17. März 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

In den Kommentaren geht es um die Massenproteste in Serbien und die Haltung der Europäer gegenüber den USA. Im Mittelpunkt steht aber erneut das von Union und SPD geplante Schuldenpaket, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestags dem Parlament empfohlen hat, den Grundgesetzänderungen zuzustimmen.

Bündel Euro Geldscheine
Am Dienstag soll der Bundestag über das von Union und SPD geplante Milliarden-Schuldenpaket abstimmen. (IMAGO / Wolfilser)
"Es kann einem bange werden", findet der Berliner TAGESSPIEGEL: "1.000 Milliarden Euro, bis zu 1.500 sogar stehen in Rede, je nachdem, wie man es rechnet. Das sind, umgerechnet, zwei oder eben drei Bundeshaushalte. Auf einen Schlag. Dienstag soll also abgestimmt werden, Hau-Ruck – hier passt der Begriff wirklich. Hauen und stechen, und ob dann ein Ruck durchs Land geht, ist noch nicht gewiss. Denn die Mehrheit ist längst nicht überzeugt – im Land nicht und nicht im Bundestag –, dass der Weg, den sie mit Friedrich Merz an der Spitze gehen sollen, der richtige ist und zum Ziel führt. Nicht nur die – künftige – Opposition hat ihre Zweifel; bei Union, SPD und Grünen sind es ebenso etliche Abgeordnete. Bis zur Abstimmung am Dienstag müssen noch einige in allen drei Fraktionen überzeugt werden. Auch die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat ist nicht hundertprozentig gesichert", glaubt der TAGESSPIEGEL.
Der MÜNCHNER MERKUR kritisiert das Vorgehen von Union, SPD und Grünen: "Im alten, schon abgewählten Bundestag wird die Änderung schnell durchgepeitscht, weil da eine Zweidrittel-Mehrheit leichter hergeht. Und um die Grünen bei Laune zu halten (oder eher: um ihre Stimmen zu erkaufen), quetschen Merz, Klingbeil und Co auch noch "Klimaneutralität bis 2045" ins Grundgesetz. Was soll dieses Hoppla-Hopp-Verfahren? Über das Ziel, den Weg dahin und die juristischen Folgen braucht es gründlichere Debatten. Und mehr demokratische Legitimation, als sie ein Nochnichtkanzler und der Nichtmehrbundestag gemeinsam aufbringen", findet der MÜNCHNER MERKUR.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kritisiert insbesondere, dass Union, SPD und Grüne 100 Milliarden Euro in die Energiewende stecken möchten: "Es ist richtig, dass auch Energieeinrichtungen ausgebaut gehören und dass diese Modernisierung teuer ist. Aber es ist keinesfalls ausgemacht, dass der Branche tatsächlich das nötige Geld fehlt, um die gesetzlich vorgeschriebene Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen. Der neue Geldsegen birgt die Gefahr, dass Fehlanreize und Verschwendung noch zunehmen, ohne die milliardenschweren Sparpotentiale zu heben. Das meiste Geld aber würde frei, wenn Deutschland seine Klimaneutralität um fünf Jahre auf das europäische Stichjahr 2050 verschöbe. Das Institut RWI hat ausgerechnet, dass auf diese Weise 750 Milliarden Euro einzusparen wären, ohne dass sich der deutsche Beitrag zur globalen Treibhausgasminderung wesentlich verschlechterte", betont die F.A.Z.
