23. Januar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute geht es um die Frage, welche Folgen die Präsidentschaft von Donald Trump in den USA für die EU hat und welche Rolle dabei die deutsch-französische Achse spielt. Außerdem im Blickpunkt: die Aufarbeitung des Falls Gelbhaar bei den Grünen.

Davos: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hält eine Rede auf der 55. Jahrestagung des Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos.
In den Pressestimmen spielt auch das Verhältnis der USA zur EU eine Rolle - hier ein Foto von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. (Michael Buholzer / KEYSTONE / dpa / Michael Buholzer)
"Die Welt, wie sie seit der Vereidigung von Donald Trump ist, sieht von Europa aus betrachtet nicht verheißungsvoll aus", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Mit dem Amtsantritt des US-Präsidenten habe eine 'neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs' begonnen, sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Was bedeutet das in der Praxis? Kurz gesagt: jeder gegen jeden, und jeder für sich. Die drei global dominierenden Wirtschaftsmächte – Amerika, Europa und China (mit seiner angehängten Tankstelle Russland) – versuchen nicht mehr, auf der Grundlage von vereinbarten Regeln zum gegenseitigen Vorteil zusammenzuarbeiten, sondern jeweils für sich das Beste und meiste herauszuholen. Sie sind Rivalen im Zugang zu Rohstoffen, Technologien, Handelsrouten, Märkten. Aus der kooperativen Welt wird eine darwinistische. Europa, das von der alten Ordnung unendlich viel profitiert hat, mag das bedauern. Aber Europa kann es nicht ändern", steht für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest.
"Wer stellt sich dem neuen US-Präsidenten mit seinen Tabula-rasa-Plänen in den Weg?", fragt sich auch die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf. "In Europa können das genau zwei Nationen: Deutschland und Frankreich. Nur leider ist die Achse brüchig. Der deutsche Regierungschef und der französische Präsident haben mit schwierigen innenpolitischen Gegebenheiten und viel Gegenwind zu kämpfen. Emmanuel Macron hat ein riesengroßes Haushaltsloch zu verwalten, die französische Regierung verfügt über keine stabile Parlamentsmehrheit. Und der SPD-Kanzler Olaf Scholz steht ebenfalls ohne Parlamentsmehrheit kurz vor einer Bundestagswahl, die ihn die Macht kosten könnte. Es sind also zwei Politiker ohne Land, die sich da in Paris treffen", gibt die RHEINISCHE POST zu bedenken.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hält eine stabile deutsch-französische Achse für zwingend: "Europa braucht diesen Zusammenhalt im Kampf für eine freie Ukraine, im Wettbewerb mit dem systemischen Rivalen China und nun auch im Umgang mit dem herausfordernden Partner USA während der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Das Schicksal der Ukraine, die drohenden Zölle, Nahost, das aufgekündigte Klimaabkommen, der Austritt aus der Weltgesundheits-organisation – auf Europa rollt eine Welle an neuen, vermutlich sehr teuren Schwierigkeiten zu", befürchtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG spricht mit Blick auf Scholz und Macron von einer verpassten Chance. "Bei ihrem Treffen in Paris kam kaum mehr als das gewohnheitsmäßige Bestätigen der deutsch-französischen Freundschaft heraus. Das war zwar dem Anlass angemessen, dem 62. Jubiläum der Elysée-Verträge. Aber eine Antwort auf die Weltlage, insbesondere seit der Amtsübernahme des neuen, alten US-Präsidenten Donald Trump, hätte durchaus selbstbewusster ausfallen können", urteilt die NÜRNBERGER ZEITUNG.
"Der Fortbestand der Europäischen Union in ihrer jetzigen Form – freiheitlich, liberal und solidarisch – ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr", hebt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hervor. "Berlin und Paris müssten sich deshalb noch viel progressiver als bisher als Anwälte der europäischen Sache verstehen. Tatsächlich sind in Frankreich und Deutschland mit dem Rassemblement National und der AfD jedoch zwei nationalistische Parteien zu ungeahnter Stärke aufgestiegen, die dem europäischen Projekt die kalte Schulter zeigen. Von einer neuen Bundesregierung – mutmaßlich unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz – wird also viel abhängen, wie es mit dem deutsch-französischen Verhältnis weitergeht", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Und die VOLKSSTIMME, die in Magdeburg erscheint, fasst zusammen: "Dass Donald Trump eine Herausforderung werden wird, sagt Olaf Scholz in Paris zum politischen Beben, das der US-Präsident innerhalb von zwei Tagen losgetreten hat. Die Formel glättet aber nur diplomatisch das solide Misstrauen gegenüber der neuen Administration in Washington."
