27. Januar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen kommentieren das Gedenken an die Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren und die geplanten Anträge des Unionsfraktionsvorsitzenden Merz zu einer verschärften Asylpolitik.

Friedrich Merz steht vor einer Wand mit dem CDU-Logo und spricht. Er gestikuliert mit der geballten rechten Hand.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat der Union (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Martin Meissner)
"Merz hat das Heft des Handelns an sich gerissen", schreibt die RHEIN-ZEITUNG und mahnt: "Aber es könnte ihn mitreißen. Auch wenn er die Wahl für die Union gewinnt, er wird an seinen Versprechungen gemessen werden. Das Thema Zurückweisung an deutschen Grenzen ist juristisch und europapolitisch mindestens heikel. Da braucht es Fingerspitzengefühl, Absprachen mit den europäischen Nachbarn und vor allem Übereinstimmung mit einem künftigen Koalitionspartner. Die Grünen haben bei diesem Thema eine grundsätzlich andere Auffassung, bei der SPD ist man schwer entsetzt. Die FDP stimmt zu, könnte aber die 5-Prozent-Hürde reißen. Könnte Merz also nach der Wahl ohne Koalitionspartner dastehen und europäische Partner verprellt haben? Dann war der Preis für das Vorpreschen entschieden zu hoch." So weit die Einschätzung in der RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
Die TAGESZEITUNG stellt Merz' Aussagen über die EU in den Fokus. "Merz will alle Flüchtlinge an der Grenze einfach in die unmittelbaren Nachbarstaaten zurückweisen, etwa nach Österreich. Er rechtfertigt das damit, dass das EU-Recht 'dysfunktional' sei, und redet von einem 'Recht auf Vorrang des nationalen Rechts' – das es natürlich nicht gibt. Welche Vision hat Friedrich Merz von Europa, wenn er einfach mal so den Vorrang des EU-Rechts beiseiteschiebt? Ausgerechnet in einer Zeit, in der wir eine starke EU gegen Trump, Putin und Xi besonders brauchen, stellt der skrupellose Merz alles infrage. Die CDU wird zur Antieuropapartei und geht auch hier auf AfD-Kurs", heißt es in der Taz.
"Zunächst einmal liefert Merz vor allem den Grünen im Wahlkampf Stoff", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Ob der Kanzlerkandidat der Union mit seiner harten Linie mehr Wähler anzieht als verschreckt, muss sich dagegen erst noch zeigen. Gewinnt die Union die Wahl, stellt sich die Frage, wer die Migrationspolitik mittragen würde, die Merz zur Bedingung für jede Koalition macht. Die FDP wäre wohl dabei. Mit der AfD, da können die Grünen und die SPD nun den Teufel an die Wand malen, werden CDU und CSU nicht koalieren", erwartet die F.A.Z.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU verweist auf Folgendes: "Für die Grünen ist die CDU die bisher einzige Option, um weiter an der Macht zu bleiben. Seit Wochen arbeitet die Partei um Kanzlerkandidat Habeck darauf hin, die Weichen für eine schwarz-grüne Koalition zu stellen. Doch Merz hat mit seinen Vorschlägen zur Migrationspolitik die schwarz-grünen Träume zertrümmert. Treten kritische Stimmen innerhalb der CDU Merz auf offener Bühne entgegen? Das würde dem schwarz-grünen Bündnis helfen. Andernfalls werden die Grünen wohl dort landen, wo sie vor drei Jahren auch waren: in der Opposition." Das war die LAUSITZER RUNDSCHAU, die in Cottbus erscheint.
"Es gibt derzeit wohl niemanden, der so leidenschaftlich für politische Kompromissbereitschaft plädiert wie der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck", analysiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER. "Das entspringt tiefer Überzeugung und der Lage. Denn das Erstarken der AfD macht Koalitionen über Lagergrenzen hinweg notwendig, weil die Demokratie andernfalls weiter destabilisiert würde. Es folgt aber auch dem Ziel, der eigenen Partei eine Koalition mit der Union schmackhaft zu machen. Sie soll im Zweifel unausweichlich erscheinen. Nach der jüngsten Öffnung des Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz zur AfD stößt allerdings selbst Habeck an Grenzen. Machen CDU und CSU so weiter, dann wird Schwarz-Grün für die Grünen objektiv unmöglich."