Auch die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus blickt auf die Zugeständnisse, die CDU-Chef Merz den Grünen gemacht hat: "Die neue Weltlage mache es notwendig, lautet die Begründung für sein geschmeidiges Vorgehen. Fragt sich nur, ob dazu auch gehört, den Begriff "klimaneutral" im Grundgesetz zu verankern. Während die einen Juristen nun vermuten, damit sei ein neues Staatsziel definiert, winken andere ab und erklären: halb so wild. Definitiv jedoch werden die 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds Merz zu einem deutlich grüneren Kanzler machen, als er sich das hätte vorstellen können, vielleicht sogar zum grünsten Kanzler in der Geschichte der Republik", vermutet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint dazu: "Es ist möglich, dass die deutsche Verwandlung vom Sparweltmeister zum größten Geldausgeber Europas, die wir gerade staunend beobachten können, rückblickend als positive historische Wende eingeordnet werden kann. Wenn es so kommt, dann dürfte Friedrich Merz die Art und Weise, wie er diese Verwandlung organisiert hat, womöglich verziehen werden. Wer weiß, vielleicht vermag der ein oder andere in der dreisten Wählertäuschung und dem hektischen Deal mit den Grünen eines Tages sogar etwas Geniales erkennen", schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG zeigt Verständnis für CDU-Chef Merz: "Vergessen wir den Vorwurf des Wortbruchs. Für Wahlkämpfe gilt das rheinische Sprichwort: 'Versprechen und Halten - beides kannst du nicht haben.' Also sollten sich alle jetzt darauf konzentrieren, ordentliche Politik zu machen."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE glaubt: "Gut zwanzig Jahre ohne Spitzenpolitik zeigen offenbar Wirkung. Wenn sich derzeit ein Muster herausbildet, dann sieht es so aus: Merz neigt zu markigen Ansagen und forschen Richtungswechseln. Diese Kombination aus Risikobereitschaft, markiger Ansage, gern garniert mit dem Englisch-Vokabular des Geschäftsmannes, bei gleichzeitig mangelndem Weitblick mag irgendwie funktionieren, wenn es um einen Deal mit Britta Haßelmann und den Grünen geht. Das Problem ist nur, dass Merz das Land künftig gegenüber Wladimir Putin und einem Donald Trump positionieren muss, der die schützende Hand der USA wegzuziehen droht", warnt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER lobt angesichts der Politik des russischen Machthabers und des US-Präsidenten das wieder erwachende Selbstbewusstsein der Europäer: "Das neue Zusammenrücken von London, Paris und Berlin ist ein Hoffnungszeichen für die ganze Welt. Seit Jahrzehnten zielen die Pläne des angeblichen russischen Meisterstrategen Putin auf eine Einschüchterung der Europäer. Im Fall der vormals neutralen neuen NATO-Mitglieder Finnland und Schweden ging dies bekanntlich schon nach hinten los. Jetzt zeigen sich Deutsche, Briten und Franzosen trotziger und wehrhafter als gedacht. Frankreich ließ am Wochenende ein Awacs-Aufklärungsflugzeug, begleitet von zwei Kampfjets, über dem Schwarzen Meer aufsteigen – und demonstrierte den Willen, die Regierung in Kiew künftig unabhängig von den USA mit hochaufgelösten Bildern aus ukrainischen Kampfzonen zu versorgen. Zugleich erlaubte sich Paris, auf Grönland Landeübungen abzuhalten und vor der Küste Kanadas das neueste französische Atom-U-Boot auftauchen zu lassen. Aus Europa kommen verblüffend schlechte Nachrichten - für Putin und für Trump", meint der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Themenwechsel. Die TAZ kommentiert die Massenproteste in Serbien, wo am Wochenende Hunderttausende gegen Präsident Vučić auf die Straße gingen: "Mit Kreativität, Humor und unermüdlicher Ausdauer fordern die Studierenden eine autokratische Herrschaft heraus. Die Bevölkerung steht hinter ihnen: Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation CRTA unterstützen 80 Prozent der Serbinnen und Serben ihre Forderungen. Die Studierenden fordern nicht einmal explizit Vučićs Rücktritt – sie erkennen seine Autorität gar nicht erst an. Sie wollen funktionierende Institutionen und Rechtsstaatlichkeit. Dass das mit Vučić nicht zu haben ist, versteht sich für die meisten von selbst. Die Frage, die sich jetzt stellt: Was nun? Serbien ist keine Demokratie, in der faire und freie Neuwahlen ausgerufen werden könnten. Gleichzeitig fehlt der internationale Druck. Statt Kritik zu äußern, hofierten europäische Politiker Vučić: Olaf Scholz sicherte sich Lithium für die deutsche Autoindustrie, Emmanuel Macron verkaufte Kampfjets, Ursula von der Leyen lobte Serbiens EU-Kurs, und Markus Söder nahm einen Orden aus Vučićs Hand entgegen", kritisiert die TAZ.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht das ähnlich: "In Serbien wird oft bemängelt, es gebe keine starke Opposition. Diese Opposition kann es auch nicht geben, da sie – wie in Russland – keine Chance zur Entfaltung bekommt und Propaganda und Ammenmärchen über Verschwörungen und angeblich vom Ausland geplante "Revolutionen" bei vielen Serben verfangen. Vučić kann also nach Gutdünken regieren, auch weil die EU und Deutschland ihn stützen – erst durch Angela Merkel, dann durch Olaf Scholz. Es ist für die Serben zu hoffen, dass eine kommende Bundesregierung diese fehlgeleitete Politik aufgibt, die Deutschland in den Augen vieler Serben zu Recht in Misskredit gebracht hat", fordert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Damit endet die Presseschau.