"Selten hat ein einzelner Mann so viel Chaos gestiftet im Bundestag wie in dieser Woche Friedrich Merz", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Ohne Not hat er das Parlament zum Schwur gezwungen und ohne Plan hat er seine eigene Partei in den moralischen Morast der gemeinsamen Mehrheit von Gnaden der Rechtsextremen geführt. Für Merz endete das in einer doppelten Niederlage. Union und FDP stimmten mit der AfD, aber sie erreichten keine Mehrheit. So nahm die Brandmauer zu den Rechten Schaden, ohne dass Merz in der Sache irgendetwas erreicht hätte. Es ist gut, dass kein Gesetz mithilfe der AfD beschlossen wurde. Dennoch ist der Wahlkampf an einem Tiefpunkt angelangt, der Wirkung zeigen wird bis lange nach dem 23. Februar", prophezeit die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU wirft dem Unions-Kanzlerkandidaten vor: "Friedrich Merz hat Wortbruch begangen. Im November hatte der Unionsfraktionsvorsitzende gesagt, er wolle nicht auch nur ein einziges Mal 'mit denen da' von der AfD eine Mehrheit herbeiführen. Das war ein starkes Statement, er klang überzeugt und glaubwürdig. Und dann hat er sich bereits am Mittwoch für einen Antrag zur Migrationspolitik eine Mehrheit mit Hilfe der AfD beschafft. Das ist ein großer Triumph für die in Teilen rechtsextreme AfD. Und das ist Spaltpotenzial für die demokratische Gesellschaft in Deutschland. Der Mann, der Bundeskanzler werden will und dafür in Ermangelung einer absoluten Mehrheit einen Koalitionspartner suchen müsste, hat bereits als Mann der Opposition die mühsame Suche nach einem Kompromiss verweigert", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) ergänzt: "Das Ganze könnte auch deswegen verheerende Auswirkungen haben, weil es ein altes Vorurteil gegen Merz bedient: So wie Armin Laschet schon vor seinem Lacher im Flutgebiet unter Unseriositätsverdacht stand, gilt bei Merz der Affekt-Vorbehalt. Diese Zweifel sind zurück. Wie die Sache am 23. Februar für ihn ausgeht, ist offen. Nicht ausgeschlossen, dass sein Migrationskurs am Ende mehr Wähler anlockt als sein AfD-Kurs vertrieben hat. Verpasst hat der Christdemokrat aber die Gelegenheit, heißes Engagement und kühles Kalkül miteinander zu versöhnen. Es wäre ein wirklich neues Angebot für das Land gewesen", findet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
In der AUGSBURGER ALLGEMEINEN ist zu lesen: "Als Kanzler, das muss man so hart sagen, hat Merz sich damit nicht empfohlen. Im Gegenteil: Ausgerechnet in einer für Deutschland aus vielen Gründen fundamentalen Frage – wie halten wir es mit Migration und Asyl? – hat der Kandidat all die Vorurteile bestätigt, die ihn schon immer verfolgen. Er handelte impulsiv und rücksichtslos, ohne kluge Beratung und offenkundig ohne echten Plan. Sicher, man kann Merz abnehmen, dass er sich nicht an die AfD rankuscheln, sondern offensichtliche Probleme der Migrationspolitik lösen wollte. Am Ende aber steht ein Scherbenhaufen." Das war die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg bemerkt: "Man muss Merz zugutehalten, dass er den Wunsch in der Bevölkerung nach Eindämmung der irregulären Zuwanderung aufnehmen und damit für die Union als demokratische Kraft kanalisieren wollte. Obendrein wollte er sich aus einer rot-grünen Fessel befreien. SPD und Grüne hatten Forderungen nach strengeren Regeln jahrelang mit dem Hinweis abgeblockt, man stelle sich sonst gegen geltendes Recht und gegen die Werte der demokratischen Mitte. Deren Ausmaß und inhaltliche Füllung definierten SPD und Grüne am liebsten selbst. Die Merz'sche Eruption nach Aschaffenburg war auch der Versuch, SPD und Grünen nicht länger die Deutungshoheit dessen zu überlassen, was die akzeptierte demokratische Mitte darstelle und was nicht", analysiert die BADISCHE ZEITUNG.
