Zum ersten Thema: Für die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf birgt die Rekordzahl an Wahlkampfauftritten auch eine Gefahr: "Es scheint, als würden die Parteien den kurzen Winter-Wahlkampf als besondere Herausforderung verstehen, möglichst viele Termine in möglichst wenig Zeit unterzubekommen. Die FDP wirbt damit, dass ihr Spitzenkandidat Lindner bei mindestens 75 Wahlkampfterminen in 46 Tagen unterwegs ist, bei Unions-Kanzlerkandidat Merz sind es rund 80 Veranstaltungen und der SPD-Kanzlerkandidat Scholz ist bei rund 70 Terminen in über 50 Städten und Gemeinden. Auch die Termindichte von Grünen-Kanzlerkandidat Habeck ist atemberaubend hoch. Aber wenn am Ende des Wahlkampfs Spitzenpolitiker nur noch Schatten ihrer selbst sind, dann ist keinem damit gedient. Denn die Gefahr, dass die Menschen des Mega-Wahlkampfs überdrüssig werden, besteht durchaus", überlegt die RHEINISCHE POST.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG gibt den Politikern folgenden Ratschlag: "Statt die wenigen Wochen bis zum 23. Februar damit zu verbringen, sich gegenseitig schlecht zu reden oder Koalitionen miteinander auszuschließen, müssten die regierungsfähigen Parteien dringend konzeptionell nachlegen. Gute Chancen bei der Bundestagswahl hat nicht, wer dieser oder jener Gruppe am meisten verspricht oder wer mit Negativ-Kampagnen den politischen Konkurrenten madig macht. Gute Chancen auf Zustimmung hat, wer überzeugend erklären kann, wie das Land wieder funktionsfähig wird von der Bahn bis zur Baugenehmigung, von der Kinderbetreuung bis zur Preisstabilität und von der Absicherung internationaler Märkte bis zur Stabilisierung der Sozialsysteme wie Pflege, Gesundheit und Rente", konstatiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Es ist ein unehrlicher Wahlkampf", heißt es in der FREIEN PRESSE: "Friedrich Merz tut so, als könne er in hohem Maß Steuern senken – ohne ausreichende Gegenfinanzierung. Die Union setzt darauf, die Wirtschaft werde nach der Wahl schon dadurch wachsen, dass dann wahrscheinlich wieder jemand aus ihren Reihen Kanzler ist. Olaf Scholz wiederum tut so, als müsse sich gar nicht so viel verändern, wenn der Staat nur ein bisschen mehr Schulden aufnähme. Der Kanzler verspricht alles zusammen: also mehr Geld für Verteidigung, aber selbstverständlich gleichzeitig auch mehr Geld für Soziales und Investitionen. Die Rente wird nach SPD-Logik schon dadurch sicher, dass man es einfach ins Gesetz schreibt. Deutschland ist am Scheideweg. Das Land muss – nach schwachen Jahren – raus aus der Wirtschaftskrise. Wir müssen um Industriearbeitsplätze kämpfen, die sonst für immer verlorengehen, und Schritt für Schritt den Weg hin zum klimaneutralen Wirtschaften gehen. Für die nächste Bundesregierung gilt: Die Probleme sind groß, aber nicht unlösbar. Sie muss sich nur trauen, sie anzugehen", betont die FREIE PRESSE aus Chemnitz.
Aus Sicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU hat es eine Bundestagswahl wie diese noch nie gegeben, und auch nicht einen solchen Wahlkampf: "Vor jedem Urnengang haben Wahlkämpfende versucht, uns mit der Ankündigung zu mobilisieren, eine 'Richtungswahl' stehe bevor. Das war oft übertrieben. Diesmal stimmt es. Denn es geht bei dieser Bundestagswahl im Kern darum, ob diese Gesellschaft sich noch zu Demokratie und Menschenrechten bekennt – oder nicht mehr. Dieser Befund ist alarmierend und birgt zugleich eine große Gefahr: dass die demokratischen Parteien, die zu den Institutionen und politischen Gepflogenheiten dieser Republik stehen, zu Unrecht als 'Einheitspartei' diffamiert werden können. Nur weil sie, bei allen beträchtlichen Unterschieden, grundsätzlich auf der richtigen Seite stehen", gibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zu bedenken.
