16. Januar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zum erneuten Schrumpfen der deutschen Wirtschaft, zum Start der elektronischen Patientenakte und zur grundsätzlichen Einigung auf eine Feuerpause im Gazastreifen.

Pfeile stellen die schwächelnde Konjunktur dar
Die deutsche Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr erneut geschrumpft - ein Thema der Kommentar. (picture alliance / Zoonar / Waldemar Thaut)
"Fünf harte Jahre liegen hinter der Weltwirtschaft", bilanziert die VOLKSSTIMME aus Magdeburg. "Deutschland tut sich schwerer als andere Staaten, wieder in Gang zu kommen. Die Industrie im Land schwächelt angesichts hoher Energiepreise. Das trifft die Bundesrepublik, wo dieser Wirtschaftsteil immer noch eine tragende Rolle hat, besonders hart. Vieles könnte die Bundesregierung angehen, weshalb die Wahl in fünf Wochen eine Chance ist. Die Ampel hatte keine Lösungen mehr für den Stillstand anzubieten, weil sie unter anderen Vorzeichen geschmiedet wurde. Bei der letzten Wahl waren Klimaschutz und Corona-Maßnahmen die Top-Themen. Wirtschaft war nebensächlich. Als Putin die Ukraine überfiel, änderte das alles. Die Regierung fand keine Antwort auf die schädliche Spirale, die das in Gang setzte, und die strukturellen Probleme, die dadurch freigelegt wurden. Jetzt ist die Lage anders. Wirtschaftspolitik wird im nächsten Koalitionsvertrag ganz vorne stehen. Egal, welche Parteien regieren", erwartet die VOLKSSTIMME.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vermerkt: "Die Versuchung liegt nahe, die Schuld an dieser Entwicklung in außergewöhnlichen Schocks und im Ausland zu suchen. Da ist der Energiepreisschock nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Die starke chinesische Konkurrenz bei Elektroautos, in der Ökotechnik, zunehmend auch im Maschinenbau. Die stagnierende Globalisierung, die die deutsche Exportwirtschaft behindere. Die Unsicherheiten durch die beginnende Spaltung der Weltwirtschaft in einen westlichen und in einen China-zentrierten Block. All das spielt eine Rolle, sicher. Aber es ist zu wenig, um die deutsche Wachstumsmisere zu erklären. Andere Länder standen in den vergangenen Jahren ähnlichen Schwierigkeiten wie Deutschland gegenüber und haben sich wirtschaftlich besser geschlagen", gibt die F.A.Z. zu bedenken.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER notiert: "Angesichts einer globalen Pandemie, die noch lange nicht vergessen ist, des russischen Angriffs auf Europa und einer umfassenden Transformation der Wirtschaft in eine klimaneutrale Zukunft steht Deutschland gar nicht so schlecht da. Trotzdem muss die künftige Regierung darauf achten, dass die Bundesrepublik auch weiterhin international wettbewerbsfähig bleibt."
"Auch das neue Jahr verheißt zunächst einmal wenig Gutes", befürchtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Immer deutlicher wird, dass Politiker der demokratischen Mitte sich lieber daran abarbeiten, auf Querschüsse von Rechtsaußen zu reagieren als wirtschaftspolitisch Notwendiges anzupacken. Die Gefahr besteht, dass sich dieses Verhaltensmuster verfestigt. Erschwerend kommt hinzu, dass zumindest das erste Halbjahr ein Entscheidungs-Vakuum zeitigen wird – so lange wird es mutmaßlich dauern, bis die neue Bundesregierung einigermaßen handlungsfähig ist. Das könnte fatale Folgen haben. Denn zugleich bricht es an vielen Stellen mit zunehmender Intensität weg: siehe Jobabbau bei Autozulieferern", schätzt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Für die Parteien im Wahlkampf müssen die Daten ein Weckruf sein", findet die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf: "Die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, ist das zentrale Thema der kommenden Legislaturperiode. Gelingt der nächsten Regierung keine Wirtschaftswende, dürfte der weitere Aufstieg der rechtsextremen AfD kaum zu stoppen sein."