Das Magazin DER SPIEGEL geht auf einen anderen Aspekt von Trumps Amtsantritt ein. Der Präsident hat eine Bischöfin kritisiert, die sich im Gottesdienst vor der Amtsübernahme im Beisein von Trump besorgt über dessen Migrationspolitik geäußert hatte. DER SPIEGEL schreibt, es sei, Zitat: "... so leicht, aus dem Hass, den Lügen und dem aufgeblasenen Pomp dieses Mannes die Luft herauszulassen. Die Bischöfin der Episkopalkirche der USA, Mariann Edgar Budde, hat gezeigt, wie das gehen kann. Mit einfachen Worten, die Trump direkt adressierten und die Unmenschlichkeit seiner Weltsicht grell sichtbar machten: Mitgefühl. Erbarmen. Würde. Bescheidenheit. An Trump gerichtet wirkten diese Worte wie aus einem Weltentwurf, der schon in Vergessenheit geraten schien, angesichts der brutalen Botschaften, die der alte und neue US-Präsident beständig unters Volk bringt." Das war die Meinung des Magazins DER SPIEGEL.
Auch die TAZ, die TAGESZEITUNG aus Berlin, ist beeindruckt. "Dem US-Präsidenten ins Gesicht zu sagen, dass seine Politik menschenverachtend ist, erfordert Mut. Mut, den gerade nur wenige beweisen. Dass Budde mit ihren Worten Trumps Herz bewegen wird, ist zwar unwahrscheinlich. Doch mit ihrer fast schon flehenden Bitte zeigt sie einer ganzen Nation und darüber hinaus, dass es möglich ist, sich den Rechten entgegenzustellen. Auch dann, wenn es mächtige Männer in politischen Ämtern sind", betont die TAZ.
Nun zu den Grünen und der Affäre um mutmaßlich erfundene Belästigungsvorwürfe gegen den Abgeordneten Gelbhaar. DER TAGESSPIEGEL kritisiert die Berichterstattung des Senders RBB, der eine Interviewszene mit belastenden Aussagen nachgestellt hatte: "Man kann nichts nachstellen, was sich nicht ereignet hat. Einpersönliches Gespräch von RBB-Journalisten mit der vermeintlichen Kronzeugin hat es, wie es derzeit aussieht, nie gegeben. Der RBB selbst teilt mit, mit der Person, hinter der, zunächst noch ohne Wissen des RBB, eine Grünen-Bezirkspolitikerin gesteckt haben soll, 'mehrere ausführliche Telefonate' geführt zu haben. Telefonate können kein Treffen ersetzen, das, wie nun deutlich geworden ist, Gelbhaar, dem Sender und den Grünen womöglich einiges Unheil erspart hätte. Stattdessen vertraute man ausgerechnet bei einer derart sensiblen Recherche auf eine mutmaßlich gefälschte und unter falschem Namen abgegebene eidesstattliche Versicherung." Das war DER TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Auch die Wochenzeitung DER FREITAG nimmt sich des Themas an: "Während eine Staatsanwaltschaft nach einem Anfangsverdacht prüfen muss, ob Anlass für die Aufnahme weiterer Ermittlungen besteht, reichen uns Journalisten Aussagen. Besonders problematisch wird es da, wo sich nach ersten Vorwürfen durch eine Person, deren Fall ausführlich öffentlich geschildert wird, weitere Personen zu Wort melden. Wie kann man überprüfen, dass sie sich in ihren Aussagen nicht gegenseitig beeinflussten? Es gibt gute Gründe, warum Ermittler Informationen zu laufenden Ermittlungen zurückhalten." So weit DER FREITAG.
Im bayerischen Aschaffenburg sind zwei Menschen bei einem Messerangriff in einem Park getötet worden. Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei den Opfern um einen 41-Jährigen sowie ein zweijähriges Kind. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm kommentiert: "Dieser Anschlag wird den Wahlkampf weiter verändern. Zurecht. Denn sollten sich die Erkenntnisse bestätigen, dass der Täter aus Afghanistan bereits ausreisepflichtig war, müssen wir uns endlich eingestehen: unsere Asylpolitik funktioniert nicht, wir müssen zu einem anderen Umgang kommen. Wer kein Asyl in diesem Land erhält, muss abgeschoben werden – und zwar schnell. Die demokratischen Parteien müssen handeln – oder das Ergebnis der Bundestagswahl am 23. Februar wird für sie zu einem fürchterlichen Debakel." Sie hörten zum Abschluss der Presseschau einen Kommentar der SÜDWEST PRESSE.