23. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt steht weiterhin der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg.

Das Bild zeigt Polizisten, die am abgesperrten Tatort in Magdeburg patrouillieren.
Viele Zeitungen beschäftigen sich in ihren Kommentaren mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Michael Probst)
Heute auch mit Stimmen zu Bundesverteidigungsminister Pistorius, der vor hybriden Angriffen aus Russland warnt. Zudem wird die Einmischung des US-Unternehmers Elon Musk in die deutsche Politik kommentiert. Dazu lesen wir in der RHEINISCHEN POST aus Düsseldorf: "Auch wenn noch offen ist, was genau hinter der tödlichen Amokfahrt des 50-jährigen Taleb A. steckt: Auch die Sicherheitsbehörden müssen nun darlegen, ob sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um diese Tat zu verhindern. Denn ersten Erkenntnissen zufolge soll es immer wieder Drohungen des Mannes gegeben haben, auch geheimdienstliche Hinweise an das Landeskriminalamt. All das ist Gegenstand der Ermittlungen. Diese müssen nun Priorität haben, denn das Verhetzungspotenzial ist enorm und wird bereits dankbar von Politikern an den politischen Rändern genutzt", mahnt die RHEINISCHE POST.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG betont, Fragen nach möglichen Konsequenzen seien angesichts der Trauer und des Schocks zunächst nachrangig: "Aber sehr bald werden sie gestellt und hoffentlich ernsthaft beantwortet werden. Welche Herausforderung – für die Gesellschaft, nicht nur für ihre Politikerinnen und Politiker – dieses Verbrechen bedeutet, ergibt sich ja bereits aus dem, was über den mutmaßlichen Täter bekannt ist. Ein 50 Jahre alter Arzt, der aus Saudi-Arabien stammt, in Ostdeutschland lebt, mit der AfD sympathisiert, den Islam ablehnt und im Zuge dessen einen Weihnachtsmarkt heimsucht: Dass ein Verdächtiger all solche Merkmale in seiner Person vereinen könnte, hätte bis Freitagnachmittag wohl die Fantasie der allermeisten überfordert. Auch das dürfte eine Erkenntnis aus dieser Tat sein – dass Menschen mit Hang zu Fanatismus und Verwirrtheit sich in der Weite des Internets inzwischen eine Weltsicht jenseits der bekannten Muster erarbeiten, und anschließend wähnen sie sich zum Handeln legitimiert", notiert die SÜDDEUTSCHE.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU glaubt: "Dieser Fall passt in kein Raster. Schlussfolgerungen können bestenfalls vorläufig sein. Wir wissen noch zu wenig über den Schrecken von Magdeburg, um fertige Urteile zu fällen. Er liefert aber Anhaltspunkte, was getan werden muss - über die Arbeit von Sicherheitsbehörden und die Frage, was sie wann von saudi-arabischen Kollegen wussten, hinaus. Wer Extremismus vorbeugen will, der muss für Integration sorgen. Dazu kann gehören, Migration da zu begrenzen, wo Integration nicht mehr gelingen kann. Er muss ferner der Polarisierung entgegenwirken", meint die FRANFURTER RUNDSCHAU.
Der Berliner TAGESSPIEGEL argumentiert: "Werden vom Staat jetzt neue, andere Sicherheitskonzepte gefordert, wirkt das seltsam unangemessen. Denn klar war schon vor den Anschlägen von Berlin und Magdeburg, dass es keine vollkommene Sicherheit vor fanatischen Attentätern gibt. Nicht geben kann. Selbstverständlich hat der Staat das Menschenmögliche zu tun, um seine Bürger zu schützen. Ob das in Magdeburg der Fall war, wird untersucht. Vor allem aber müssen diejenigen, die den Staat vertreten, an neuen Grundlagen für Vertrauen arbeiten", empfiehlt der TAGESSPIEGEL.
