18. Januar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zum Streit um die Finanzierung weiterer Ukrainehilfen und um die Zukunft des Ostbeauftragten. Doch zunächst in den Nahen Osten. Gestern Abend hat die israelische Regierung dem Waffenruhe-Abkommen mit der militant-islamistischen Hamas zugestimmt. Laut Medienberichten gab es 24 Ja- und acht Nein-Stimmen.

Benjamin Netanjahu betritt durch eine Tür das Auswärtige Amt und blickt in die Kamera.
Das Kabinett von Ministerpräsident Netanjahu hat der Waffenruhe im Gazakrieg zugestimmt. (picture alliance / AA / photothek.de / Kira Hofmann)
Hören Sie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Es ist nicht Weitsicht und nicht Einsicht, keine plötzliche Empathie und kein Friedenswille, der Israels Regierung nun dazu gebracht hat, einem Gaza-Abkommen zuzustimmen. Der Grund ist allein, dass sich Premier Benjamin Netanjahu in einer taktischen Zwangslage wiedergefunden hat. Zwischen Hammer und Amboss ist er geraten, zwischen Forderungen von Donald Trump und Drohungen seiner rechtsextremen Koalitionspartner. Im ersten Schritt hat er nun Trump bedient, der auf den Deal pünktlich zur Amtseinführung am Montag gedrungen hat. Doch zugleich hat Netanjahu darauf geachtet, dass ihm ein Schlupfloch bleibt, um die Mehrheit seiner Koalition zusammenzuhalten", merkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG an.
T-ONLINE schreibt: "Es gibt Gründe, das Abkommen zu sabotieren – für die Hamas, die im Frieden verliert, für Netanjahu, der Premier im Krieg bleibt. Sechs lange Wochen stehen bevor, in denen vieles passieren kann. Das Pflänzchen Hoffnung ist aber immerhin gepflanzt. Vielleicht finden sich Gärtner in Washington, Riad, Kairo und womöglich sogar in Jerusalem und Gaza, die es hegen und pflegen. Glaubt man es? Muss man, denn die Alternative ist grausam."
Ein Gastkommentator vertritt bei SPIEGEL ONLINE diese Auffassung: "Die auch auf Druck des designierten US-Präsidenten Donald Trump zustande gekommene Waffenruhe ist für Israel strategisch eine Niederlage. Das liegt auch daran, dass Premier Netanyahu im vergangenen Jahr Kriegsziele ausgegeben hatte, die unrealistisch waren, wie etwa den 'totalen Sieg' über die Hamas. Jerusalem wird im Rahmen des verabredeten Geisel- und Gefangenenaustauschs sogar Terroristen aus israelischen Gefängnissen freilassen müssen. Mit einem Siegerdiktat hat das rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Der Hamas ist es gelungen, auf dem Propaganda-Schlachtfeld Israel als Pariastaat dastehen zu lassen. Mit den politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen dürfte sich der jüdische Staat noch lange herumschlagen müssen", warnt SPIEGEL ONLINE.
Auch die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG ist skeptisch: "Weil es der Terrororganisation Hamas gelungen ist, ihre Reihen wieder aufzufüllen, wird sie Stand heute weiterhin das Sagen im Gaza-Streifen haben. Mit dem Chef im Westjordanland, Mahmud Abbas, der seit 16 Jahren ohne jegliche demokratische Legitimierung Präsident ist, ist ebenfalls kein Staat zu machen. Mit wem könnte Israel da überhaupt vertrauensvoll verhandeln? Zudem ist es ein günstiger Moment, dass sich Israel nun den iranischen Mullahs zuwendet, die erheblich geschwächt sind, aber an einer Atombombe arbeiten. Das weiß auch Donald Trump, der ab Montag wieder US-Präsident ist und einen Iran ohne Atomwaffen eher bevorzugt als einen mit", analysiert die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide.