Der WESER-KURIER aus Bremen schreibt: "Dass es nicht zu den Gesetzesänderungen kommt, ist kein Drama. Um eines klarzustellen: Weder das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung noch ein Stopp des Familiennachzugs für Schutzberechtigte wird Verbrechen wie Aschaffenburg, Solingen oder Magdeburg verhindern. Wer diesen Eindruck erweckt, sagt mit Vorsatz die Unwahrheit. Es gibt in diesem Land kein Regelungsdefizit, es gibt ein Vollzugsdefizit. Deshalb wären zusätzliche Beamte für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge viel wichtiger als sämtliche Verschärfungen, die Union und FDP gemeinsam mit der AfD und BSW im Bundestag beschließen wollten. Die wirklich wichtigen Gesetze zur nationalen Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylrechts werden nach dieser Wahl ohnehin kommen. Unter welcher Mehrheit auch immer", ist der WESER-KURIER überzeugt.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg zieht folgende Bilanz der Bundestagssitzung: "In der Sache sind die Folgen der Nichtannahme überschaubar, ins Land aber geht die Botschaft, dass die Mitte die Probleme nicht löst. Schockierend war gestern, wie die Parteien der Mitte kurz vor der Wahl miteinander umgehen. Union und FDP einerseits sowie SPD und Grüne stehen sich dabei auf bedenklich unversöhnlichen Positionen gegenüber. Beobachter sprachen gar von einem 'Gemetzel'. Man fragt sich, wie die Parteien nach der Wahl noch zueinander finden wollen. Profiteur ist nur eine Partei: die AfD. Die probte gestern bereits den Sturm auf die Union. Diese Woche war keine gute für die Demokratie", stellt die VOLKSSTIMME fest.
Thema in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist die gestiegene Zahl von Arbeitslosen in Deutschland: "Olaf Scholz und seine Wahlkämpfer mögen aufgeatmet haben, dass ihnen ein Anstieg der Arbeitslosenzahl über die Schwelle von drei Millionen so kurz vor dem Wahltermin knapp erspart geblieben ist. Dass Deutschland wirtschaftspolitisch eine Kehrtwende braucht, um die Industrie vor weiterer Erosion zu bewahren und neue Beschäftigungsdynamik zu entfachen, ist offenkundig. Das reicht aber nicht. Ebenso notwendig ist die Umkehr hin zu einer deregulierenden statt immer stärker regulierenden Arbeitsmarktpolitik. Doch wer den gesetzlichen Mindestlohn immer weiter hochtreibt, beseitigt Einstiegsjobs für Geringqualifizierte. Wer das Sprungbrett Zeitarbeit blockiert, tut es auch. Und wer mehr als eine Million Arbeitslose allein durch Förderangebote für Fachkraftstellen qualifizieren will, fördert Illusionen", unterstreicht die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG spricht von einer "dramatischen Entwicklung": "Die Lage wird sich auf absehbare Zeit auch nicht so schnell ändern, denn Ursache für die Misere sind auch strukturelle Probleme. Und die lassen sich nicht so rasch lösen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Thema im Wahlkampf vor lauter Migrationsdebatten kaum noch eine Rolle zu spielen scheint. Es steht zu befürchten, dass immer mehr Menschen ohne Job sein und es auch bleiben werden. Mehr Arbeitslose bedeuten höhere Ausgaben für das Arbeitslosengeld, weniger Steuereinnahmen und Sozialabgaben und eine weiter sinkende Wirtschaftskraft. Denn verunsicherte Bürger halten ihr Geld beisammen. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt weiter abschmieren, weil etwas mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung von der Konsumlaune der Verbraucher abhängt", erläutert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Das Gespenst kehrt zurück", titelt die PASSAUER NEUE PRESSE und führt aus: "Die Stabilität des Arbeitsmarkts, die bis in die vergangenen beiden Krisenjahre hinein hielt, hatte eine fatale Nebenwirkung: Sie schläferte die Politik ein. So wurde versäumt, Reformen einzuleiten und die Strukturen an sich ändernde Bedingungen anzupassen. Jetzt passiert das, was passieren muss, wenn die Wirtschaft schrumpft: Die Rezession kommt auf dem Arbeitsmarkt an. Düstere Zeiten. Offenbar muss es der Republik erst richtig schlecht gehen, bis wir endlich aufwachen. Das Land braucht schnell harte, einschneidende Reformen. Sonst geht es mit uns weiter abwärts."