
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER bemängelt: "Eigentlich wollte man ja alles anders machen in der neuen Koalition als die ungeliebte Ampel. Sich nicht im Klein-Klein geplanter Wohltaten verlieren, sondern kurz und knackig die groben Leitlinien festlegen und dann so richtig durchstarten mit dem vollmundig verkündeten Politikwechsel. Herausgekommen in den Arbeitsgruppen ist dabei ein gut 160 Seiten starkes Werk – 16 Seiten mehr als die kleinteilige Planung der Ampel-Koalition umfasste. Das kann ja heiter werden mit dem versprochenen Bürokratieabbau, wenn es so schon losgeht", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Immerhin, die Stimmung sei gut, lobt die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Die Politikerinnen und Politiker, die über Deutschlands Wohl und Wehe entscheiden, gehen ordentlich und professionell miteinander um. Union und SPD haben den Wahlkampfmodus abgeschüttelt, was keine Selbstverständlichkeit ist. Das Atmosphärische stimmt und ist eine belastbare Grundlage für eine Einigung auf den Koalitionsvertrag."
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm sieht Merz in der Defensive: "Die neuen Mehrheitsverhältnisse haben Merz dazu gezwungen, einen gigantischen Schuldentopf zu beschließen, noch bevor er überhaupt wusste, was er denn genau erreichen will. Man kann sich regelrecht vorstellen, wie die Phantasie der Fachpolitiker in Gang kommt, angesichts der vielen, vielen Milliarden Euro, die man weder den Arbeitnehmern noch den Unternehmen abluchsen muss. Da kann die viel beschworene Konzentration auf die wichtigsten Aufgaben, die Priorisierung schnell mal in Vergessenheit geraten", befürchtet die SÜDWEST PRESSE.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) übt scharfe Kritik an der Migrationspolitik von CDU und CSU: "Den Doppelpass als Normalfall und die sogenannte 'Turbo-Einbürgerung' wollte die Union wieder abschaffen. Nun zupft sie nicht mehr an den Einbürgerungsfristen herum. Stattdessen stellen CDU und CSU die Einbürgerung der meisten Migranten grundsätzlich infrage. Sie wollen, dass ein 'humanitärer Aufenthalt' nicht als 'gewöhnlicher' Aufenthalt betrachtet wird und keine Berechtigung für eine Einbürgerung nach sich zieht. Damit wären faktisch alle, die irgendeinen Schutzstatus haben, vom Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Egal, wie lange sie in Deutschland sind. Es ist schwer vorstellbar, dass die Sozialdemokraten dazu einfach nicken. Diese Attacke auf das Staatsbürgerschaftsrecht vorzubringen, zeigt allerdings, dass die Union ins migrationspolitische Mittelalter zurück will", erläutert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Nach Ansicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist es gerechtfertigt, wegen Koalitionszwängen die Meinung zu ändern: "Wer Partner braucht, muss diesen entgegenkommen, manchmal auch weit. So gesehen wäre es nicht ungehörig, wenn Merz nun seine Maßnahmen gegen irreguläre Migration abschwächen müsste. Schließlich hat sich seine mutmaßliche Koalitionärin, die SPD, anders festgelegt als er. Der nötige Kompromiss ist für Merz nur insofern schwierig, als er im Wahlkampf so tat, als sei dieses Thema jedem Kompromiss entzogen. Nach dieser vorgeführten Entschlossenheit fehlt nun mutmaßlich die Kraft zum Vollzug", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Auch die FREIE PRESSE aus Chemnitz weist auf die Notwendigkeit von Kompromissen hin: "Schon vor einiger Zeit wurde bekannt, dass die künftige Koalition Asylbewerber 'in Abstimmung' mit Nachbarländern zurückweisen will. Medienberichten zufolge soll Merz schon Kontakt zu betroffenen Staaten gesucht haben. Das klingt, als könnte er zumindest Teile seines Plans umsetzen. Unabhängig davon, ob man das eigentliche Vorhaben richtig findet oder nicht: Für die Koalition ist es ein gutes Zeichen, wenn sie zeigt, dass sie ihre Kompromisse zumindest mit Leben füllen kann."
