31. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben dem Tod des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter beschäftigen sich die Zeitungskommentare mit dem Jahreswechsel. Im Mittelpunkt steht jedoch die Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses zum Anschlag in Magdeburg.

Lars Castellucci (SPD, l), stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Inneres und Heimat, und Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) zu Beginn der Sondersitzung.
Kommentiert wird unter anderem die Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses zum Anschlag in Magdeburg. (Bernd von Jutrczenka / dpa )
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG führt aus: "Nach den Tagen der Trauer ist die Zusammenkunft im Deutschen Bundestag das Mindeste, das den Opfern gebührt. Denn bei allem Respekt vor den laufenden Ermittlungen, so steht zweierlei schon jetzt fest. Erstens kam es sowohl hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes für den Weihnachtsmarkt wie bei der Zusammenführung von Erkenntnissen über den späteren Täter zu erheblichen Vollzugsdefiziten. Diese ohne Ansehen von Personen zu analysieren ist unabdingbar, um strukturelle Schwächen der bestehenden Sicherheitsarchitektur zu erkennen. Allerdings steht schon damit die Frage im Raum, was in der Vergangenheit womöglich versäumt wurde, um die Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, auf veränderte Bedrohungslagen zu reagieren", notiert die F.A.Z.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Zurecht erwarten Betroffene des Anschlags - und mit ihnen ganz Sachsen-Anhalt – jetzt eine gründliche Aufarbeitung. Dazu gehört das Benennen von Verantwortlichen und das Abstellen solcher Fehler. Damit sich solch ein Albtraum nie mehr wiederholt. Auf der Ebene deutscher Sicherheitsbehörden ist indes schon jetzt klar: Die falsche Gefahrenanalyse über Taleb A. liegt im System begründet. Listet man alle Warnungen auf, die es im Vorfeld über ihn gab, kommt eine lange Chronik zustande. Warnungen kamen aus Saudi-Arabien, von Staatsanwälten, Polizisten – doch niemand erkannte die wahre Gefahr, die von Taleb A. ausging. Die Verantwortung wurde zwischen Behörden hin- und hergereicht, am Ende fühlte sich keiner so richtig zuständig", urteilt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle/Saale.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf stellt fest: "Die Auseinandersetzung mit der Tat von Magdeburg findet in einer politisch aufgeladenen Zeit statt. In weniger als sieben Wochen findet die vorgezogene Bundestagswahl statt, der Wahlkampf ist kurz und hart. Daher sind auch die reflexartigen Forderungen nach sicherheits- und migrationspolitischen Verschärfungen mit Vorsicht zu genießen. Zwar lag im Fall von Taleb A. ein Ausweisungsersuchen aus Saudi-Arabien vor. Aber der Fall des ermordeten Journalisten Jamal Ahmad Khashoggi von 2018 zeigt, wie das Königreich mit missliebigen Oppositionellen umzugehen bereit war. Auch Taleb A. gilt als Oppositioneller." Das war die RHEINISCHE POST.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gibt zu bedenken: "Bei Taleb A. war wohl nicht der mangelnde Datenvorrat das Problem, sondern die Analyse: Einen Ex-Muslim, der vehement vor der Islamisierung Europas warnt, einen Querulanten, der wahnhafte Züge zeigt, konnten die Behörden in keine Kategorie stecken. Verfügte aber wenigstens eine der Behörden, die mit Taleb A. zu tun hatten, über ein Gesamtbild? Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, ist die Zeit für Forderungen gekommen", meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Themenwechsel. Der Berliner TAGESSPIEGEL geht ein auf den verstorbenen früheren US-Präsidenten Jimmy Carter: "Carter verbrachte nur vier Jahre im Weißen Haus, von 1977 bis 1981. Der Erdrutsch-Wahlsieg Reagans 1980 machte seine Hoffnung auf eine zweite Amtszeit zunichte. Seine politisch beste Zeit erlebte James Earl 'Jimmy' Carter nach seiner Präsidentschaft. Gerade weil er die Wahl mit 56 Jahren verlor, konnte er noch so prägend wirken. Welchem Staatsmann bleibt nach dem Amt noch fast ein halbes Leben? Vor allem aber gelang es Carter, glaubwürdig für die ihm wichtigen Werte und politischen Ziele einzutreten: für Frieden und Menschenrechte, als Kämpfer für Obdachlose, ehemalige Straftäter und Minderheiten. Bescheiden im Auftritt, geerdet im Dorf Plains und durch seine 77-jährige Ehe mit Rosalynn Carter: Carters Ansehen wuchs, als er eigentlich keine Macht mehr hatte", analysiert der TAGESSPIEGEL.
