06. Januar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird der Plan von Bundesinnenministerin Faeser über den künftigen Umgang mit Geflüchteten aus Syrien. Zunächst geht es aber um die schwierige Regierungsbildung in Österreich.

Der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl (FPÖ) während einer Sitzung des Österreichischen Nationalrats im Parlament in Wien.
Der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl könnte der nächste Bundeskanzler Österreichs werden. (picture alliance / APA / GEORG HOCHMUTH / picturedesk.com)
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU konstatiert: "ÖVP und SPÖ sind daran gescheitert, eine zukunftsweisende Perspektive für ein Land zu entwickeln, das ohne soziale Verwerfungen eine schwächelnde Wirtschaft in Gang bringen und ein hohes Haushaltsdefizit beseitigen muss. Nun müssen die beiden Parteien den Scherbenhaufen beseitigen, den sie angerichtet haben. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings denkbar ungünstig. Die ÖVP muss einen Nachfolger für Karl Nehammer finden. Und die SPÖ hat sich als drittstärkste Kraft erst einmal ins Abseits befördert. Und so könnte die Stunde der FPÖ schlagen. Die rechtsradikale Partei könnte doch noch mit Hilfe der ÖVP eine Regierungskoalition schmieden. Dann würde ein weiteres EU-Land nach rechts driften. Keine gute Nachricht für fortschrittliche Kräfte innerhalb der Union", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus unterstreicht: "Mehr als 70 Prozent der Österreicher haben Parteien gewählt, die fest auf dem Boden der demokratischen Grundordnung des Landes stehen. Sie haben ihre Stimme dafür gegeben, dass diese Grundordnung erhalten bleibt. Deshalb ist es ein komplettes Armutszeugnis, dass die Parteien es nicht schaffen, eine dementsprechende Regierung zu bilden. Macht- und Parteitaktik sind der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ wichtiger gewesen als die Verteidigung der Demokratie. Das kleinere Trennende – wer verhindert Steuererhöhungen, wer rettet das marode Rentensystem? – ist höher bewertet worden als das größere Einende", moniert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die TAGESZEITUNGTAZ – erinnert sich: "Vor allem die beschlossene, am Ende nie umgesetzte Impfpflicht trieb die Wähler in Scharen zur FPÖ. Ihre erratische Politik hat die schwarz-grüne Regierung nie vollständig aufgearbeitet. Ebenso wenig hat die ÖVP einen klaren Schnitt gemacht, als etwa die Skandale rund um von der Regierung bezahlte Inserate unter Sebastian Kurz aufkamen. Viel Vertrauen in Medien und Politik wurde verspielt. Die FPÖ holt die Enttäuschten ab, setzt auf Alternativmedien, wettert gegen das sogenannte 'System'. Auch haben fast alle anderen Parteien unterschätzt, wie wichtig die Sozialpolitik ist. In Zeiten von Rekordinflation, steigender Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung ein grobes Versäumnis", analysiert die TAZ.
"Im Moment gibt es überhaupt keine Regierungsoption, die nicht entweder von den Parteien bisher kategorisch ausgeschlossen wurde oder gescheitert wäre", stellt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fest. "Aber lässt man die Aufregung beiseite, dann können die Ereignisse nicht sehr überraschen. ÖVP, SPÖ und Neos hätten eine äußerst heterogene Koalition ergeben, die sich vor allem in der Wirtschaftspolitik zutiefst uneinig gewesen wäre. Jetzt braucht es also Kreativität und den Abschied von ein paar Nie-Aussagen. Das gilt für die ÖVP, die nun doch das Wagnis Blau-Türkis eingehen will. Einlenken muss aber auch FPÖ-Chef Kickl: rhetorisch, inhaltlich mit der Garantie demokratischer und rechtsstaatlicher Pfeiler, vielleicht auch personell", fordert die F.A.Z.
