bündnis produzieren werden, deren Parteien erneut rechts und links der Mitte angesiedelt sind. Das heißt, die Grundkonflikte der Ampel bleiben weiterhin bestehen. Die gute Nachricht lautet, es handelt sich nicht um die erste Krise, die das Land besteht. Die Menschen hierzulande haben schon oft Probleme gemeistert. Es wird ihnen auch wieder gelingen", erwartet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die LANDSHUTER ZEITUNG fordert: "Wenn Bundestag und Bundespräsident nun den Weg für Neuwahlen freimachen, sollten die Parteien dies mit Demut aufnehmen. Die Verfassung gibt ihnen die Chance, früher als geplant für neue Mehrheiten zu werben und so die Stabilität zu schaffen, die das Land angesichts der weltpolitischen Lage - Nahost, Putin, Trump - dringend braucht. Die Vertrauensfrage ist ein ernstes Instrument für ernste Zeiten. Wer es einsetzt, oder, wie die Opposition im Bundestag, davon profitieren will, muss dieser Ernsthaftigkeit im Wahlkampf dann auch gerecht werden."
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es: "Am Montagmittag ist Schluss mit Vorwahlkampf. Nachdem Olaf Scholz dem Bundestag die Vertrauensfrage gestellt hat, ist das Präfix offiziell überflüssig. Schön wäre es, wenn mit ihm noch etwa anderes verschwinden würde: das Zurschaustellen der übergroßen Egos der drei Kanzlerkandidaten. Bislang kämpfen Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck nicht um die deutschen Wähler, sondern in allererster Linie um ihr Image. Friedrich Merz wäre so gern der große Staatsmann, ist aber damit beschäftigt, den unberechenbaren Teil seiner Persönlichkeit - und Markus Söder - im Zaum zu halten. Olaf Scholz ist vor allem gern Olaf Scholz, muss den Wählern aber schleunigst erklären, warum das überhaupt eine gute Sache ist. Robert Habeck möchte gern derjenige sein, demdie Menschen vertrauen – mit dem Schönheitsfehler, dass er ihnen dazu zuletzt wenig Anlass gegeben hat", bemerkt die SZ.
Grünen-Spitzenkandidat Habeck spricht sich für eine Milliardärssteuer aus, um damit Schulen zu stärken. Aus Sicht von ZEIT ONLINE überwiegen die Argumente dafür: "Allerdings hätte man von Habeck gerne direkt erklärt bekommen, wie er sich seine Milliardärssteuer konkret vorstellt, wie er die Gegenargumente seiner Kontrahenten entkräften und wie er das Geld den Schulen zugutekommen lassen will, wo Schulpolitik doch Ländersache ist und eine Steuer nicht zweckgebunden sein darf. Und doch ist es richtig, dass Habeck im Wahlkampf in die Rolle des Robin Hood unter den Kanzlerkandidaten schlüpft. Ein Populismus, der ehrlich dem Gemeinwohl dient, hätte etwas Heldenhaftes", glaubt ZEIT ONLINE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält zu den Plänen von CDU und CSU fest: "Die Union geht mit ihrem Wirtschaftsprogramm ins Risiko. Nicht, weil sie dem Land schmerzhafte Reformen verordnet, sondern weil sie viel verspricht, ohne zu sagen, wie sie es bezahlen will. Damit bietet sie ihren Gegnern im Wahlkampf Angriffsfläche. Die gehen zwar auch mit großen Versprechen ins Rennen, gestehen aber wenigstens ein, dass dafür mehr Schulden nötig sind. Inhaltlich geht manches in die richtige Richtung. Niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und mehr Arbeitsanreize sollen die Wirtschaft zum Laufen bringen. Solche angebotsorientierten Reformen sind das richtige Rezept in der strukturellen Krise. In zentralen Bereichen fehlen aber Reformkonzepte und Ideen zur Gegenfinanzierung", ist die F.A.Z. überzeugt.
Zum Wahlprogramm von CDU und CSU schreibt das Magazin CICERO: "Das ist wahrscheinlich das Dilemma der Unionsparteien: Sie wissen, dass ohne ein wenig Disruption der Standort Deutschland und sein Wohlfahrtsmodell nicht zu retten sind. Und sie wissen zugleich, dass mit zu viel Disruption ihr Wahlsieg gefährdet sein könnte. Also stürzen sie sich auf den Staat zur Entfesselung der Marktkräfte. Er soll zurückgestutzt werden. Worauf das alles hinausläuft: mehr Freiheit und Dynamik unter gleichzeitiger Inkaufnahme von weniger Gerechtigkeit und mehr Ungleichheit. Die Idee der Unionsparteien ist, dass dem Land mehr geholfen wäre, wann es sich endlich wieder in Bewegung setzte und den Reichtum für alle sicherte", unterstreicht CICERO.
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin blickt auch auf Vorschläge der Sozialdemokraten: "Scholz fordert, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel um zwei Prozentpunkte zu senken. Außerdem will die SPD bundesweit kostenlose Schul-Mahlzeiten einführen. Wer soll all das bezahlen? Die Forderungen von Union und SPD deuten auf einen Wahlkampf der Viel-Versprechen hin. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich an Sozial-Populismus nicht überbieten lassen will, wird da kräftig nachlegen müssen."
Themenwechsel. In mehreren Zeitungs-Kommentaren geht es um den neuen Bahn-Fahrplan und den Stand der Sanierungen. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm ist folgender Meinung: "Nachdem die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim generalsaniert wurde, fürchten die Nutzer des pünktlichen Ersatzverkehrs das zurückkehrende Bahnchaos. Aber man muss nicht alles schlechtreden. Die Preiserhöhungen zum Fahrplanwechsel sind moderat und treffen eher die, die es sich leisten können. Die Riedbahn ist in rekordverdächtigen fünf Monaten saniert worden. Und wenn es stimmt, was Verkehrsminister Wissing ankündigte, werden durch die Sanierung Verspätungen bundesweit reduziert. Es stehen allerdings noch viele weitere Sanierungen an. Dass aber die unzuverlässige Bahn mittlerweile den Menschen, der Wirtschaft und nicht zuletzt dem Ansehen des Landes schadet, hat die Politik mittlerweile erreicht. Egal, wer künftig regiert, die Bahn darf sehr viel politische Aufmerksamkeit erwarten. Das sollte uns hoffen lassen", betont die SÜDWEST PRESSE.
Eine andere Perspektive bietet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Die Deutsche Bahn hat sich nicht etwa dadurch zu einer der meist verachteten Institutionen des Landes entwickelt, weil sie bisweilen hinter ihren Versprechungen zurückblieb. Das passiert jedem: Scheitern ist menschlich. Was man der Bahn so schwer verzeiht, ist etwas anderes: dass das Unternehmen den eigenen Unzulänglichkeiten seit Jahr und Tag diese freche Gleichgültigkeit entgegenbringt, die sich nur aus dem Selbstverständnis eines Quasi-Monopolisten erklären lässt. Dass die Bahn am Ende eines weiteren Pannenjahres, auch noch derart drastisch ihre Preise erhöht, teilweise um 5,9 Prozent, fügt dieser Haltung eine weitere empörende Facette hinzu."