20. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die Urteile im Missbrauchsprozess um Gisèle Pelicot sowie die Fernsehveranstaltung des russischen Präsidenten Putin. Zunächst aber geht es um eine Grundgesetzänderung, die der Bundestag zum Schutz des Bundesverfassungsgerichtes beschlossen hat.

Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht verlassen den Sitzungssaal in ihren roten Roben.
Der Bundestag hat eine Grundgesetzänderung beschlossen, um das Bundesverfassungsgericht besser zu schützen. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Dazu schreibt ZEIT ONLINE: "Mit deutlicher Mehrheit hat der Bundestag neue Regeln beschlossen, mit denen das Verfassungsgericht gegen mögliche Angriffe von Verfassungsfeinden geschützt werden soll. Mit 600 Stimmen, gegen den Widerstand der AfD, wurden Reformen im Grundgesetz und im Bundesverfassungsgerichts-Gesetz verabschiedet, die ein Durchregieren autoritärer oder illiberaler Parteien gegen Karlsruhe deutlich erschweren würden. Das Votum zeigt: Wenn es ans staatspolitisch Eingemachte geht, an die Grundlagen der Republik, dann stehen die Parteien der Mitte auch weiter zusammen. Trotz Ampelbruch. Trotz Wahlkampf. Trotz aller Verletzungen und Giftereien. Das ist die gute Nachricht. Und doch gibt es ein 'Aber'. Der jetzt gefundene Kompromiss geht nicht weit genug. Der Bundestag hat das Gericht wetterfester gemacht – aber nicht auf schwere Stürme vorbereitet", moniert ZEIT ONLINE.
Auch der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG gehen die Änderungen nicht weit genug: "So kommt das Quorum von zwei Dritteln zur Wahl von Verfassungsrichtern nicht in die Verfassung, sondern bleibt im Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Ohnehin ist die Wachsamkeit der Demokraten längst nicht ausgeprägt genug."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG empfiehlt: "Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Die Änderung des Grundgesetzes führt zwar dazu, dass mit einfacher Mehrheit die Organisation des Bundesverfassungsgerichts und die Wahl sowie die Amtszeit der Richter nicht geändert werden können. Aber wer diese Mehrheit hat, der regiert - und wird dann Gesetze in allen Bereichen für alle Bereiche des Lebens beschließen und die Ministerien sowie die Spitzen von Militär und Sicherheitsbehörden besetzen können. Das Karlsruher Bollwerk würde dann, so die Hoffnung, alle grundgesetzwidrigen Auswüchse in die Schranken weisen. Schon der faktische Einfluss einer starken Minderheit, die nach dem Willen der Mehrheit auf keinen Fall 'Sperrminorität' sein soll, ist nicht zu unterschätzen. Schon jetzt ist der Vorwurf zu hören, das Karlsruher Gericht wie auch die Spitzen anderer Institutionen dürften sich nicht vom demokratischen Souverän entkoppeln", prophezeit die FAZ.
"Das Bundesverfassungsgericht ist der Schiedsrichter der Demokratie", notiert die MÄRKISCHE ODERZEIZUNG aus Frankfurt (Oder): "Und solange Karlsruhe keinen Platzverweis ausstellt, dürfen auch die Rechten mitspielen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Parteien in anderen europäischen Ländern, die der AfD ideologisch nahestehen, mit voller Wucht die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichte eingeschränkt haben. Mit dem Schiedsrichter auf ihrer Seite können sie foulen, so viel und so hart sie wollen. Grund- und Minderheitenrechte werden zum Papiertiger. Es war zwingend notwendig, dass die früheren Ampelparteien und die Union jetzt gemeinsam im Bundestag beschlossen haben, dass die Regeln für das oberste Gericht nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit, also mit einem breiten Konsens, geändert werden können. Das sollte garantieren, dass das Spiel fair bleibt", hofft die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz hebt hervor: "Das Grundgesetz ist die beste, weil tauglichste Verfassung in der deutschen Geschichte. Es hat sich nicht nur während der Nachkriegsteilung als Basis der staatlichen Ordnung der alten Bundesrepublik bewährt. Es hat sich auch im wiedervereinten Deutschland als Fundament und Stütze des demokratischen Gemeinwesens erwiesen. Bewährt hat sich vor allem auch die Institution des Bundesverfassungsgerichtes. Das höchste deutsche Gericht ist inzwischen die staatliche Instanz, die in der Bevölkerung das größte Vertrauen genießt. Es ist gut, dass der Bundestag die notwendige Mehrheit mobilisieren konnte, um Maßnahmen zu seinem dauerhaften Schutz zu beschließen", bilanziert die FREIE PRESSE.
