21. März 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Thematisiert werden der begonnene EU-Gipfel mit Schwerpunkt Verteidigung, die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Syrien und die Wahl von Kirsty Coventry zur neuen IOC-Präsidentin. Zunächst geht es um den Umgang Europas mit der Festnahme des türkischen Oppositionspolitikers Imamoglu.

Recep Tayyip Erdogan und Ursula von der Leyen schütteln sich bei einer Pressekonferenz im Dezember 2024 in Ankara die Hände
Die EU und Erdogan - eine komplizierte Beziehung. (picture alliance / Associated Press / Yavuz Ozden)
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG vermerkt: "Die Demokratie in der Türkei wird mit dieser politisch motivierten Verhaftung meilenweit zurückgeworfen, das sieht man auch in Brüssel so. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Festnahme als äußerst besorgniserregend. Dabei waren die Beziehungen der EU zu dem NATO-Land gerade dabei, sich zu normalisieren. Der Türkei kommt geo- und sicherheitspolitisch eine wichtige Rolle zu, sie ist ein internationaler Player, auch als Vermittlerin in Krisen wie etwa dem Ukraine-Krieg. Hier hatte sich Präsident Erdogan zuletzt hervorgetan. Ein Land aber, in dem eine Opposition, die der Regierung gefährlich wird, vor Gericht gestellt wird, disqualifiziert sich selbst. Das Vorgehen Erdogans muss Konsequenzen haben. Das müssen die EU- und NATO-Länder sehr deutlich machen. Der Weg nach Europa ist für die Türkei in dieser Woche ein sehr viel längerer geworden", stellt die SAARBRÜCKER ZEITUNG fest.
Nun eine Stimme aus der FRANKFURTER NEUEN PRESSE: "Die aktuellen Proteste in der Türkei zeigen: Ob Erdogan bis 2028 den Widerstand unterdrücken kann, ist fraglich. Doch immerhin kann er sich sicher sein, dass Europa ihn – abgesehen von halbherzigen Protestnoten – gewähren lässt. Zu wichtig ist die Schlüsselrolle, die Ankara bei den Konflikten in Nahost und in der Ukraine spielt. Zu groß ist die militärische Macht der Türkei, die für Europäer und NATO immer wichtiger wird, seitdem auf die USA kein Verlass mehr ist. Erdogan handelt, das zeigte sich schon in der Flüchtlingskrise, außenpolitisch als geschickter Stratege – und solange die Weltlage ihm in die Karten spielt, ist die türkische Opposition wohl leider auf sich allein gestellt", analysiert die FRANKFURTER NEUE PRESSE.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG schreibt: "Die verhaltene Reaktion des Westens nach der Festnahme von Erdogans wichtigstem innenpolitischem Konkurrenten sind ein Beleg dafür. Erdogan muss Europa nicht fürchten - und die türkische Opposition kann nicht auf Europa hoffen."
Die EU will bis 2030 massiv aufrüsten, das haben die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel in Brüssel entschieden. "Europa steht vor einem sicherheitspolitischen Wendepunkt", betont die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock. "In der Sache stimmten die Regierungschefs überein: Mehr, besser und gemeinsam wollen die Europäer in die Verteidigung des Kontinents investieren, die Wettbewerbsfähigkeit stärken und der Migration begegnen. Das Problem ist nur: Wenn es konkret wird, siegen nationale Eigeninteressen und der Blick zur nächsten Wahl. Jetzt ist Tempo gefragt. Gemeinsame Rüstungsprojekte, neue Zielmarken bei den Verteidigungsausgaben, ein einheitliches Vorgehen bei der Beschaffung – all das muss nun schnell vorangetrieben werden. Die Einführung von NATO-Standards durch EU-Gesetzgebung, die Einigung und Umsetzung von Flaggschiffprojekten wie einem Raketenabwehrschirm, einer Cyberschutzbrigade und die Stärkung gemeinsamer Truppen dulden keinen Aufschub", unterstreicht die OSTSEE-ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG moniert: "Europa kann keine Verteidigungsgemeinschaft sein, wenn so wichtige Staaten wie Spanien, Italien und Frankreich – das als einzige Atommacht sogar eine Führungsrolle beansprucht – ihre Beiträge nicht leisten. Deutschland als wirtschaftlicher Koloss in der Mitte kann einen unverhältnismäßig großen Teil schultern und wird das wohl auch tun müssen, so wie Amerika in der NATO über Jahrzehnte für die Sicherheit anderer Länder mitbezahlt hat. Doch