24. Februar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

CDU-Sieg, AfD- und Linkeergebnis, Wahlbeteiligung: Die Redaktionen in Deutschland kommentieren zahlreich den Ausgang der Bundestagswahl 2025.

Ein Stapel mit verschiedenen Tageszeitungen liegt auf einem Tisch.
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
"Friedrich Merz ist an seinem persönlichen Ziel. Er wird Bundeskanzler werden", notiert die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus. "Aber die Aufgabe, die er von Olaf Scholz übernimmt und die Bürde, die er damit auf sich lädt, ist riesig. Das ist so, weil sein Vorgänger die Ampel-Koalition schlecht geführt hat, bis sie zerbrach. Nun hat das auch die SPD zerschmettert. Eine große Mehrheit wünscht sich grundlegende Veränderungen. Und seit einigen Wochen haben viele Angst; Angst vor Trump und Putin; und Angst davor, dass es wieder keine stabile Regierung geben wird. Es kommt auf Friedrich Merz' Führungskraft und -stil an, ob er ein großer Kanzler wird, mit dem es für Deutschland aufwärts geht", erwartet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Deutschlands Wählerinnen und Wähler haben gestern ein historisches Missverständnis korrigiert", ist im MÜNCHNER MERKUR zu lesen. "Es war ein Irrtum zu glauben, Olaf Scholz und seine Regierung könnten die Zeitenwende organisieren, die Wirtschaft beleben, das Land im Inneren befrieden und im Äußeren wappnen gegen die zerstörerischen Folgen von Putins Zivilisationsbruch. Dazu fehlte der Ampel der nötige Grundvorrat an Gemeinsamkeit – und dem Kanzler der Wille, Deutschland und Europa mutig zu führen. So wie Scholz bis zuletzt seine Wiederwahl-Chance auf fast schon gespenstische Weise vortäuschte, hat er auch den Zeitenwende-Kanzler nur gespielt", kritisiert der MÜNCHNER MERKUR.
Die TAZ blickt auf den größten Wahlverlierer: "Die SPD hat sich ihr bis vor kurzer Zeit noch unvorstellbar schlechtes Ergebnis redlich erwirtschaftet. Wer sollte eine Kanzlerpartei wählen, die weder zu den Liberalisierungen noch zur Sozialpolitik stehen mag, die sie immerhin erreicht hat, sondern sich in einen niemals gewinnbaren Härte-Contest begibt? Mit ein paar Abstrichen gilt das auch für die Grünen. Die Stimmen derer, die finden, dass es gegen jedwede Merz-Regierung sozialökologischen Widerstand braucht, haben sich konsequenterweise bei der Linkspartei versammelt. Doch so weitreichend die Verschiebungen für jede einzelne Partei sind – ihre Bedeutung verschwindet hinter der alles überragenden Aufgabe der kommenden Regierung: Dem Aufstieg der autoritären Rechten und der Feinde der liberalen Demokratie etwas entgegenzusetzen", kommentiert die TAZ.
Der WESER-KURIER aus Bremen stellt fest: "Friedrich Merz kann nun unter Beweis stellen, dass er es besser kann als sein Vorgänger. Olaf Scholz hat hingegen die Chance auf einen ehrenvollen Rückzug verpasst."
Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe finden: "Friedrich Merz ist der logische und erwartete Sieger dieser Wahl. Doch ein Ergebnis unterhalb der 30 Prozent ist keine Marke, um daraus die Spielräume für den echten Wandel zu schöpfen."
Nun eine Stimme aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG: "Auf den erfreulich kurzen Wahlkampf folgt hoffentlich eine kurze Regierungsbildung als Zeichen, dass der Ernst der außen- und wirtschaftspolitischen Lage erkannt ist. Um das Wesentliche zu verabreden, muss ein Monat reichen, wie früher oft. Ein detaillierter Koalitionsvertrag garantiert schließlich keine gute Regierung, das hat die Ampel bestätigt. Daher sollte der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz alles tun, um schon durch straffe Koalitionsgespräche positiv zu überraschen. Startklar zu Frühlingsbeginn im März statt erst Ostern weit im April? Das wäre ein Signal an die Bürger und in die Welt, dass in Berlin frischer Wind weht - ein nicht zu unterschätzender psychologischer Effekt", betont die F.A.Z.
Auch der MANNHEIMER MORGEN blickt voraus: "Friedrich Merz wird die AfD nur in Schach halten, wenn er ab sofort gegenüber den Akteuren der politischen Mitte versöhnend, vermittelnd und besonnen auftritt. Zuletzt beleidigte er sie als 'linke Spinner'. Eine kluge Taktik gegen die weitere Spaltung der Gesellschaft ist daraus nicht abzuleiten. Der Weg zueinander – in welcher Konstellation auch immer – wird für alle Beteiligten ein großer Sprung über den eigenen Schatten. Es gibt keine andere Wahl", betont der MANNHEIMER MORGEN.