Aus Sicht der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG profitiert die AfD enorm von der Wirtschaftsschwäche, den daraus erwachsenen Abstiegsängsten und davon, dass Klimaschutz kein positives Thema zu sein scheint: "Der Trick: Alice Weidel erklärt den Klimaschutz zum Wachstumskiller, johlt über Windmühlen der Schande und will zurück in die Abhängigkeit von Putins Gas und Öl. Dass Weidel-Kumpel Elon Musk mit E-Autos Milliarden verdient und in Brandenburg mit Tesla mehr als 10.000 Jobs geschaffen hat? Geschenkt. Aber Weidel, die jahrelang in China gelebt hat, wird auch nicht entgangen sein, dass uns die Chinesen mit 'grüner' Technologie von E-Autos über Solarplatten bis zu Innovationen in der Chemie längst weit enteilt sind und unsere Autobauer in die Knie zwingen. Nicht wegen Robert Habeck, sondern wegen Xi Jinping. Auch der hat schon vor Jahren den Klimaschutz als einfach unerlässlich erkannt – und sogar ein Geschäft draus gemacht", notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die elektronische Patientenakte ist in drei Modellregionen in Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen eingeführt worden. Dazu schreibt die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Modellregionen, Testphase – das klingt nicht besonders aufregend. Eher wie einer der vielen Verwaltungsvorgänge im deutschen Gesundheitswesen. Der Eindruck täuscht. Tatsächlich handelt es sich um einen Quantensprung, man möchte sagen um den Beginn einer Zeitenwende, wenn der Begriff nicht gerade anderweitig besetzt wäre."
Die LANDSHUTER ZEITUNG betont: "Die Bundesrepublik ist in Sachen Digitalisierung eine Schnecke. Das soll sich mit der elektronischen Patientenakte ändern. Und das nach 20 Jahren Vorbereitung. Man sollte meinen, das sei genug Zeit für eine optimale, sichere und anwenderfreundliche Lösung. Nicht jedoch in Deutschland. Der Chaos Computer Club hat Schwachstellen ausgemacht. Die müssen ernst genommen und beseitigt werden. Eine fortlaufende Überprüfung und Verbesserung ist nötig", verlangt die LANDSHUTER ZEITUNG.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, ist kritisch: "Eine elektronische Patientenakte, die durch intelligente Systeme echten Mehrwert bietet, könnte das Gesundheitswesen revolutionieren. Sie könnte mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden, die Ärzten personalisierte Empfehlungen zur Therapie gibt. Doch von solchen revolutionären Ansätzen ist bislang kaum die Rede. Stattdessen droht die ePA zu einem bloßen digitalen Speicher zu werden – praktisch, aber eben wenig visionär", bemängelt die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas ist eine grundsätzliche Einigung auf eine Feuerpause im Gazastreifen erzielt worden. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE kommentiert: "Nach 15 Monaten mit immer neuen Kämpfen, mit immer mehr toten Soldaten und einem immer ungewisseren Schicksal der rund 100 Geiseln, hatte die Regierung von Benjamin Netanjahu keine Wahl mehr. Das Abkommen mit der Hamas verschafft Israel, das sich im Moment an mehreren Fronten gleichzeitig verteidigt, eine dringend benötigte Verschnaufpause. Den Konflikt selbst beendet es nicht."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER fragt: "Wird es gelingen, einen dauerhaften Waffenstillstand zu schaffen und irgendwann auch einen neuen Anlauf zu einem Friedensprozess? Bei einer ersten Waffenruhe waren zwar etliche Geiseln freigekommen, doch die Kämpfe flammten bald erneut auf. Solange Netanjahu und die gegenwärtige Hamasführung das Sagen haben, kann das auch diesmal passieren."
Abschließend eine Stimme aus der TAZ: "Selbst wenn ein Waffenstillstand halten sollte, was derzeit stark bezweifelt werden darf: Der Schrecken des Kriegs ist so sehr Alltag geworden, dass dabei vergessen gehen kann, dass die schwierigsten Aufgaben erst nach dem Ende der Gewalt beginnen. Wie sollen die Palästinenser vergeben, dass Israel Gaza laut Hilfsorganisationen zum weltweit tödlichsten Ort für Kinder gemacht hat? Wie soll die israelische Gesellschaft vergeben, dass die Hamas sie mit ihrem Massaker am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Spiel mit dem Leben der Geiseln an ihre dunkelsten Orte gedrängt hat? Gegen den Umgang mit dem unvorstellbaren Ausmaß an Trauer, Wut und Hass nach 15 Monaten Krieg erscheint das erfolgreiche Ringen um einen Waffenstillstand fast wie die kleinere Herausforderung."