27. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zur Gesundheits- und Rentenpolitik im Bundestagswahlkampf. Doch zunächst geht es um die politische Aufarbeitung des Anschlags in Magdeburg.

Absperrungen (mobile Terrorsperren) gegen Anschläge mit Fahrzeugen am Kölner Weihnachtsmarkt
Nach der Amok-Fahrt eines Mannes in Magdeburg auf dem dortigen Weihnachtsmarkt gilt deutschlandweit eine angespannte Sicherheitslage auf Weihnachtsmärkten wie auch hier in Köln (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Dazu schreibt das HANDELSBLATT: "Nüchterne Aufklärung mit klaren Konsequenzen ist die einzig sinnvolle Antwort, die ein Rechtsstaat auf dieses Attentat geben kann. Es ist gut, dass sich die meisten Parteien darauf verständigt haben, zwar die nötige Sicherheitsdebatte zu führen, aber das Fanal von Magdeburg nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen. Mit Ausnahme von Alice Weidel, die bei einer Kundgebung mit tränenerstickter Stimme die Tat auszuschlachten versuchte. Dass die AfD-Chefin wider besseres Wissen den Täter als 'Islamisten' bezeichnete, zeugt davon, dass ihre öffentliche Emotion rein eigennützigen Interessen dient", meint das HANDELSBLATT aus Düsseldorf.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN notieren: "Die AfD, diese Prognose darf gewagt werden, kann von Magdeburg mehr profitieren als alle anderen Parteien. Und somit schreitet die Spaltung der Republik munter voran. Da mutet es fast schon verzweifelt an, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache den Zusammenhalt geradezu beschwört. Genau daran mangelt es in Deutschland wie an kaum einer anderen der Zutaten, die lange Zeit Garanten einer gelungenen demokratischen Mischung gewesen waren", erläutern die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG konstatiert: "Es liegt jede Menge im Argen beim Sicherheitskonzept für Großveranstaltungen, insbesondere bei Umsetzung und Kontrolle - und bei der Terrorismus-Prävention. Diese Fehler und Versäumnisse müssen die Ermittlungen jetzt haarklein aufdecken. Hier geht es auch um juristische und politische Konsequenzen. Die müssen die Verantwortlichen, und zwar ausdrücklich in allen politischen und strukturellen Ebenen, auch zu spüren bekommen", fordert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommt zu dieser Einschätzung: "Es wäre viel zu kurz gegriffen, die Schuld allein bei einem fehlerhaften Sicherheitskonzept oder einem falsch stehenden Polizeifahrzeug zu suchen. Dort liegt nicht die Wurzel dieses Übels. Wir müssen uns vielmehr mit der Frage auseinandersetzen, warum derartige Sicherheitsvorkehrungen überhaupt notwendig geworden sind und es zum Alltag gehört, Feste schützen zu müssen. Das darf man nicht einfach hinnehmen. Vielmehr müssen wir uns endlich den Versäumnissen der letzten Jahrzehnte stellen – und dazu zählt auch in diesem Fall wieder einmal der Umgang mit der Migration", unterstreicht die F.A.Z.
Der MÜNCHNER MERKUR wirft den Behörden Versagen vor und fordert, "...dass der moderne Staat wehrhafter werden und sein Schutzversprechen mit anderen Bürgerrechten wie der informellen Selbstbestimmung neu ausbalancieren muss. Das betrifft alle Bereiche der Gefahrenabwehr. Das Recht auf Asyl ist abzuwägen gegen das Recht der Bevölkerung auf Sicherheit. Die neue Regierung, wie immer sie sich zusammensetzt, darf die Zeitenwende bei der inneren Sicherheit nicht mehr weiter verbummeln." Wir zitierten den MÜNCHNER MERKUR.
Nun zur Sozialpolitik. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat vorgeschlagen, dass bei der Terminvergabe in Arztpraxen nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist. Nach Ansicht der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG zeigt der Vorstoß der Krankenkassen ihre Hilflosigkeit: "Sie wissen, dass ihre Versicherten schlechter gestellt sind und Ärzte mit ihnen viel weniger Geld verdienen. Statt echter, langfristiger Lösungen, die neben Terminen auch gute Versorgung umfassen, geben sie sich mit ein wenig Trickserei bei der Terminvergabe zufrieden. Das ist nicht mehr als die kosmetische Korrektur eines kaputten Systems."
