28. Februar 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zum Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Washington und den geplanten Sondierungen von SPD und CDU. Zunächst geht es jedoch um die Koalitionsbildung in Österreich.

SPÖ-Chef Andreas Babler, ÖVP-Chef Christian Stocker und Neos-Bundesparteichefin Beate Meinl-Reisinger präsentieren Papiere.
SPÖ-Chef Andreas Babler, ÖVP-Chef Christian Stocker und Neos-Bundesparteichefin Beate Meinl-Reisinger präsentieren in Wien ihr Regierungsprogramm. (picture alliance / Hans Klaus Techt / APA / picturedesk)
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg schreibt: "Nun nach fünf Monaten steht in Wien endlich eine neue Regierung. Es soll eine Mitte-Koalition aus konservativer ÖVP, der SPÖ und den liberalen Neos werden. Der schon dritte Versuch ist die Wiederholung des ersten Anlaufs. Dazwischen hatten ÖVP und rechtsextreme FPÖ eine Regierungsbildung versucht. Das ging in die Hose. Die Volkspartei unter Christian Stocker schreckte letztlich vor dem Handschlag mit den Rechten zurück. Stocker dürfte nun neuer Bundeskanzler werden. Beim brennenden Thema Migration will die Regierung den Familiennachzug stoppen und die Anzahl der Asylanträge auf null zurückfahren. Der FPÖ-Wahlerfolg lässt grüßen", heißt es in der VOLKSSTIMME.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geht auf die weiteren Vorhaben der Dreier-Koalition ein: "Es ist ein Gesamtkunstwerk aus konservativer Migrationspolitik, sozialdemokratischen Steckenpferden wie einer Bankensteuer und liberalen Forderungen nach einem schlanken Staat. Was sich davon verwirklichen lässt, hängt vor allem am Geld und an dem mangelt es in Österreich wie überall. Fest steht aber, was der ÖVP-Vorsitzende Stocker gesagt hat: Österreich ist ein Land, in dem Konsens und Ausgleich der Interessen großgeschrieben werden, was es diesmal doch noch möglich gemacht hat, über die Parteigrenzen hinweg einen Kompromiss zu finden. Während 'österreichische Verhältnisse' in den vergangenen Monaten auch in Deutschland eher als Schreckgespenst wahrgenommen wurden, sind es ja vielleicht die 'österreichischen Tugenden', die von jetzt an Schlagzeilen machen", mutmaßt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAZ erläutert: "Nun gilt es, den Hickhack und Stillstand früherer großer Koalitionen zu vermeiden. Das Hinzuziehen der liberalen Partei Neos als dritte Kraft könnte dabei helfen. Sie ist die jüngste Partei im Parlament und fordert glaubhaft ambitionierte Reformen ein. Zu hoffen bleibt nun, dass der neuen Dreierkoalition ein Schicksal wie das der deutschen Ampel erspart bleibt. Gewiss ist das keineswegs. Fürs Erste ist die Gefahr einer ultrarechten FPÖ-Regierung aber abgewehrt." So weit die TAZ.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER sieht in der österreichischen Koalitionsbildung auch eine Vorbildfunktion für Deutschland: "Österreich hat es geschafft, eine Regierung ohne Rechtspopulisten auf die Beine zu stellen. Das ist auch ein Signal an Deutschland, wie man die AfD bekämpfen kann. Die Erfolgsformel aus Wien ist so einfach wie einleuchtend. Wer die Migration begrenzen und kontrollieren will, der muss die Parteien der Mitte wählen. Sie bieten Lösungen, die vielleicht nicht nach dem Geschmack der politischen Eliten sind, aber nach dem der Bevölkerungsmehrheit. Es reicht eben nicht, auf die Straße zu gehen, um Rechtspopulisten zu bekämpfen. Dafür braucht es eine klare Botschaft an die AfD-Wähler, dass ihre Probleme gesehen werden und die Parteien der Mitte darauf eine gute politische Antwort finden", konstatiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Deutschlands künftige Koalitionäre sollten sich das Wiener Beispiel genau ansehen", findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Die Kultur von Kompromissfindung und breitem gesellschaftlichem Konsens, die beide Länder so stabil wie erfolgreich gemacht hat, gerät hier wie da mit jedem Prozent für die Ränder in Gefahr. Die Parteien der Mitte müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie mit ihren Mitteln in der Lage sind, gute Lösungen für die drängenden Probleme dieser Zeit zu finden. Vorerst scheint es, als habe man den Schuss, der durch ganz Europa schallt, zumindest in Wien vernommen. Auch in Berlin sollte er nicht zu überhören sein", betont die F.A.Z.