Die JÜDISCHE ALLGEMEINE vermerkt: "Fest steht, dass sich – bei welcher Koalition auch immer – ein Scheitern wie bei der Ampel nicht wiederholen darf. Die rechtsextreme AfD hat in den letzten dreieinhalb Jahren fast doppelt so viele Stimmen gewinnen können wie zuvor. Die demokratischen Parteien mögen es leugnen, aber es ist eine Binse: Die Extremisten von rechts und links sind nur so stark, wie die etablierten Parteien sie werden lassen. Es wird Aufgabe von Friedrich Merz sein, diese Entwicklung zu stoppen", mahnt die JÜDISCHE ALLGEMEINE.
Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU warnt: "Gerade jetzt, in Zeiten einer verunsicherten Bevölkerung, einer strauchelnden Wirtschaft und des drohenden Zerbrechens sicher geglaubter transatlantischer Allianzen braucht Deutschland Stabilität und Handlungsfähigkeit. Gelingt der Schritt hin zu mehr Kompromiss und Konsens nicht, droht die nächste Bundestagswahl erneut eine vorgezogene zu werden. Was das Ergebnis einer solchen Wahl für die Stabilität Deutschlands bedeuten würde, mag man sich gar nicht ausmalen." So weit die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das größte Plus erzielte die AfD. Dazu schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Zwar zieht 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine rechtspopulistische Partei mit verdoppeltem Stimmenanteil in den Deutschen Bundestag ein – aber das ist in Ordnung. Es ist insoweit in Ordnung, weil Millionen Deutsche ihr ihre Stimme gegeben haben, frei in ihrer Entscheidung, frei in ihrer Wahl, frei informiert und auch im Wissen um die Gefahren, die andere in der AfD sehen. Von Unkenntnis oder Manipulation kann keine Rede sein. Die Wähler wollten es so. Eher ist es die AfD, der es schwer gemacht wurde, und die ihr Ergebnis gleichwohl steigerte", erläutert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die BERLINER ZEITUNG geht auf die deutlichen Zugewinne der Linkspartei ein: "Die Linke hat mit einer klaren Bejahung der Migration ein Alleinstellungsmerkmal gefunden. Neben der Forderung nach einem weiteren Ausbau des Sozialstaats hat sich Die Linke als die soziale Partei etabliert, der auch das BSW nicht das Wasser reichen kann. Die Linke hat erklärt, dass sie gar nicht regieren möchte, sondern als Warnerin und Total-Opposition ihre Stimme im Bundestag einsetzen will. Insofern zeigt sich heute: Die Linke hat ihren Platz wiedergefunden", stellt die BERLINER ZEITUNG fest.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nimmt die Außenpolitik in den Fokus: "Die Deutschen haben gewählt, aber Deutschland hat keine Wahl. Das ist eine bittere Wahrheit zu Beginn dieser Woche, in der sich der russische Angriff auf die Ukraine zum dritten Mal jährt. Und Europa scheinbar hilflos vor dem Scherbenhaufen steht, der einmal das transatlantische Bündnis war. Die gesamte Friedensordnung steht jetzt infrage, in der Europa zusammengewachsen und gediehen ist. Was gestern noch fatalistisch klang, ist heute nüchterne Realität: Es geht ums Überleben. Die Liste drängender Probleme war schon lang: Rezession, Demografie, Migration, Infrastruktur, Klimawandel. Doch all das ist jetzt überholt worden von der existenziellen Bedrohung, die von Putins Imperialismus kombiniert mit Trumps Zerstörungswut ausgeht. Diese Bedrohung zwingt unmittelbar zum Handeln. Unabhängig davon, wer Bundesregierung prägen wird: Sie muss künftig eine nie gekannte Verantwortung für Europas Sicherheit übernehmen", unterstreicht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT sieht ein starkes Zeichen für die parlamentarische Demokratie: "Die Menschen haben die Bedeutung dieser Wahl verstanden, die Wahlbeteiligung war enorm hoch – erstaunlich nach Tagen, in denen viele nicht wussten, wen sie überhaupt wählen sollten. Vor allem aber ist das Wahlergebnis das Symbol, das ein verunsichertes Land jetzt braucht: für einen politischen Wechsel, für eine – echte – Zeitenwende, für einen deutschen Neuanfang, wenngleich dieser schwierig wird."