"Der Anspruch muss sein, dass diejenigen schnell einen Termin bekommen, die ihn aus medizinischen Gründen dringend brauchen", argumentiert indes die FREIE PRESSE aus Chemnitz. "In Zeiten, in denen die Sozialbeiträge weiter steigen, ist die krasse Benachteiligung gesetzlich Versicherter schwer zu ertragen. Die nächste Bundesregierung muss das Gesundheitssystem danach durchforsten, wo Geld unnütz versickert. Die Versicherten müssen eine gute Leistung bekommen. Die Möglichkeit, zeitnah einen Termin zu bekommen, ist das Mindeste. Die Gesundheitsversorgung darf kein Glücksspiel sein", betont die FREIE PRESSE.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG kommentiert: "Die Deutschen gehen viel häufiger zum Arzt als andere Europäer, sind aber trotzdem nicht gesünder. Also wäre das Hausarztprinzip angebracht: Zum Facharzt geht es erst nach Überweisung durch den Hausarzt. Wer das ignoriert, zahlt eine Gebühr. Zieht man dies konsequent durch, kann es auch schneller mit den Terminen klappen." Das war die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
Die Zeitung ND DER TAG vermerkt: "Eine Termingarantie wie von der SPD oder ein erhöhter Sprechstundenanteil für gesetzlich Versicherte wie von den Grünen gefordert, sind längst überfällige Schritte. Aber sie sind doch nur das Mindeste. Denn vielmehr müssten die private Krankenversicherung ganz abgeschafft und das Gesundheitssystem durch Beiträge finanziert werden, die das gesamte Einkommen umfassen – ohne Beitragsbemessungsgrenzen und samt Kapitaleinkünften", fordert ND DER TAG.
Die SPD-Vorsitzende Esken hat der Union erneut vorgeworfen, sinkende Renten bewusst in Kauf nehmen zu wollen. Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN sehen darin einen Frontalangriff auf CDU und CSU: "Was die SPD-Chefin macht, ist klar: Sie hält das Feuer in einer hoch-emotionalen Debatte weiter am Lodern. Denn nichts funktioniert in einem Wahlkampf so gut, wie auf Gefühle zu zielen. Und nichts erhitzt die Gemüter so sehr wie drohende Altersarmut und Existenzangst. Dabei ist das, was die Rentendebatte bräuchte, nüchterne Analyse und sachlicher Diskurs. Außerdem: Ehrlichkeit. Es sollte ausgesprochen werden, dass die Grenzen unseres aktuellen Rentensystems längst erreicht sind. Es braucht Reformen und keine Stabilisierung der Rente bis 2039. Was die SPD will, ist nicht viel mehr als eine Umverteilung. Von Jung zu Alt, von Arbeitnehmer zu Rentner. Das kann auf Dauer keine Lösung sein", meinen die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Auch die SÜDWEST PRESSE mahnt Reformen an, denn: "In den kommenden Jahren werden ein paar gravierende Probleme auf die Rentenversicherung zukommen. Dass sich durch die Alterung der Gesellschaft das Verhältnis von Beitragszahlern zu Transferempfängern verschlechtern wird, stellt das System auf die Probe. Es muss ein fairer Ausgleich gefunden werden. Außerdem wird die Zahl der Menschen, die von Altersarmut betroffen sind, weiterhin zunehmen. Auch dieser Punkt muss angegangen werden, bevor er zu groß wird. Leider aber streiten die Parteien vor allem darüber, wie viel mehr es für die aktuellen und die künftigen Rentner geben soll, eben aus Furcht, die Stimmen aus der mächtigen Wählergruppe zu verlieren", bedauert die SÜDWEST PRESSE aus Ulm.
"Im Wahlkampf traut sich keiner, den Menschen reinen Wein einzuschenken", beobachtet auch die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Am deutlichsten wird der fehlende Mut beim Thema Sozialversicherung. Die Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung laufen bereits aus dem Ruder."
Zum Schluss der Presseschau geht es nach Ungarn, das für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist das Anlass für eine Bilanz: "Ungarns Ministerpräsident Orbán hat in den vergangenen sechs Monaten allen gezeigt, wie destruktiv er ist. Er hat Wladimir Putin den Hof gemacht und, so gut er konnte, das Gift des Nationalismus verbreitet. Er hat gezeigt, wie gefährlich er ist. Man wird zum Glück sagen können, dass ihm ein halbes Jahr EU-Ratspräsidentschaft nicht reichte, um viel zu zerstören. Zum 1. Januar übernimmt im Ministerrat Polens konservativ-liberale Regierung, die Verhältnisse werden damit wieder geradegerückt. Aber der Schrecken bleibt."