Dort, in Berlin, beginnen heute die Sondierungen zwischen Union und SPD. Die RHEINISCHE POST ist angesichts der jüngsten Forderungen von CDU und CSU irritiert: "Man reibt sich ein wenig die Augen in den Tagen nach der Wahl: An internationalen Herausforderungen und Streitpunkten mangelt es nicht, falls es zu Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD kommt. Doch der CDU-Vorsitzende Merz nennt ausgerechnet das Wahlrecht als einen der ersten Punkte der Sondierungen, CSU-Chef Söder macht eine erneute Änderung gar zur Bedingung für eine Koalition. Es stimmt: Die Union ist der große Verlierer der von der Ampel-Koalition durchgesetzten Bundestags-Wahlrechtsreform. Für 23 der 299 Wahlkreis-Sieger ist im nächsten Bundestag kein Platz. 15 von ihnen kommen von der CDU, drei von der CSU. Sicher lohnt es sich, das neu anzugehen. Aber es ist nicht prioritär", ist die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf überzeugt.
Die WELT ermahnt auch die SPD und notiert, es sei Schluss mit den "alten abgebrühten Spielchen": "Es wäre dem Ernst der Lage angemessen, wenn bei den Verhandlungen beide Parteien ihre Hauptaufgabe nicht mehr darin sähen, möglichst viel von der eigenen Programmatik durchzusetzen. Sie müssen wie keine Regierung zuvor Schwerpunkte setzen. Allem voran muss es darum gehen, Deutschland wieder zum europäischen Player und die Europäische Union zu einem satisfaktionsfähigen internationalen Akteur zu machen. Das muss die Antwort auf den Zerstörungselan von US-Präsident Trump sein. Und das wäre auch die beste Voraussetzung für eine militärische und politische Unterstützung der Ukraine, die dieser hilft, als souveräner Staat zu überleben. Dieses Vorhaben hat – neben der Frage des wirtschaftlichen Aufschwungs – absoluten Vorrang und es ist eine Herkulesaufgabe. Um sich darauf konzentrieren zu können, sollten die Regierungsparteien auf anderen Feldern eine Art Moratorium, eine Vertagung auf einen späteren Zeitpunkt vereinbaren", schlägt die WELT vor.
Und damit zum nächsten Thema. Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE kommentiert den für heute geplanten Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei US-Präsident Trump in Washington. Bei dem Treffen soll auch das umstrittene Rohstoffabkommen beider Länder unterzeichnet werden. "Die ausgezehrten ukrainischen Truppen werden ohne fortgesetzte Hilfe der USA das Land auf Dauer nicht verteidigen können. Und die Europäer sind nicht in der Lage, die US-Unterstützung zu ersetzen, würden Trump und der US-Kongress sie künftig verweigern. Was also bleibt Selenskyj im Zustand wachsender Verzweiflung? Trumps ausbeuterisches Angebot ist eines, das er nicht ablehnen kann. Er kann allenfalls versuchen, einzelne Vertragsdetails zugunsten eines Wiederaufbaus zu wenden. Zentral ist dabei die Frage nach Sicherheitsgarantien nach einem möglichen Friedensschluss. Doch der US-Präsident vertritt hier eiskalt die russische Position: 'Vergesst die Nato' – was bedeutet: 'Vergesst auch die US-Truppen'. Und im Kreml sitzt ein Kriegsverbrecher, schaut dem Treiben zu und lacht sich ins Mörderfäustchen", erläutert die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel.
"Europa hat seine Chance auf Rohstoffe aus der Ukraine nicht genutzt", meint das HANDELSBLATT. "Die verpasste Chance fällt Europa jetzt auf die Füße: Die EU hätte seit Jahren von ukrainischen Rohstoffen profitieren können - und hatte dafür sogar bereits einen Rahmen geschaffen. Im Juli 2021, Monate vor Russlands großem Überfall, beschlossen Kiew und Brüssel bereits eine 'strategische Partnerschaft'. Man hatte sich auf die Gewinnung und Verarbeitung von kritischen Rohstoffen verständigt. Allerdings ging die Abmachung nicht weit über eine Absichtserklärung hinaus. Nur sieben Monate nach der Unterzeichnung begann Putin seinen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. Von da an hielten sich Investoren auch in den Regionen fernab der Front mit Explorationen zurück. Das gemeinsame Potenzial für die Ukraine und die EU blieb ungenutzt. Seit Wochen ist auch dem Letzten klar, dass die USA bei der Verfolgung ihrer Interessen an den ukrainischen Schätzen deutlich aggressiver vorgehen, als es die EU jemals auch nur in Erwägung gezogen hat. Brüssel war in Ukraine-Fragen wie so oft zu zögerlich."