"Die Brandmauer darf in der Tat nicht fallen, das ist völlig klar", bekräftigt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG und führt aus: "Das aber zu verhindern, ist doch nicht allein die Aufgabe von Friedrich Merz. SPD und Grüne müssen sich selbst fragen, was ihre Antwort auf eine unkontrollierte Migration ist, die lange wohlwollend begleitet, nun aber von vielen nicht mehr akzeptiert wird. Den Moment, in der Debatte mitzureden oder gar den Ton anzugeben, haben die Grünen sicher verpasst."
In der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es zum Bundesparteitag der Grünen: "Wenige Wochen vor der Wahl sprechen die Grünen viel von Verantwortung: Etwa dafür, der Klimakatastrophe gerecht zu werden, und dafür, die Abgrenzung von Rechtsradikalen aufrechtzuerhalten. Erfüllen die Grünen selbst diese Verantwortung? Dazu müssen sie vor allem erfolgreich sein. Von einem Mittelweg zwischen den eigenen Überzeugungen und Zugeständnissen an einen reaktionären Zeitgeist ist aber wenig Inspiration zu erwarten. Habeck kritisiert richtigerweise die Diskursverschiebung im Sinn der extrem rechten AfD und die rechtsoffene Linie von Friedrich Merz. Wie schon in der Ampel gelingt es Habecks Grünen aber nicht, offensiv einen progressiven Gegenentwurf zu formulieren, sondern sie reiben sich in Abwehrbemühungen auf", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg blickt auf den Wahlkampf der AfD. "Mit einer Show im Stil eines Donald Trump hat die Partei um Alice Weidel in Halle die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs eingeläutet. Nein, trunken von Bier und Selbstbewusstsein regelrecht eingegrölt. 'Make Germany great again', nennt die Kanzlerkandidatin im aufgeblasenen Trump-Stil ihr Ziel. Und der kaum weniger narzisstische Tech-Milliardär und Präsidenten-Helfer Elon Musk macht sich via Live-Schalte an der deutschen Erinnerungskultur zu schaffen, indem er den Fokus weg von 'vergangener Schuld' leiten will. Zwei Wochen nach dem Parteitag von Riesa, als die AfD ihre bürgerliche Tarnung endgültig aufgegeben hat, bestätigte die Politshow von Halle erneut, welche Zukunft dem Land unter einer AfD droht", bilanziert die VOLKSSTIMME.
Mit einer zentralen Gedenkzeremonie am Ort des früheren deutschen Vernichtungslagers Auschwitz wird heute in Polen der Befreiung vor 80 Jahren gedacht. Der TAGESSPIEGEL kommentiert: "Sich buchstäblich vor Augen zu führen, was das war, dieser 'Zivilisationsbruch', wie es so papieren heißt, bedeutet, sich Gefühlen auszusetzen. Wer will das schon? Immer weniger im Lauf der Jahre. Die Älteren aus Scham, die Jüngeren, weil sie es nicht besser wissen: So lange her, was hat das mit mir zu tun? Die Jewish Claims Conference hat repräsentativ Menschen in unserem Land zwischen 18 und 29 befragt. Danach geben rund 40 Prozent der Befragten an, nicht gewusst zu haben, dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Nazi-Zeit ermordet wurden. Zwei Prozent vertraten die Auffassung, der Holocaust habe nicht stattgefunden. Was lernen wir daraus? Der Monstrosität zu gedenken bedeutet, das Denken der Generationen zu lenken, im besten Falle, im besten Sinne. Weil Geschichte nicht vergeht – aber Gefahr darin liegt, dass sie verblasst." Sie hörten einen Kommentar aus dem TAGESSPIEGEL.
"Es droht etwas verloren zu gehen", stellt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest. "Nicht nur der mühsam errungene Konsens in Deutschland, die historische Schuld von Auschwitz anzunehmen. Auch die Kraft der Lehren aus Auschwitz erlahmt. Im Westen Europas führte der so hart errungene Sieg über Nazideutschland zu einer neuen internationalen Ordnung, sie basierte auf verbindlichen Regeln und Beistandspakten, Kooperation und Werten der Freiheit. All dies steht heute infrage, ist gefährdet wie nie zuvor seit dem Befreiungsjahr 1945. Noch bezeugen die letzten Überlebenden die Geschichte des Zivilisationsbruchs, aber das hindert die Mächtigen nicht, diese Geschichte zu eigenen Zwecken zu manipulieren. Die Rote Armee hat 1945 Auschwitz befreit. Wladimir Putin nutzt diese historische Tat dazu, seinen Mordfeldzug gegen die Ukraine als Fortsetzung des Kampfes gegen 'Nazis' schönzufärben", beklagt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.