Nun ins Ausland. US-Vizepräsident Vance ist gemeinsam mit seiner Frau ohne Einladung nach Grönland gereist. In Grönland und Dänemark ist der Besuch auf scharfe Kritik gestoßen, im Vorfeld hatte US-Präsident Trump wiederholt Ansprüche auf die Insel geltend gemacht. Trumps Pläne seien eine direkte Bedrohung für die transatlantische Sicherheit, meint das HANDELSBLATT: "Trump wird mit wirtschaftlichem und politischem Druck versuchen, einen Deal mit Dänemark und Grönland zu schließen. Doch wenn daraus nichts wird? Wenn Trump vor der Wahl steht, sein Scheitern einzugestehen oder ein militärisches Wagnis einzugehen, wird es ernst. Die Europäer müssen alles tun, damit es nicht so weit kommt. Sie müssen zusammenhalten, Trump hinhalten, seiner Regierung Rohstoffkooperationen anbieten und, ja, auch Gespräche über die Unabhängigkeit Grönlands führen. All das, um Zeit zu gewinnen, bis der imperialistische Spuk in Washington irgendwann vorbei ist", empfiehlt das HANDELSBLATT.
Vance und seine Frau würden ohne Skrupel über Grönland herfallen, notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Eine Bande von Hinterhofschlägern hat sich also erst Amerikas bemächtigt – und droht nun der ganzen Welt. Hilft es hier noch, dem Ordinären mit Anstand und Stil zu begegnen? Das hat schon 2016 nicht funktioniert. Die Grönländer versuchen es dennoch noch einmal mit dem Michelle-Obama-Motto: Mit kreativem Protest, in dem sie das Trumpsche MAGA-Motto in 'Make America Go Away' umwandeln. Viel mehr bleibt ihnen derzeit auch nicht übrig: Fast rührend schwach beschützt durch einige dänische Marineschiffe und eine Hundestaffel, hätte die Insel den USA nichts entgegenzusetzen. Und so nimmt sich der neue Hillbilly-Imperialismus eben, was er will", konstatiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist der Meinung: "So wenig man den baldigen Einmarsch von US-Truppen auf dänischen Boden fürchten muss, so sehr liefert die Posse doch dem russischen Präsidenten Putin Argumente dafür, die Besetzung der Krim und andere völkerrechtswidrige Angriffe zu relativieren. Am kleinen Grönland zeigt sich das große Problem, in das Trump den Westen bewusst steuert: Er zerrüttet die alten Bündnisse und stärkt so die autoritären Regime, die in ihrem Weltmachtstreben über einen zerstrittenen Westen nur jubilieren können", analysiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Zu den Vorschlägen des russischen Präsidenten Putin über den weiteren Umgang mit der Ukraine, bemerkt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Wladimir Putin verfolgt gerade eine Doppelstrategie: Er schmiert dem für Schmeicheleien empfänglichen amerikanischen Präsidenten Honig um den Mund - etwa mit Ausführungen darüber, dass dessen Grönland-Pläne verständlich und nicht so extravagant seien, wie manche behaupteten. Und gleichzeitig lässt er Donald Trump in den Gesprächen über die Ukraine eiskalt auflaufen. Der Kreml lässt sich um jedes Gespräch lange bitten und schafft nach jeder angeblichen Übereinkunft gezielt Verwirrung über deren Inhalt. Im Kern hält Putin dabei an seinem Ziel fest: der Zerstörung des unabhängigen und demokratischen ukrainischen Staates. Nichts anderes verbirgt sich hinter Putins Vorschlag, die Ukraine zeitweise unter UNO-Verwaltung zu stellen - also ihr die Souveränität zu nehmen", unterstreicht die FAZ.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg mokiert sich über Putins Vorgehen: "Es klingt, als hätte der Kriegsherr Wladimir Putin nun den Stein der Weisen, den Frieden gefunden. Machen wir doch aus der Ukraine ein UNO-Mandatsgebiet, meint der Kreml-Boss, veranstalten wir freie Wahlen und starten wir mit einer neuen Regierung. Positiv an der Idee ist, dass das Sterben endlich ein Ende hätte. Abgesehen davon, dass Putin und faire Wahlen zusammenpassen wie die Kalaschnikow zur Wasserpistole, sind in den Vorschlag jedoch allerhand Fallstricke eingebaut", hebt die VOLKSSTIMME hervor.