Jimmy Carter war ein Außenseiter, schreibt das Magazin CICERO: "Ein Politiker, der seine Karriere darauf aufbaute, nicht Teil von ,Washington‘ zu sein – ein Code, den auch heute noch Kandidaten benutzen, um sich vom Politbetrieb der Hauptstadt und den dort herrschenden Kräften zu distanzieren. Doch Mangel an Erfahrung bei gleichzeitig überhöhtem, teilweise religiös motiviertem Sendungsbewusstsein und die Berufung von ebenfalls unerfahrenen Beratern sind nicht unbedingt ein Erfolgsrezept in Zeiten außen- wie innenpolitischer Herausforderungen. So bleibt das Bild des Jimmy Carter als einer Person der Zeitgeschichte mit Licht und Schatten. Seine humanistischen Ideale und sein Engagement für seine Mitmenschen verdienen es, in Erinnerung zu bleiben", hebt CICERO hervor.
Mit dem bevorstehenden Jahreswechsel beschäftigt sich die KÖLNISCHE RUNDSCHAU: "Was für ein Jahr geht da zu Ende: anhaltend schwere Kriege etwa in der Ukraine, im Nahen Osten und, in Europa wenig beachtet, in afrikanischen Ländern wie dem Sudan. Der Umsturz in Syrien. Chinas Drohgebärden gegen Taiwan und die Philippinen. Der Bruch der Berliner Koalition. Die Anschläge von Solingen und Magdeburg. Und der Sieg von Donald Trump in den USA. Am Jahresende bleiben also viele Sorgen, die wir mit ins neue Jahr 2025 nehmen", bilanziert die KÖLNISCHE RUNDSCHAU.
Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe beobachten: "Krisen, Kriege, Klimawandel – beim Blick in die Glaskugel für das Jahr 2025 haben die Schwarzmaler in den vergangenen Tagen jede Menge Horrorszenarien vorhergesagt. So viel Pessimismus hat noch selten einen Jahreswechsel begleitet. Doch davon sollten wir uns nicht beeindrucken lassen. Ganz im Gegenteil: Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber!"
2025 müsse ein Jahr des Anpackens werden, glaubt die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört: "Eines, in dem nicht nur immer wieder neue 'Wenden' – von der Wirtschaftswende bis zur Migrationswende - angekündigt, sondern in dem versprochene Maßnahmen dann auch entschlossen aufs Gleis gesetzt werden. Zuwanderung, Rente, Pflege, Klima, Energie - dringende Handlungsfelder gibt´s genug. Und zugleich möglicherweise die letzte Chance zu beweisen, dass die etablierten Parteien die Kraft haben, nicht nur tragfähige Konzepte zu entwickeln, sondern die Bürger dabei mitzunehmen." Sie hörten die Meinung der PASSAUER NEUEN PRESSE.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz wirft ein: "Es besteht wenig Zweifel, dass viele von uns längst bereit sind, unser Land wieder zu alter Stärke zurückzubringen. Viele dürften auch willens sein, Verzicht zu üben – für gute Lebensbedingungen ihrer Kinder und Enkelkinder, also vor allem für den Klimaschutz, aber auch die dauerhafte Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und für die Neuerfindung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Doch dafür braucht es keine Politik, die in Kleinkriegen jegliches Vertrauen verspielt. Es braucht eine Politik, die eine große Mehrheit hinter gemeinsamen Zielen und Konzepten versammelt und Optimismus verbreitet", verlangt die RHEIN-ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkt zur Neujahrsansprache des Bundeskanzlers: "Kraft entstehe aus Zusammenhalt. Das stimmt. Was weniger zutrifft, ist der Nachsatz von Olaf Scholz, Deutschland sei ein Land, das zusammenhalte. Wir sind meistens stark, wenn es um spontane Hilfe in der Not geht: mit Mitgefühl und Spendenbereitschaft. Im Alltag aber fehlt es oft an dem, was Scholz als Grundlage dafür sieht, 2025 zu einem guten Jahr zu machen: an Respekt voreinander, Vertrauen zueinander, Interesse aneinander und Engagement füreinander. Gerade die Politik ist da häufig kein leuchtendes Beispiel. Es wird nicht reichen, die Bevölkerung nur mit Lob zusammenzuhalten, etwa mit Scholz' Anerkennung für die Wiedervereinigung. Ein Kanzler sollte in diesen aufgeheizten und verunsichernden Zeiten mit Krieg, Krisen und Konflikten vielmehr glasklar die Gefahren für die Demokratie beschreiben", empfiehlt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zum Ende der Presseschau.