das hat Grenzen. Europa ist, das ist die bittere Realität, allein in einer gefährlichen Welt. Der Wecker schrillt seit Jahren. Wenn die Hälfte der europäischen Regierungen ihn jetzt wieder nur vom Nachttisch schubst und sich nochmal gemütlich umdreht, könnten die Folgen dramatisch sein", warnt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Außenministerin Baerbock hat die deutsche Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus wiedereröffnet. Dazu notiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Nach 13 Jahren sind die diplomatischen Beziehungen zu Syrien damit auch durch eine Präsenz vor Ort wiederhergestellt. Es ist eine ausgestreckte Hand an die neuen Machthaber in Syrien, ein Zeichen des Vertrauens, dass die alte Diktatur von Baschar al-Assad nicht von einer neuen abgelöst wird. Denn dass dieser Prozess in die richtige Richtung läuft, ist längst nicht gesagt. Es ist dennoch den Versuch wert, den Neuen eine Chance zu geben – und vor allem auch dem Land und den Leuten. Die Botschaftseröffnung ist die Möglichkeit für Deutschland, die Neuaufstellung aus der Nähe mitzuverfolgen. Das ist eine sehr gute Idee, über die Symbolkraft hinaus", lobt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
"Es ist kein schönes politisches Umfeld für die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Damaskus", wendet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ein. "Aber das macht diesen Schritt nicht falsch - im Gegenteil. Es ist auch richtig, ihn durch einen Besuch der Außenministerin symbolisch aufzuwerten. Unabhängig davon, welche Richtung die neuen syrischen Machthaber einschlagen, braucht Deutschland beständige Gesprächskanäle zu ihnen. Man sollte die Möglichkeiten der Europäer nicht überschätzen, in ihrem Sinne auf den künftigen Kurs des Landes einzuwirken. Aber es wäre schlecht für deutsche Interessen, anderen Mächten dort einfach das Feld zu überlassen." So weit die F.A.Z.
Das Internationale Olympische Komitee hat die Sportministerin von Simbabwe, Kirsty Coventry, zur neuen Präsidentin gewählt. Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe kommentieren: "Dass Coventry vor der Wahl mehr Mitbestimmungsrecht und Transparenz nicht zuletzt bei der Spielevergabe in Aussicht gestellt hat, ist schon einmal ein guter Anfang. Allerdings nur, wenn sich die Worte nicht als leere Versprechen entpuppen. Was Glaubwürdigkeit und Außenwirkung des IOC anbelangt, wird ohnehin viel wesentlicher sein, wie es das neue Oberhaupt mit der von Vorgänger Thomas Bach gepflegten Nähe zu Menschenrechte missachtenden Staaten wie Russland, Saudi-Arabien, Katar oder China und Despoten wie Wladimir Putin hält. Schon jetzt gespannt darf man zudem sein, wie Coventry die nächsten Sommerspiele über die Bühne bringt. Die finden 2028 in Los Angeles statt, also in Trump-Land. An Gelegenheiten, das bis dato blasse Profil zu schärfen und sich zu profilieren, wird es nicht mangeln", erwarten die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN.
"Eine Sensation, eine Revolution", titelt die Volksstimme aus Magdeburg. "Mit Kirsty Coventry ist nicht nur die erste Frau, sondern auch der erste Mensch aus Afrika an die Spitze des IOC gewählt worden. Gleich im ersten Wahlgang, als hätte es Mitbewerber nicht gegeben. Nun will sie die IOC-Mitglieder mehr in die Entscheidungen einbinden, will 'Schranken niederreißen'. Ob sie das in einem Verband mit permanentem Korruptionsgeruch schafft, ist fraglich. Denn für Coventry beginnen nun politische Machtkämpfe", urteilt die VOLKSSTIMME.
DIE GLOCKE aus Oelde blickt auf Coventrys Vorgänger, den Deutschen Thomas Bach. "Unter ihm gab es viele Kontroversen. Kritiker werfen ihm vor, nicht konsequent genug gegen Doping vorgegangen zu sein. Die Vergabe der Spiele an ein Land wie China, in dem Menschenrechte nichts wert sind, hat ebenfalls einen faden Beigeschmack. Bedenklich waren auch Bachs betont herzliche Auftritte mit Autokraten wie Wladimir Putin und Xi Jinping. Das IOC ist eine Organisation mit hohen moralischen Ansprüchen. Diesen sollte zuallererst der Präsident gerecht werden. Bach hat das nicht geschafft. Zu oft setzte er lieber auf Macht statt auf Anstand."