Der WESER-KURIER aus Bremen fragt: "Was bleibt außer Anteilnahme und Fassungslosigkeit? Die große Hoffnung, dass die Tat nicht im Bundestagswahlkampf ausgeschlachtet wird, einerlei wie, wann und von wem. Der Bundestag wird sich vermutlich mit dem Thema befassen, weil untersucht werden soll, ob die Sicherheitsbehörden mit den Vorkenntnissen über den Verdächtigen richtig umgegangen sind. Wer diese Tat aber nutzen will, um Stimmung zu machen und Wähler zu gewinnen, lässt jegliches Feingefühl vermissen." Soweit der WESER-KURIER.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN befassen sich mit Äußerungen des US-Unternehmers Elon Musk: "Auf seinem Netzwerk X schrieb der reichste und einflussreichste Mann der Welt nach der Todesfahrt von Magdeburg tatsächlich: 'Scholz sollte sofort zurücktreten.' Und er nannte den Noch-Kanzler einen 'unfähigen Idioten'. Die Netz-Gemeinde griff Musks Vorwurf auf, etliche Politiker der AfD taten ebenfalls so, als sei schon klar, dass dies wieder ein islamistischer Anschlag gewesen sein muss. 'Wann hat dieser Wahnsinn ein Ende?', schrieb die AfD-Vorsitzende Alice Weidel. Eine berechtigte Frage: Wann hat der Wahnsinn ein Ende, das Netz mit Schuldzuweisungen, Falschinformationen, Hass und Verleumdungen zu fluten? Zu Recht erinnern Beobachter nun daran, dass es ebenfalls Elon Musk war, der im August Unruhen in Großbritannien befeuerte", schreiben die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg analysiert: "Er kann sich alles kaufen was er möchte, kann Raketen in den Himmel schießen und entscheiden, was in einem der wichtigsten globalen Internet-Dienste verbreitet werden darf. Was fehlt Elon Musk da noch? Natürlich, die politische Macht, die Herrschaft möglichst über Länder und Kontinente. Er ist dabei, sie zu erlangen. Als Vehikel dient ihm der als US-Präsident wiedergewählte Donald Trump, in dessen Dunstkreis er mit allen relevanten Politikern dieser Welt auf Du und Du sein kann, wenn er will. Beim deutschen Bundeskanzler will er offensichtlich nicht – was Olaf Scholz aber zumindest öffentlich an sich abtropfen lässt. Musk versucht, die knallharten Regeln der globalen Wirtschaft auf die Politik der Vereinigten Staaten zu übertragen. In einem Ausmaß, die Trump mit seinen Deals wie einen Waisenknaben erscheinen lassen könnte", vermutet die VOLKSSTIMME.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg schätzt: "Elon Musk wird zum Paradebeispiel für einen Mann, auf den sich zu viel Macht vereint. Es besteht allenfalls ein gradueller Unterschied zwischen den Tiraden des Elon Musk im Vergleich zu den TikTok-Machenschaften rumänischer Putin-Freunde, die dort einen millionenschweren Wahlkampf zugunsten des pro-russischen Lagers machten. Musk besitzt alle Möglichkeiten, den deutschen Wahlkampf zu beeinflussen. Auf Social-Media-Kanälen wie TikTok oder X kommt es eben nicht nur auf die Inhalte an sich an, sondern vor allem darauf, wie sie ausgespielt, also sichtbar gemacht werden. Ein US-Oligarch wie Musk hat 'Fair Play' schon lange nicht mehr nötig", vermerkt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT warnt: "Von Onlineagitatoren wie Elon Musk geht eine Gefahr aus. Und diese Gefahr wächst. Ihr Geschäftsmodell ist die Spaltung, die Kultivierung von Hass, der Gewalt schürt und die Gesellschaft von innen zersetzt. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik war die Wehrhaftigkeit der Demokratie so wichtig wie heute. Und nie stand sie so infrage."
Nun noch Stimmen zu Bundesverteidigungsminister Pistorius, der erneut vor hybriden Angriffen Russlands gewarnt hat. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG führt aus: "Präsident Wladimir Putin wisse, Nadelstiche zu setzen, beispielsweise durch Angriffe auf Infrastruktur und Energieversorgung sowie Regelverstöße im Luftraum. Hinzu kämen Kampagnen in den sozialen Netzwerken und die Beeinflussung von Wahlkämpfen – alles, was helfen könnte, Unfrieden zu stiften und die Gesellschaft zu destabilisieren also. Übertrieben? Pistorius Äußerungen als Alarmismus abzutun oder gar als Panikmache, ginge am Kern der Sache vorbei. Denn mit dem Angriff auf die Ukraine hat Putin unter Beweis gestellt, dass er bereit ist, Kriege zu führen, um seine Ziele zu erreichen", unterstreicht die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG findet, der SPD-Politiker Pistorius habe recht, allerdings "bis in seine eigene Partei hinein wollen bedeutende Teile der deutschen Gesellschaft das noch immer nicht wahrhaben. Das Gehör, das Putins Propagandaverstärker vor allem aus BSW und AfD finden, ist eine jener Schwächen Deutschlands, an denen Putins Regime hierzulande ansetzen kann. Für den Kreml wäre es ein großer Gewinn, wenn diese Kräfte aus der Bundestagswahl im Februar gestärkt hervorgingen. Deshalb muss sich Deutschland darauf einstellen, während des Wahlkampfs im Zentrum russischer Beeinflussungsversuche zu stehen", ist sich die F.A.Z. sicher.