06. März 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird der Verzicht der Grünen-Politikerin Baerbock auf eine Führungsposition in der künftigen Bundestagsfraktion ihrer Partei. Zunächst geht es aber um das geplante Finanzpaket von Union und SPD.

Söder, Merz, Klingbeil und Esken geben eine Pressekonferenz zu den Sondierungsgesprächen zwischen der Union und der SPD.
Die neuen Sondervermögen sorgen bei der Union, vor allem aber bei der SPD, für Erleichterung. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
"CDU-Chef Merz hat noch vor seiner mutmaßlichen Wahl zum Kanzler sein zentrales Wahlversprechen gebrochen", schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Die milliardenteuren Wahlversprechen seiner Partei wollte er finanzieren, indem er die angeblichen Faulpelze aus dem Bürgergeld in Arbeit schickt. Die Wählerinnen und Wähler haben vermutlich geahnt, dass sie belogen werden, und Merz eines der schlechtesten Wahlergebnisse der Union bei Bundestagswahlen beschert. Nun ist es so weit. Die anvisierte Koalition aus CDU, CSU und SPD steht noch gar nicht, da haben sich alle drei Parteien schon auf ein gigantisches Finanzpaket geeinigt, von dem die Ampel nur träumen konnte. Ironie des Schicksals: Merz tritt schon mit den ersten Entscheidungen von Schwarz-Rot in die Fußstapfen seiner politischen Intimfeindin Merkel. Die Union macht sozialdemokratische Politik", analysiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Ein Husarenstreich und zugleich eine gewaltige Wählertäuschung", urteilt der MÜNCHNER MERKUR: "Richtig ist aber zugleich: Merz hat den festen Willen, Deutschland und Europa durch diese Zeitenwende zu führen, und schreckt dabei zu Recht auch vor dramatischen Entscheidungen nicht zurück. Auf ein Land, das 16 Jahre lang die Schlafwagenpolitik einer Angela Merkel und drei Jahre die Selbstblockade der Ampel erlebt hat, wirkt das wie ein Kulturschock. Doch was bleibt uns anderes übrig? Die Schuldenbremse wurde für 'normale' Zeiten erfunden, damit der Staat dann handlungsfähig ist, wenn die Geschichte es erfordert. Und die Geschichte spielt sich gerade jetzt ab, vor unseren Augen", heißt es im MÜNCHNER MERKUR.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER blickt auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland: "Allein die Tatsache, dass es dieses Paket bald geben wird, dürfte die Stimmung in der Wirtschaft deutlich aufhellen und die Investitionslaune heben. Das Vorgehen birgt nicht unerhebliche ökonomische Risiken. Tritt der Staat in einem solchen Ausmaß als Nachfrager auf den Plan, treibt das in der Regel die Preise. Die Inflation könnte zurückkommen. Und mit den neuen Verschuldungsmöglichkeiten wird Deutschland schon bald zu den Hochschuldenstaaten gehören", prognostiziert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE erinnert: "Im Wahlkampf hatte die FDP unrecht mit der Vorhersage, dass sie wieder in den Bundestag einziehen wird. Recht hatten die Liberalen mit ihrer Vorhersage, dass die Union ein politisches Chamäleon ist. Sie nimmt stets die Farbe ihres kleinen Koalitionspartners an. Noch bevor Merz seine Regierung beieinander hat, ist er voll auf Linie der SPD eingeschwenkt. Die Schuldenbremse wird ausgehebelt, Schwarz-Rot flutet das Land mit Geld – gleich dem Nil im alten Ägypten."