"Mit dem Rücktritt Nehammers ist auch die letzte Brandmauer gegen die Rechtspopulisten gefallen", notiert ZEIT ONLINE. "Es zeigt, dass innerhalb der Partei jene wirtschaftsnahen Kreise dominieren, die dem Projekt einer Dreierkoalition von Anfang an skeptisch gegenüberstanden, die vor allem den klassenkämpferischen Tönen der Sozialdemokraten nichts abgewinnen konnten. Dafür ist man bereit, die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Eine funktionierende Demokratie braucht eine redliche konservative Partei. Redlich wäre gewesen, nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen in Neuwahlen zu gehen und in einen Wahlkampf, in dem man die Option einer Zusammenarbeit mit der FPÖ eben nicht ausschließt. So aber hat die ÖVP ihre Wähler getäuscht und macht sich zum Steigbügelhalter eines Rechtspopulisten", kritisiert ZEIT ONLINE.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt: "In Deutschland sollte man sich die politische Situation im Nachbarland, in dem man so gerne Urlaub macht, genau anschauen. Sie mag auf den ersten Blick seltsam, skurril und von Skandalen begleitet sein. Aber sie erzählt sehr genau vom Zerfall der einstigen Volksparteien und der Schnelligkeit, mit der rechtspopulistische bis rechtsextreme Kräfte an die Macht gehievt werden. Sie könnte der Modellfall sein, den man in einigen Monaten vielleicht auch in Deutschland beobachten kann."
Auch der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht Österreichs Koalitionsproblem als eine Warnung für Deutschland: "Alle sollten sie sich zu Herzen nehmen, Politiker wie auch Wähler. Bei den Politikern gilt das für all jene, die meinen, sie könnten Rechtsextreme überflüssig machen, indem sie deren Sprache und/oder Inhalte kopieren. Dass das nicht funktioniert, sondern das Gegenteil bewirkt, hat sich bereits gezeigt. Es gilt auch für die, die Politik im Dschungelcamp-Modus betreiben – als Showveranstaltung, in denen das lustigste Selfie zählt. Politik muss nicht knäckebrottrocken daherkommen, aber mehr Ernsthaftigkeit ist schon vonnöten", mahnt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG betont: "Sich wie Österreichs Konservative von der ÖVP und die Sozialdemokraten der SPÖ darauf zu beschränken, gegen irgendwen zu sein, ist noch kein politisches Konzept. Es ist übrigens auch keine aussichtsreiche Wahlkampfstrategie: Schon Kamala Harris fuhr mit der Null-Aussage, mit ihr als Präsidentin werde Donald Trump eben nicht Präsident, ihren Wahlkampf in Amerika vor die Wand. Besser wäre es, wenn alle Kräfte der politischen Mitte, zumal in Deutschland, endlich die Stimmungen und Bedürfnisse wahrnehmen und anerkennen würden, die in den Wahlerfolgen von AfD, FPÖ, Trump und Co. zum Ausdruck kommen", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Knapp einen Monat nach dem Umsturz in Syrien hat Bundesinnenministerin Faeser einen Plan für den Umgang mit Geflüchteten aus dem Land vorgestellt, der auch die Aufhebung von Schutzgewährungen vorsieht. Für die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder ist das ein pragmatischer Mittelweg, der einer breiten Mehrheit der Bevölkerung vermittelbar sein sollte: "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll den Schutzstatus überprüfen und aufheben, außer für Syrer, die eine Arbeit oder Ausbildung haben. Zusammengefasst sollen also die, die zum Wohlstand in Deutschland beitragen, bleiben dürfen, während die anderen zurückkehren müssen. Das ist die beste Lösung, bis Deutschland endlich klar zwischen Arbeits- und Fluchtmigration trennt. Das politische Problem für Faeser liegt darin, dass sie und ihr Kanzler zuvor so viele unerfüllte Versprechungen gemacht und damit Vertrauen verspielt haben – und die Wähler jetzt wohl auch gute Pläne skeptisch beäugen", heißt es in der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG.
"Faesers Plan wirkt klug und ausgewogen", meint die BERLINER MORGENPOST. "Er ist einerseits ein Signal an die rechte Flanke im Wahlkampf: Die SPD überlässt die harte Kante beim Thema Asyl nicht Union und AfD. Andererseits will sie die Willkommenskultur in der hitzigen Migrationsdebatte nicht verlieren. Doch wer Pläne schmiedet, muss auch liefern. Das kann zu Faesers Problem werden. Es könnte Monate dauern, bis Auswärtiges Amt und Innenministerium einig sind über die Sicherheitslage in Syrien. Bis dahin ist Faeser womöglich nicht mehr im Amt. Auch Abschiebungen von Straftätern sind schnell gefordert - aber in der Praxis mit all den Hindernissen nur zäh umsetzbar. Das lernte Faeser im Fall Afghanistan schmerzhaft. Faeser signalisiert Entschlossenheit. Schlecht wäre es, wenn nun wenig folgen würde. Migration ist zu sensibel für Symbolpolitik - das wäre auch unfair gegenüber den vielen Menschen aus Syrien, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben." Mit dem Kommentar aus der BERLINER MORGENPOST endet diese Presseschau.