Die STUTTGARTER ZEITUNG schreibt mit Blick auf den Rechtsruck in Europa: "Es gibt ein Mittel dagegen: verantwortliche Politik, die nicht vorrangig Parteiinteressen dient, sondern die Probleme bewältigt, die so vielen Menschen Ungemach bereiten. Es steht viel auf dem Spiel am 23. Februar. Das sollten die Parteien, die im Kampf um Stimmen vieles versprechen, nicht vergessen – aber auch die Wähler nicht."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasst sich mit den Steuerplänen der Parteien: "Die Konzepte von Union, FDP und AfD sind zwar umfassend, aber nicht finanzierbar, umgekehrt sind SPD, Grüne und BSW zu zaghaft. Nötig ist deshalb ein Best-of. Dazu zählen zum einen niedrigere Einkommensteuersätze im unteren und mittleren Bereich, ergänzt um eine Verringerung der Sozialbeiträge. Steuersenkungen allein nämlich bringen gerade Geringverdienern wenig, weil diese kaum Steuern zahlen. Die Sozialbeiträge dagegen schlagen vom ersten verdienten Euro an mit voller Wucht zu Buche", hebt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hervor.
Zum Vorstoß von Grünen-Kanzlerkandidat Habeck, Sozialbeiträge auf Kapitaleinkünfte zu erheben, ist in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu lesen: "Gerade wer aus der Küche heraus Wahlkampf betreibt, sollte den Wählern reinen Wein einschenken. Wirtschaftsminister Habeck schlägt vor, zur Stabilisierung der Krankenkassen auch Kapitaleinkünfte der Versicherungspflicht zu unterwerfen. Doch das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Es bedeutet nichts anderes, als einer Bürgerversicherung das Wort zu reden, in die alle auf alle Einkünfte einzahlen - ohne Privatversicherungen und Beihilfe. Der Vorschlag des grünen Wahlkämpfers erfordert viel zusätzliche Bürokratie und ist sozial nicht halb so gerecht, wie er tut. Er verkennt, dass nicht nur vermeintlich Wohlhabende Kapitaleinkünfte beziehen, sondern dass in vielen Fällen auch Rentner davon abhängig sind, etwa von Wertpapieranlagen. Habecks alter Wein sollte schnell zurück in den Keller", verlangt die F.A.Z.
Das Unwort des Jahres 2024 heißt "biodeutsch". Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt: "Mit einer Karikatur für die taz geboren, zum Kampfbegriff von Rechtspopulisten avanciert. Sein Kontextwechsel zeigt zu deutlich, was es mit scheinbar eindeutiger Herkunft auf sich hat: nichts. Umso bedenklicher, dass sich mit dieser Vokabel eine Vorstellung eingenistet hat, die eigentlich überwunden sein sollte. Wer Menschen nach biologischen Kriterien kategorisieren möchte, der sortiert sie schon – nach zugehörig oder fremd, akzeptiert oder ausgegrenzt. Die Frage nach der Biologie ist nicht nur dumm, sie führt auch geradewegs zum neuen Arier-Nachweis. Es ist das Bekenntnis zu einem Land, zu Einigkeit und Recht und Freiheit, das Deutsche definiert, nicht der Verweis auf eine Abstammung." Soweit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG sieht das ähnlich: "Die diesjährige Wahl 'biodeutsch' als Unwort ist völlig richtig. Wer die Abstammung, also die Gene, zum Maßstab für das Deutschsein macht, befindet sich ganz weit außerhalb unserer Verfassung. Weg mit dem Wort!"
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN mahnen: "Finger weg von diskriminierender Sprache und vor allem heftige Gegenwehr, wenn solche Unwörter verwendet werden – das ist die Hausaufgabe für uns alle. Anders formuliert: Wer 'biodeutsch' verwendet, hat Gegenwind verdient."
Und der MÜNCHNER MERKUR meint: "Zum Glück brauchen die meisten Bürger keinen Rat von der Unwort-Jury, wie sie zu sprechen haben. Und wollen auch keinen. Das Wort 'biodeutsch' ist so klar verhetzend, mit Arier-Anklang, dass es keinerlei Belehrungen von selbsternannten Sprachräten braucht, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Was allerdings auch auffällt: Es ist nun das siebte Jahr in Folge, in dem die Jury emsig Begriffe aus den Bereichen Migration und Klima verunwortet. Was dabei ärgerlicher ist als das rituelle Unwort-Getue: Das wirkt wie der Versuch, unangenehme reale Probleme durch Debatten über die Wortwahl wegzudrücken", kritisiert der MÜNCHNER MERKUR, mit dem die Presseschau endet.