Auch das Magazin CICERO kritisiert: "Wer am 23. Februar CDU oder CSU gewählt hat, um der Schuldenmacherei ein Ende und eine Wirtschaftswende in Gang zu setzen, muss sich getäuscht fühlen. Merz hat sich obendrein bei seinem Wahlkampf gegen die FDP verzockt. Ein Prozentpunkt mehr für die Freien Demokraten, und das Duo Klingbeil/Esken könnte Merz/Söder nicht so vor sich hertreiben. Natürlich werden Merz und Söder versuchen, bei der Suche nach einer Basis für Schwarz-Rot eigene Vorhaben durchzusetzen. Eine höhere Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer dürften vom Tisch sein. Mit der Verschuldungs-Bazooka entfällt jedoch der Zwang, alle Positionen im Bundeshaushalt auf den Prüfstand zu stellen", moniert CICERO.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz findet, dass der Preis für das Milliarden-Vorhaben hoch sei: "Und wenn ihn nicht nur die nächste Generation zahlen soll, dann muss die nächste Regierung neben Schulden auch Reformen liefern: Bürokratieabbau, einen Sozialstaat, der nicht überbordet, eine Reform der Sozialversicherung, die ihren Namen verdient, auch wenn das wehtun wird. Die Angst vor der AfD darf nicht dazu führen, dass alle so weitermachen wie bisher und nur der Schuldenstand wächst", fordert die RHEIN-ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG geht näher auf das Thema Aufrüstung ein: "Mit dem Beschluss, Ausgaben für die Verteidigung nicht länger von der Schuldenbremse begrenzen zu lassen, meldet sich Deutschland aus dem Fronturlaub zurück, in den die Ampelkoalition im Herbst ging, obwohl Putin auf dem Vormarsch war und damit gerechnet werden musste, dass Trump wiederkehrt und eine zweite politische Front im Westen eröffnet. Dass Union und SPD sich einigen konnten, ist ein wichtiges und mächtiges Signal an Putin, Trump und die europäischen Verbündeten. 'America is back', sagte Trump in seiner Rede zur Lage der Nation. Auch Deutschland ist wieder da. Noch aber müssen Union und SPD die Grünen oder die FDP dafür gewinnen, den Verschuldungsmöglichkeiten zuzustimmen", unterstreicht die F.A.Z.
"Es war strategisch unklug von Union und SPD, die Grünen nicht vorher einzubeziehen", meinen die STUTTGARTER NACHRICHTEN: "Schon aus Prinzip müssen sie daher nachverhandeln. Dass es ohne sie nicht geht, gibt ihnen etwas Macht. Vielleicht können sich die Grünen etwas hinzuverhandeln – Geld für den Klimaschutz etwa oder zumindest die Zusicherung, dass dieser bei den Investitionen für die Infrastruktur eine Rolle spielt. Das wäre fair und inhaltlich sinnvoll. Klar ist jedoch: Dass es ohne die Grünen nicht geht, bedeutet für sie auch Verantwortung. Am Ende werden sie zustimmen müssen", glauben die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
"Merz kann sich nicht hinter der veränderten Weltlage verstecken", findet die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Es geht ja nicht nur um das Militärische, sondern auch um die längst überfällige Modernisierung der Infrastruktur. Und die deutschen Brücken waren vor der US-Wahl so marode wie danach. Der scheidende grüne Wirtschaftsminister Habeck hatte Merz im Bundestag ausbuchstabiert, wie die veraltete Infrastruktur die wirtschaftliche Entwicklung hemmt. Nun übernimmt Merz praktisch wörtlich Habecks Begründung für das Aufweichen der Schuldenbremse. In der Sache ist das richtig. Aber der atemberaubende Schwenk kann Merz beim Wähler Glaubwürdigkeit kosten." Soweit die FREIE PRESSE. Und so viel zu diesem Thema.
Bundesaußenministerin Baerbock hat angekündigt, keine Führungsrolle in der Grünen-Bundestagsfraktion einnehmen zu wollen. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder stellt fest: "Ungeachtet der persönlichen Gründe fallen Rückzugsentscheidungen natürlich leichter, wenn die Zeit der ganz großen Spitzenpolitik ohnehin vorbei ist. An der neuen Regierung werden die Grünen nicht beteiligt sein. In der Opposition warten die Mühen der Ebene. Dort zu strahlen, ist schwer. Letztlich tut Baerbock mit ihrer Entscheidung aber auch ihrer Fraktion einen Gefallen. Sie vermeidet Unruhe, die bei einer Kampfkandidatur um den Vorsitz unweigerlich entstanden wäre", kommentiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen bilanziert: "Baerbock und Habeck haben die Partei seit 2018 nicht nur geprägt, sondern konsequent deren Richtung bestimmt: Die Grünen strebten nach Macht, um nicht von der Seitenlinie zu mäkeln, sondern mitbestimmen zu können. Trotz Dauerstreits in der Ampel haben sie dabei einiges im Land bewegt. Ein Stichwort: Boom bei den Erneuerbaren. Zeit zum Hadern hat die Partei aber nicht. Sie wird gebraucht, um die geplanten Milliardenschulden zu beschließen. Und sie muss sich neu sortieren – ohne ihre Leitfiguren Habeck und Baerbock. Den Grünen ist dabei zu wünschen, dass sie den Kurs als Bündnispartei beibehalten und sich nicht vom linken Flügel zurück in eine Nische drängen lassen", ist in der RHEINPFALZ zu lesen. Und damit endet diese Presseschau.