"Dass ein verstärkter Schutz des Verfassungsgerichtes überhaupt notwendig werden könnte, hätte bis vor wenigen Jahren kaum jemand gedacht", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Dann aber kam die AfD und hangelte sich von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Mit Blick auf die diesjährigen Wahlergebnisse in Thüringen, Sachsen und Brandenburg scheint es also dringend angebracht, die Unabhängigkeit der Justiz in Bund und Ländern besser gegen politische Eingriffe durch illiberale Kräfte zu sichern", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Themenwechsel. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasst sich mit dem Vergewaltigungsprozess von Avignon: "Ganze 14 Wochen hat dieser Prozess gedauert, 14 Wochen lang hat er Frankreich aufgewühlt, die Welt schaute zu. Seit Donnerstagvormittag ist klar: Das Gericht hat die Höchststrafe für Dominique Pelicot verhängt, 20 Jahre Haft. Er wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Auch die Mitangeklagten wurden schuldig gesprochen. Diese Männer sind jetzt verurteilte Vergewaltiger. Damit ist die Debatte, die der Fall Pelicot angestoßen hat, aber nicht vorbei. Ganz im Gegenteil. Der Mammutprozess von Avignon könnte eines dieser Ereignisse sein, die die Zeit in ein Davor und ein Danach einteilen. Das wäre zumindest zu hoffen", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"In diesem Kommentar wird es nur um eine gehen", stellen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe klar: "Um Gisèle Pelicot, die mit ihrem mutigen öffentlichen Auftritt die Wahrnehmung von Opfern sexualisierter Gewalt nachhaltig und hoffentlich für immer verändert hat. Ohne ihre heldenhafte Entschlossenheit wäre der Prozess in Avignon wohl einer von vielen geblieben, die im Schatten des Strafrechts verhandelt werden. Doch Pelicot entschied sich bewusst, die Stille zu brechen und sich der Weltöffentlichkeit zu stellen. Sie hat nicht nur ihre eigene Geschichte erzählt, sondern auch den unzähligen anderen Frauen eine Stimme gegeben. Ihre Botschaft: Die Schande liegt nicht bei den Opfern, sondern bei den Tätern", unterstreichen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN.
"Am Fall von Gisèle Pelicot beweist sich einmal mehr, dass die schlimmsten Verbrechen nicht in besonderen Verhältnissen begangen werden, sondern in der Nachbarschaft", unterstreicht die BERLINER ZEITUNG: "In der eigenen Familie, unter Verwandten, zwischen Ehepartnern. Es sind nicht die abnormalen Psychopathen, die Frauen vergewaltigen, sondern der Mann von nebenan. Das ist eine Realität, der wir uns endlich konsequenter stellen müssen."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE merkt an: "Egal, ob Vergewaltigung, Missbrauch oder 'nur' Herabwürdigung: Es ist das noch immer vorherrschende Machtgefälle, das dies ermöglicht. Es ist dringend notwendig, das Bewusstsein dafür zu schärfen. Leider scheint die Welt einen anderen Weg einzuschlagen. Auf die feministischen Erfolge der vergangenen Jahre folgt längst so etwas wie eine Gegenbewegung, die sich unter anderem in den Erfolgen der Rechtsextremisten und -populisten und deren Wunsch nach einem Zurückdrehen der Zeit zeigt. Gisèle Pelicot hat bewiesen, dass es sich lohnt, sich zu wehren, um das vermeintliche Schicksal zu wenden", resümiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Zum Schluss noch ein Blick nach Russland, wo Präsident Putin in einer Fernsehveranstaltung seine Sicht auf die Welt darlegte. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist zu lesen: "Russland steht nicht so gut da, wie der Autokrat Putin während seiner TV-Show behauptet. Die militärischen Erfolge seines Überfalls auf die Ukraine sind teuer erkauft – mit vielen toten Soldaten, einer hohen Inflation, Mangel an Arbeitskräften und anderen ökonomischen Problemen. Zudem ist der Sturz des syrischen Diktators Assad eine Niederlage Putins, der seinen Schützling nicht schützen konnte. Doch Putins Regime zeigt keine Risse. Man fragt sich unwillkürlich, wieso so viele Menschen in EU-Staaten hoffen, Moskaus Machthaber würde in den möglichen Gesprächen mit dem designierten US-Präsidenten Trump über die Ukraine einlenken." Mit diesem Kommentar der FRANKFURTER RUNDSCHAU endet die Presseschau.