Die RHEIN-ZEITUNG befasst sich mit dem Streit über die Finanzierung weiterer Ukraine-Hilfen: "Der Kanzler ist in die Defensive geraten, aus der er schleunigst herausfinden sollte. Denn die Lage in der Ukraine ist zu dramatisch. Ein kleinlicher Finanzierungsstreit über eine überschaubare Summe wirkt lächerlich. Ja, genau an dieser Frage war die Ampel zerbrochen. Würde er jetzt einer Finanzierung ohne neue Schulden zustimmen, befürchtet Scholz, würde die Begründung des Ampelbruchs entwertet und die SPD die Deutungshoheit verlieren. Doch jetzt gilt es auch für Scholz, nicht mehr nach hinten zu schauen, sondern nach vorn. Es darf nicht der Verdacht entstehen, die SPD nutze die Ukraine nur, um ihr großes Ziel doch noch zu erreichen: die Schuldenbremse endlich loszuwerden", kommentiert die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fährt fort: "Wenn es – angeblich – um nicht weniger als um den Schutz des gesamten europäischen Kontinents geht (mit drei Milliarden Euro wohlgemerkt!), könnte dann nicht der Schutz der deutschen Schuldenbremse dem gegenüber nachrangig sein? Andererseits ist die vom Kanzleramt verbreitete Erklärung – so eilig sei die Sache nicht und die Waffenproduktion ohnehin am Limit – nicht besonders überzeugend. Eilig ist die Sache schon allein wegen des am Montag in den USA antretenden Donald Trump. Und Waffen, insbesondere dringend benötige Drohnen und Schutzausrüstung, lassen sich auch anderswo in der Welt einkaufen. Wenn man denn das Geld dazu bekommt", bemerkt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder).
Nun zur Debatte über das Amt des Ostbeauftragten der Bundesregierung. Während die Union den Posten seit längerem für überflüssig hält, wollen SPD und Grüne daran festhalten. Dazu schreibt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Man kann Olaf Scholz manches Versäumnis in seiner Amtszeit vorwerfen. Nicht aber, dass er den Osten vernachlässigt hätte. Finanziell am weitesten hat sich der Bundeskanzler mit zugesicherten Milliarden-Subventionen für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg aus dem Fenster gelehnt, wenn auch vergebens. Die Scharnier-Funktion hatte – wie bei den anderen Ostprojekten – SPD-Politiker Carsten Schneider. Er war fleißig und bemüht, die Funktion des Ostbeauftragten auszufüllen. Wie seinen Vorgängern machte ihm jedoch eine Grenze das Leben schwer: die fehlende Entscheidungsbefugnis des Ostbeauftragten. Ein Ratgeber allein kann nicht mehr als Impulse geben. Und davon hat es in den vergangenen fast 35 Jahren genügend gegeben, sehr viele aber von begrenzter Wirkung. Als Mahner und Rufer für ostdeutsche Belange braucht es auf die Dauer keinen eigenen Beauftragten in der Bundesregierung", findet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die STUTTGARTER ZEITUNG argumentiert ähnlich: "Der Ansatz, den Ostbeauftragten zu streichen, ist sinnvoll, ebenso wie die Idee, die Zahl der Beauftragten generell zu reduzieren. In der aktuellen Bundesregierung gibt es 45 Beauftragte, darunter auch einen 'Beauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit' oder einen 'Meeresbeauftragten'. Groß ist das Einsparpotenzial nicht, auch weil Staatssekretäre einige dieser Ämter in Personalunion ausüben. Doch auch daran sollten Politiker sparen – schon als Zeichen an die Bevölkerung. Zumal die Themen der Beauftragten in Ministerien und Behörden ja weiter bearbeitet werden, auch wenn es das Amt nicht mehr gibt. Und auch über 'den Osten' wird man weiter diskutieren, ob mit Ostbeauftragtem – oder ohne." Das war die Meinung der STUTTGARTER ZEITUNG.
Zum Schluss der Presseschau der Blick nach Russland, wo drei Anwälte des verstorbenen Kreml-Kritikers Nawalny zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden sind. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hält fest: "Natürlich ist der Richtspruch eine Botschaft an alle Rechtsanwälte Russlands: Gebt acht, welche Angeklagten ihr verteidigt, um nicht selbst auf der Anklagebank zu landen. Es ist auch ein Signal an die russische Gesellschaft, der einmal mehr demonstriert wird, dass Russlands Rechtsstaatlichkeit abgeschafft ist. Und es ist ein Signal aus dem tiefen Herzen des Systems: Für alle, die Nawalny je geholfen haben, gibt es keine Gnade", notiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG resümiert: "Das russische Regime ist heute repressiver, als es die Sowjetunion in den Jahrzehnten nach Stalins Tod war. Und es zeigt eine klare Tendenz: Die Zahl der politischen Verfahren steigt, die Anklagen werden grotesker, die Urteile härter. Das ist schrecklich für alle Gegner des Regimes, die noch in Russland sind. Je länger das so geht, desto schlechter werden die Aussichten, dass Russland nach dem irgendwann unweigerlich kommenden Ende Wladimir Putins zu einem Land wird, das für den Rest Europas keine Gefahr darstellt." Das war die F.A.Z.